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2.2 Verbindung ist alles: Ein gigantisches neuronales NetzwerkNetzwerk wächst zusammen

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Zum „Erwachsenwerden“ von NervenzellenNervenzellen gehört es, dass sie Verbindungen zu anderen Nervenzellen ausbilden. Sie verknüpfen sich zu einem riesigen neuronalen NetzwerkNetzwerk aus Nervenfasern und SynapsenSynapse (Verbindungsstellen). Dieses Netzwerk bildet die Grundlage aller Hirnfunktionen, egal ob Wahrnehmung, DenkenDenken, Lernen, die Steuerung von Handlungen oder auch automatische und unwillkürliche Prozesse. Über die Synapsen sammeln Neurone Informationen und geben sie weiter. Veränderungen und Umbau der Synapsen setzen sich während des gesamten Lebens fort.

Um SynapsenSynapse mit anderen NervenzellenNervenzellen aufzubauen, bilden Neurone verschiedene Arten von Ausläufern aus. Die Ausläufer, die Informationen von anderen Nervenzellen einsammeln, also sozusagen die „Antennen“, nennt man DendritenDendriten. Dendriten bilden Verästelungen, die je nach Lage im Gehirn und künftiger Funktion des NeuronsNeuronen eine sehr unterschiedliche Form haben (Abb. 1).


Abb. 1: Abbildung von zwei NeuronenNeuronen. Je nachdem, wo sie im Gehirn lokalisiert sind und wie sie Informationen aufnehmen und verarbeiten, bilden NervenzellenNervenzellen unterschiedlich geformte Dendritenbäume aus. DendritenDendriten sind Zellfortsätze von Neuronen, über die Signale von anderen Nervenzellen oder von Sinneszellen aufgenommen werden. Über das AxonAxone werden Signale an andere – auch weiter entfernt liegende – Neurone weitergegeben. Axone können unterschiedlich lang sein und Verzweigungen aufweisen. Die Endigungen der Axone werden als Axonterminalen bezeichnet.

Um Informationen weiterzugeben, entwickeln NeuronenNeuronen einen mehr oder weniger langen Fortsatz, das AxonAxone. Über die Axone laufen die Informationen im Nervensystem in Form elektrischer Impulse. An ihrem Ende sind Axone mal stärker, mal weniger verzweigt und bilden den Kontakt mit einem oder mehreren DendritenDendriten oder der Zelloberfläche eines nachgeschalteten Neurons aus (oder auch mit einem Muskel oder einer Drüse). Auch in der Länge und Verzweigung ihrer Axone unterscheiden sich Neurone je nach Lage und Funktion. Damit auch lange Axonfäden ihren Weg finden und z.B. verschiedene Hirngebiete miteinander vernetzen können, sind sie wieder auf die Hilfe von Gliazellen angewiesen. Einige Gliazellen liegen wie Streckenposten an bestimmten Stellen im Gehirn und „weisen“ die auswachsenden Axone in eine bestimmte Richtung, andere locken Axone über chemische Botenstoffe an oder geben Substanzen ab, die als eine Art „Schreckstoff“ verhindern, dass Axone in die falsche Richtung wachsen. So wird sichergestellt, dass die heranwachsenden Neurone sich in der richtigen Art und Weise miteinander verbinden.


Abb. 2: Die Axonterminale (blau) bilden mit der Oberfläche eines Informationen empfangenden NeuronsNeuronen (nachgeschaltetes Neuron, rosa) Verbindungsstellen, die sogenannten SynapsenSynapse. Nervenimpulse laufen über das AxonAxone bis zur Synapse und lösen dort die Ausschüttung von Neurotransmittern aus. Wird (über alle Synapsen zusammen) ausreichend NeurotransmitterNeurotransmitter ausgeschüttet, entsteht im nachgeschalteten Neuron ein elektrischer Impuls, der über das Axon des nachgeschalteten Neurons (nicht abgebildet) erneut weitergegeben wird.

