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Оглавление4. Dezember – Jessica
Irgendwo in einer mittleren Großstadt in Deutschland
Genervt schaute Jessica auf die kleine schmale Uhr an ihrem Handgelenk. Wie konnte es so schwer sein, pünktlich zu sein? Ihr Date mit Sabine zum Kaffee gestern, mussten sie verschieben, denn die Obrigkeit hatte ein Extrameeting einberufen.
„Wie bearbeite ich Anfragen in der Weihnachtszeit?“ Keine Ahnung, welche Kollegin sich da wieder ein Schnitzer erlaubt hatte, auf jeden Fall wurde allen Mitarbeitern der Kopf zurechtgerückt und noch einmal dringend auf die Werte des Unternehmens aufmerksam gemacht. Blablabla... Ein ziemlich langweiliger und eintöniger Vortrag.
Leider ließ sich ihr Vorgesetzter nicht nehmen, auf die bevorstehende Weihnachtsfeier hinzuweisen, worauf Jessicas Lustlevel noch weiter sank. Zum Feierabend wurde Sabine von ihrem Freund abgeholt, somit war diese Chance vertan. Heute wollten sie das nachholen.
Noch zwei Tage.
Erstens, sie hatte immer noch keine Lust an der Veranstaltung teilzunehmen. Gar keine.
Und dann fehlte ihr immer noch dieses verflixte Geschenk für Tanja.
Wieder blickte sie auf die Uhr. Wenn Sabine sich nicht endlich beeilte, würde diese Pause ein weiteres Mal ergebnislos enden.
Noch zehn Minuten. Wo bleibt sie denn nur?
Sie saß in der Firmencafeteria am Fenster und starrte hinaus. Andere Kolleginnen vermieden es daraufhin, sich zu ihr zu setzen oder auch nur mit ihr ins Gespräch zu kommen.
Sie hatte nicht vor ihre schlechte Laune zum Abteilungsgespräch mutieren zu lassen.
Gerade wollte sie aufstehen, da sah sie Sabine mit gehetzter Miene auf sich zu eilen.
Oh man, was konnte sie denn abermals so aus der Fassung gebracht haben? Es dauerte noch etwa zehn Sekunden, da warf sie sich theatralisch auf den freien Platz ihr gegenüber.
Sabine sah heute wie eine Weihnachtsfee aus. Sie hatte ein Vintagekleid an, mit einer riesengroßen Weihnachtsapplikation bedruckt. Ihre Schultern waren mit Spitze verhüllt. Wäre Jessica etwas mehr in Weihnachtsstimmung, würde sie vor entzücken seufzen. So fand sie es ziemlich albern. Naja – Geschmackssache halt.
„Muss ich erst fragen? Oder lässt du mich an deinem Auftritt teilhaben?“
„Oh – ich glaube, an deinen Sarkasmus kann ich mich nur langsam gewöhnen!“ Sie rutschte sich auf den Stuhl zurecht und grinste über beide Ohren.
Boar bitte – wie kann man so gut gelaunt sein?
„Bevor du vor lauter Neugierde zerfließt ... Ich habe mich nach deinem Problem erkundigt!“
Jessica musste vor Schreck husten. Sie konnte so froh sein, dass sie vorher den Kaffee hinuntergeschluckt hatte.
„Mein bitte was?“
„Na du weißt schon .... Dein klitzekleines Problem!“
„Sabine! – vermagst du dir das Vorstellen, – ich habe schlechte Laune, tu mir den Gefallen und verschlechtere sie nicht noch mehr!“
„Kein Wunder das sich keiner zu dir setzen mag – hoffentlich ist deine schlechte Laune nicht ansteckend!“ Dabei grinste Sabine sie sehr frech an.
„Möchtest du es austesten?“
„Nein – bitte nicht ...“, aus der kleinen Tasche, die sie quer über die Schulter trug, nahm sie einen kleinen zusammengefalteten Zettel. Mit erhabener Geste reichte sie ihn Jessica, die ihn verwirrt anstarrte.
„Nun fass schon zu! Da stehen Vorschläge für Tanjas Wichtelpaket drauf!“
Sie war ein Schatz!
Ehrfürchtig griff sie nach dem Zettel. Ihr Blick wanderte von ihrer Hand zu Sabines Augen. Und ob sie wollte oder nicht, ein dankbares warmes Lächeln glitt über ihr Gesicht.
„Huch – was war das?“ Sabine fuhr erstaunt ein Stück zurück.
„Was war was?“ Immer noch ein wenig glückselig betrachtete sie den Zettel.
„Dieses Lächeln! Du hast gelächelt! Oh – ich bin ja völlig perplex!“
Ein wenig schmollend verzog Jessica den Mund. „Reg dich nie wieder über meinen Sarkasmus auf.“
Wie einen Schatz steckte sie den Zettel in ihren Geldbeutel.
„Willst du nicht sehen, was drauf steht?“
„Sicher nicht, darum kümmere ich mich zu Hause. Ich hoffe, man kann es online bestellen. Mit Sofortlieferung. Dann ist alles gut.“ Sie grinste zufrieden.
„Na, dein Wort in den da oben sein Ohr ...“, dabei zeigte sie mit dem Finger nach oben. „Die Päckchen müssen spätestens am Nikolaustag früh abgegeben werden. Denk dran, es ist schon in zwei Tagen.“ Wie eine kleine Weihnachtsfee warf sie Jessica ein keckes Lächeln zu und lief wieder aus der Cafeteria.
Mit einem Mal war sie sich ihrer Umgebung wieder bewusst. Die leise Weihnachtsmusik, der Duft von frischen Keksen. Sie kam sich vor, wie zuhause. Gemütlich am Küchentisch bei ihrer Mutter sitzend, sie steht vor ihr am Tisch und sticht Kekse aus, sie hat eine Tasse heißen Kakao in der Hand. Ein kurzes Gefühl von innerer Wärme machte sich in ihrem Bauch breit. Dann plötzlich saß sie in der Kirche und konnte Marco sehen, wie er ebendieses andere Mädchen im Arm hielt. Und sofort verflüchtigte sich diese herrliche Gefühlsregung. Dafür dehnte sich eine kalte Beklemmung in ihrem Herzen aus. Alle alten Zweifel krochen aus ihren Löchern, wie die Regenwürmer auf einem überspülten Feld. Ein Schauer huschte über ihren Nacken, den Rücken hinab, Gänsehaut bildete sich und hinterließ ein ungutes Gefühl.
So eine dämliche Zeit. Sie hasste Weihnachten.
Immer noch.