2.1 Warum chemische SynapsenSynapse ?

Neurone leiten Informationen in Form elektrischer Signale, der sogenannten AktionspotentialeAktionspotential, teilweise über weite Strecken. Die Übertragung der Aktivität erfolgt aber in den meisten Fällen nicht direkt, indem der elektrische Impuls zwischen NeuronenNeuronen überspringt.1 Vielmehr führt der elektrische Impuls, der über ein AxonAxone zur SynapseSynapse läuft, dazu, dass am Ende des Axons Botenstoffe (NeurotransmitterNeurotransmitter) ausgeschüttet werden. Die DendritenDendriten der nachgeschalteten NervenzelleNervenzellen (und evtl. auch noch andere Stellen auf ihrer Zelloberfläche) nehmen den Neurotransmitter über Rezeptoren auf, die in der Synapse lokalisiert sind. In Abhängigkeit von der Menge des Neurotransmitters öffnen sie einige oder viele Kanäle in der Zelloberfläche. Durch diese Kanäle strömen positiv geladene (Natrium-)Ionen in die Nervenzelle ein und verändern die elektrische Spannung zwischen Innenseite und Außenseite der Nervenzelle. Wenn das an mehreren Stellen der Zellmembran geschieht, strömt so viel Natrium in die Zelle ein, dass ein neuer elektrischer Impuls in die Informationen empfangenden Zelle ausgelöst wird, der dann als sogenanntes Aktionspotential über das Axon der Nervenzelle wieder an weitere Neurone geschickt wird. Auf diese Weise wechseln sich elektrische und chemische Signale ab, wenn Informationen zwischen Nervenzellen weitergegeben werden. Die Umwandlung braucht einige Zeit und beeinflusst die Verarbeitungsgeschwindigkeit des Nervensystems deutlich. Wo aber liegt der Vorteil dieser komplizierten und zeitraubenden Umwandlung der Signale?

Zum einen sind chemische SynapsenSynapse gut regulierbar. Eine Reduktion oder Anhebung der im AxonAxone verfügbaren Neurotransmittermenge hat umgehend Einfluss auf die Intensität der weitergegebenen Signale. Andere Stoffe z.B. HormoneHormone oder Botenstoffe, die von anderen NeuronenNeuronen oder Gliazellen ausgeschüttet werden, können die Wirkung von Neurotransmittern verstärken oder verringern. Eine solche Feinregulierung ist bei direkter elektrischer Übertragung nicht möglich.

Zum zweiten können chemische SynapsenSynapse ihre Übertragungseigenschaften durch Umbau langfristig und dauerhaft verändern. Diese Fähigkeit zum Umbau wird als synaptische PlastizitätPlastizität bezeichnet. Sie ist die Grundlage von Lernprozessen und erlaubt es, neue Erfahrungen und Lerninhalte im Gehirn zu verankern, indem Synapsen vergrößert werden. Von den größeren Synapsen werden Nervenimpulse schneller und effektiver weiterleitet. In diesen Verbindungen zwischen NervenzellenNervenzellen ist das Wissen repräsentiert und kann durch AktivierungAktivierung des entsprechenden Nervennetzes abgerufen werden.

Bei der Geburt eines Menschen sind die meisten NeuronenNeuronen bereits vorhanden. Auch grundlegende Verbindungen sind bereits angelegt, darunter die Verbindungen zwischen verschiedenen Arealen der GroßhirnrindeGroßhirnrinde, Verbindungen von den Sinnesorganen zur Großhirnrinde2 und von der Großhirnrinde über das RückenmarkRückenmark zur Muskulatur.

Ab der Geburt nimmt die Anzahl der SynapsenSynapse in der GroßhirnrindeGroßhirnrinde rasant zu (vgl. Casey et al. 2005). Das bedeutet, dass sich die VernetzungVernetzung zwischen den NervenzellenNervenzellen sinnvollerweise überwiegend erst nach der Geburt vollzieht, denn so hat das Gehirn die Möglichkeit, seine Vernetzung auf die vorhandene Umwelt auszurichten. Unter diesem Aspekt ist es auch alles andere als verwunderlich, dass der motorische Cortexmotorischer Cortex, also der Teil der Großhirnrinde, der Signale an die Muskulatur sendet, um willkürliche Bewegungen zu erzeugen, bei der Geburt bereits eine intensive Vernetzung aufweist (vgl. Casey et al. 2005). Schließlich hat sich das Kind im Mutterleib schon viele Male bewegt. Ähnlich ist es beim sogenannten somatosensorischen Cortexsomatosensorischer Cortex, der Berührungs- und Tasteindrücke verarbeitet, u.a. eben die Berührung mit Fruchtblase oder Nabelschnur, aber auch die Eindrücke, die entstehen, wenn das Kind sich selbst berührt. Diese beiden Gehirngebiete sind in Abb. 3 dunkelrot und dunkelblau gefärbt. Direkt nach der Geburt folgt die Zunahme der Vernetzung der Hirngebiete, die Signale von Auge und Ohr erhalten, des primären visuellenvisuell CortexCortex (SehcortexSehcortex, pink in Abb. 3) und des primären auditorischenauditorisch Cortex (HörcortexHörcortex, dunkelgrün in Abb. 3). Zwar gibt es im Mutterleib schon viel zu hören und auch ein bisschen was zu sehen, aber diese Sinneseindrücke unterscheiden sich von dem, was ein Säugling nach der Geburt wahrnimmt. Der primäre Hörcortex und der primäre Sehcortex, die als erste Areale der Großhirnrinde die Signale der jeweiligen Sinnesorgane empfangen,3 haben zum Zeitpunkt der Geburt knapp die Hälfte der Verbindungen erstellt, die während des Reifungsprozesses zwischen den NeuronenNeuronen gebildet werden und erreichen die höchste Anzahl an Verbindungen, wenn das Kind etwa sechs Monate alt ist (vgl. Huttenlocher & Dabholkar 1997).


Abb. 3: Seitenansicht der linken Großhirnhälfte. Das GroßhirnCortex ist in vier Bereiche unterteilt: FrontallappenFrontallappen (auch Stirnlappen, rot), ParietallappenParietallappen (Scheitellappen, blau), TemporallappenTemporallappen (Schläfenlappen, grün) und OkzipitallappenOkzipitallappen (Hinterhauptslappen, pink/rosa). Im Frontallappen (hier links abgebildet) finden schwerpunktmäßig Prozesse statt, die mit Handlungen und Bewegungen im Zusammenhang stehen, die anderen Bereiche dienen überwiegend der Verarbeitung und Analyse von Sinnesinformationen. Die primären Arealeprimäre Areale, also die Ein- und Ausgangsgebiete des Cortex sind in dunklen Farben gekennzeichnet (motorisch: rot, somatosensorisch/taktil: blau, auditorischauditorisch: grün, visuellvisuell: pink, die olfaktorischen und gustatorischen Areale liegen weiter unten bzw. innen im Großhirn und sind daher in dieser Seitenansicht nicht erkennbar).

Beim erwachsenen Menschen unterscheiden sich die Regionen der GroßhirnrindeGroßhirnrinde sowohl in ihrer Funktion als auch in ihrem zellulären Aufbau, z.B. in der Dicke bestimmter Schichten oder der Häufigkeit bestimmter Neuronentypen (vgl. Brodmann 1909). Während ihrer Entstehung dagegen sind die kortikalen Regionen einander noch sehr ähnlich und im Prinzip könnte jeder Cortexbereich jede Art von Information verarbeiten. Welche Aufgabe eine Hirnregion letztlich übernimmt, hängt davon ab, welchen Input sie bekommt. Manche Cortexregionen erhalten als Input die Informationen von einem Sinnesorgan, andere haben als Eingangssignal bereits vorverarbeitete Sinnesinformationen oder auch schon vollständig verarbeitete Eingänge aus mehreren Sinnessystemen, die die entsprechende Cortexregion dann zu „Gesamteindrücken“ zusammenfügen kann. Je nachdem, welche Art von Input eine Region erhält, entwickeln sich die NervenzellenNervenzellen und ihre Verbindungen unterschiedlich. Aber nicht nur das Eingangssignal hat Einfluss auf die Funktion eines Hirngebietes. Es ist auch notwendig, dass das Ergebnis der Arbeit einer Nervenzelle sozusagen einen Empfänger hat, der etwas damit anfangen kann. Dieser Empfänger ist eine andere Nervenzelle, entweder im selben Hirngebiet oder in einer anderen, sogenannten nachgeschalteten Hirnregion, die die Ausgangssignale der ersten Hirnregion erhält. Die groben Verbindungen zu der Region, die das Ausgangssignal erhält, sind durch GeneGene und die darauf aufbauenden Entwicklungsprozesse bereits festgelegt (vgl. Infobox 2.3). Wie aber weiß eine Nervenzelle, dass ihre Botschaft empfangen wurde?

Der gesamte Vorgang lässt sich am einfachsten an einem Beispiel erklären: Angenommen, eine NervenzelleNervenzellen im primären visuellenvisuell CortexCortex, also in der Sehrinde, erhält über den ThalamusThalamus ein Eingangssignal von einer Sinneszelle des Auges. Sie reagiert beispielsweise auf rotes Licht. Auf ein einzelnes Eingangssignal reagiert unsere Nervenzelle zunächst noch nicht.4 Wenn aber gleichzeitig oder auch kurz nacheinander mehrere Impulse eintreffen, ist das ein Hinweis darauf, dass „da draußen etwas ist“. Unser NeuronNeuronen erzeugt daraufhin selbst einen elektrischen Impuls, den es als Signal „rotes Licht gesehen“ über das AxonAxone an andere, nachgeschaltete Nervenzellen weiterschickt.

Der NervenzelleNervenzellen ist, bildlich gesprochen, natürlich nicht bewusst, dass sie gewissermaßen eine Entscheidung gefällt hat. Vielmehr haben die Eingangssignale dazu geführt, dass ein AktionspotentialAktionspotential gebildet wurde, das über das AxonAxone der Nervenzelle u.a. an die benachbarten Neurone weitergeleitet wird (vgl. Infobox 2.1). Dieses Aktionspotential ist ein Signal für die benachbarten Neurone, die möglicherweise ebenfalls auf rotes Licht reagieren. Auf diese Weise bestätigen benachbarte Zellen sich gegenseitig, dass sie dieselbe Information erhalten haben. Ein solcher Abgleich ist nützlich, wenn man in seiner Wahrnehmung sicherer, schneller und genauer werden will. Da die Verbindungen wechselseitig sind, hat die Nervenzelle nicht nur die Information bestätigt, sondern auch eine Bestätigung für ihr Signal erhalten. Außerdem wird das Signal an Nervenzellen im nachgeschalteten Hirngebiet geschickt. Dabei erhalten die nachgeschalteten Nervenzellen nicht nur Impulse von der einen Nervenzelle, sondern auch von weiteren. So kann man sich vorstellen, dass einige der nachgeschalteten Nervenzellen nicht nur die Information „rot“ sondern auch noch die Informationen „rund“ und „ungefähr 8–12 cm groß“ erhalten. Diese würden dann bevorzugt auf rote Äpfel aber auch auf kleine rote Bälle reagieren. Diese Zellen geben nun die Information „kleines, rotes, rundes Objekt“ wiederum an andere Hirngebiete weiter, die vielleicht zusätzliche Informationen über den kleinen braunen Stiel des Apfels oder den braunen Blütenrest erhalten (unimodale Assoziationsarealeunimodale Assoziationsareale) oder gar Informationen zum Geruch, der Glattheit einer typischen Apfelschale oder zum Geschmack (multimodale Assoziationsarealemultimodale Assoziationsareale). Zusätzlich geben die Neurone aber auch Signale an die vorgeschalteten Hirngebiete zurück. Das Gehirn ist keine „Einbahnstraße“, sondern Informationen laufen in der Regel in beide Richtungen.

2.2 Woher wissen eigentlich die Cortexgebiete, was ihre Aufgabe ist?

Mit der Ausbildung der größtmöglichen Anzahl an Verbindungen zwischen den NervenzellenNervenzellen ist ein Gehirngebiet aber noch längst nicht fertig mit seiner Entwicklung. Das Gehirn funktioniert nämlich nicht dann am besten, wenn möglichst viele Verbindungen bestehen, sondern dann, wenn die richtigen Verbindungen gut und stark ausgeprägt sind. Daher folgt der Phase der Synapsenentstehung, der SynaptogeneseSynaptogenese, ein weiterer Schritt, bei dem etwa 40 % der SynapsenSynapse wieder abgebaut werden: das sogenannte PruningPruning. Das klingt zunächst einmal wenig sinnvoll, hat aber durchaus Relevanz und Vorteile (vgl. Casey, Giedd & Thomas 2000). Es ist ein bisschen so wie bei einem Gärtner, der zunächst einmal sehr viele Samen ausbringt und schaut, wie sich die Pflänzchen entwickeln. Die Kräftigsten werden dann von der Anzuchtschale in Blumentöpfe gesetzt, weiter gepflegt und als besonders schöne und üppige Pflanzen gewinnbringend verkauft (vgl. Infobox 2.3).

Wer aber ist im Gehirn der Gärtner, der die Auswahl trifft? Wie wird dort gewählt? Bestehen bleiben diejenigen Verbindungen, die häufig genutzt werden. SynapsenSynapse, über die viel Information läuft, und Verbindungen zwischen NeuronenNeuronen, die gleichzeitig aktiv sind, werden immer größer und stärker (vgl. Infobox 2.1). Diejenigen Synapsen, die wenig genutzt werden, also auch wenig zur Kommunikation zwischen NervenzellenNervenzellen beitragen, verkümmern und sterben ab. In letzter Konsequenz bedeutet das, dass die Synapsen bestehen bleiben, die das repräsentieren, was der sich entwickelnde Mensch erlebt, wahrnimmt und tut. Auf diese Weise tragen das entstehende Übermaß an Verbindungen und der anschließende Abbau zu LernprozessenLernprozesse bei, bei denen die „überlebenden“ Synapsen die gemachten Erfahrungen und gelernten Inhalte repräsentieren. Diese hohe Formbarkeit – die Hirnforscher nennen sie PlastizitätPlastizität – ermöglicht enorme LernleistungenLernleistung. Daher erscheint es oft so, als würde das kindliche Gehirn sozusagen wie ein Schwamm alles aufsaugen, was es an Informationen bekommen kann.

Und in gewisser Weise stimmt dies auch. Relevant ist die tatsächliche Erfahrung. Das Maß dafür, ob etwas behalten wird, ist, wie häufig es erlebt wird sowie die emotionale Wirkung des Erlebten (vgl. Kap. 4 & 6). Eine Bewertung der Inhalte, etwa hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes oder der Vertrauenswürdigkeit einer Informationsquelle, ist jungen Kindern dagegen noch nicht möglich.

Der anfängliche ÜberschussÜberschuss an synaptischen Verbindungen zwischen NeuronenNeuronen ermöglicht hohe LernleistungenLernleistung. Aber das Übermaß an Verbindungen hat auch direkte Nachteile. So führt der anfängliche Überschuss an SynapsenSynapse zunächst zu einer ungenauen Abbildung der Sinnesinformationen im Gehirn. Dadurch wird die Exaktheit der Wahrnehmung stark beeinträchtigt. Da zudem auch ein Überschuss an Verbindungen zwischen den Hirngebieten und von den Sinnesorganen zum CortexCortex entsteht, kommt es dazu, dass Informationen, die etwa vom Ohr kommen, nicht nur im Hörsystem landen und dort verarbeitet werden, sondern zusätzlich z.B. im SehsystemSehsystem, sodass sie dort u.U. Farb- oder Formeindrücke hervorrufen können, oder auch umgekehrt, dass visuellevisuell Informationen im auditorischenauditorisch Cortex ankommen und dort als Geräusche wahrgenommen werden (vgl. Siegler, Eisenberg et al. 2016). Dies ist nur in Ausnahmefällen von sofort einleuchtendem Nutzen, nämlich wenn eines der Sinnessysteme ausfällt. Wenn etwa aufgrund einer angeborenen Blindheit oder Gehörlosigkeit ein Gehirngebiet nicht die erwarteten Informationen erhält, oftmals nicht einmal die Verbindungen vom Sinnesorgan zum Gehirn hin aufgebaut werden, dann kann das Gehirngebiet die eigentlich aufgrund überzähliger Verbindungen eintreffenden Signale eines anderen Sinnesorgans verarbeiten und so zu einer besseren Wahrnehmungsfähigkeit in den noch verbleibenden Sinnen beitragen.

Wir haben es also mit einer Mischung aus Vor- und Nachteilen zu tun, aus der ein biologischer Nutzen des ÜberschussesÜberschuss an SynapsenSynapse nicht sofort sichtbar wird. Aus Biologensicht ist diese Art des Hirnwachstums sogar ein riskantes Unterfangen. Immerhin benötigen Kinder während der Entwicklung für die Versorgung ihres Gehirns etwa 1,5-mal so viel EnergieEnergie wie Erwachsene – trotz des geringeren Körper- und Gehirngewichts. Am höchsten ist der Energieverbrauch des Gehirns im Alter von 4 bis 5 Jahren. Zu der Zeit werden 43 % der insgesamt aufgenommenen Energiemenge vom Gehirn verbraucht (vgl. Kuzawa, Chugani et al. 2014). Das ist, biologisch betrachtet, ein hohes Risiko. Schließlich ist in der Natur die Versorgung mit Nahrung nicht immer gesichert. Welche Konsequenzen Mangelernährung für die Hirnentwicklung hat, kann man leider immer noch, besonders in anderen Teilen der Welt, beobachten. Angesichts dessen muss es einen guten Grund für den luxuriösen Wachstumsüberschuss im Gehirn des Säuglings geben.

Aktuelle Theorien gehen davon aus, dass der eigentliche Grund für dieses Wachstumsmuster sozusagen technischer Natur ist. Die filigrane und detailreiche Struktur unseres Gehirns, die uns DenkenDenken und intelligentes Verhalten erst erlaubt, ist so komplex, dass die dazu notwendigen Informationen in all ihren Einzelheiten überhaupt nicht in den GenenGene abgelegt werden können (vgl. Changeux & Danchin 1976). Daher nehmen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, dass die Informationen, die in Form von Erfahrungen und Erlebnissen ohnehin jedem Menschen zu Verfügung stehen, – etwa Licht (hell und dunkel, Farben, Formen), Geräusche (Klänge, Töne, Tonhöhen, Rhythmus) usw. – genutzt werden, um die korrekte Verknüpfung sicherzustellen, ohne dass alles im Detail in den Genen vorweggenommen werden und in den Vernetzungen genetisch gesteuert repräsentiert werden muss (vgl. Karmiloff-Smith 2006). Das bedeutet aber nicht, dass der genetische Einfluss unerheblich wäre. Die grundlegenden, bei der Geburt bereits angelegten Verbindungen (z.B. die großen Verbindungsstränge zwischen Hirngebieten, die Verbindungen von den Sinnesorganen zum Gehirn und vom Gehirn zur Muskulatur) sind genetisch vorgegeben, ebenso, wenn auch in geringerem Umfang (vgl. van den Heuvel et al. 2013), ein Teil der kürzeren Verbindungen. Damit ist eine Grundstruktur, sozusagen ein „Raster“ festgelegt, innerhalb dessen Umwelteinflüsse Details des Wachstums anregen können. Zudem wirken genetische Faktoren über den gesamten Entwicklungsverlauf, initiieren und beeinflussen immer wieder Wachstums- und Veränderungsprozesse im Gehirn (vgl. z.B. Sowell et al. 2003).

2.3 Etwa 40 % der SynapsenSynapse werden „umsonst“ erzeugt! Lohnt sich der Aufwand tatsächlich?

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