Читать книгу Didaktik und Neurowissenschaften - Michaela Sambanis - Страница 16

2.5.1 Stabilität und StöranfälligkeitStöranfälligkeit: Beispiel Wahrnehmung

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Das kindliche Gehirn ist keine verkleinerte Version eines erwachsenen Gehirns. Da bestimmte Funktionen noch nicht oder nicht in der endgültigen Form zur Verfügung stehen, ergeben sich viele Unterschiede. Das gilt sogar für die Verarbeitung von Sinnesinformationen. Obwohl Kinder ja von Geburt an sehen, hören usw., erreichen die primären Sinnesareale, wie oben beschrieben, die Zelldichte, die für Erwachsene typisch ist, erst im Alter von 10 Jahren. Daher erreicht auch die Verarbeitung von Informationen in diesen Bereichen schlicht nicht die Geschwindigkeit oder die Qualität (im Sinne von Genauigkeit, geringer Fehlerzahl u.Ä.) des erwachsenen Gehirns. Hieraus ergeben sich Unterschiede in grundlegenden Wahrnehmungsleistungen, die zum Teil auch für Lehr-/Lernsettings von praktischer Relevanz sind. Ein Beispiel hierfür ist die Verarbeitung im Hörsystem. Bis zum Ende des Grundschulalters sind Kinder in lauter Umgebung relativ „schwerhörig“. Sie haben Probleme, gesprochene Sprache zu verstehen, wenn viele Hintergrundgeräusche etwa in einem lauten, hallenden Klassenraum stören (vgl. Klatte, Hellbrück et al. 2010). Um unter schlechten akustischen Bedingungen einem Sprachfluss zu folgen, müssen Richtungshören (basierend auf der Verrechnung der Information von linkem und rechtem Ohr), Aufmerksamkeitsprozesse und Prozesse des Sprachverstehens, die mit den sprachlichen FertigkeitenFertigkeiten verknüpft sind, in geregelter Weise ineinandergreifen. Daher sind besonders Kinder mit Problemen in der selektiven, gerichteten AufmerksamkeitAufmerksamkeit und Kinder, deren Muttersprache nicht die Unterrichtssprache ist, unter schlechten akustischen Bedingungen zusätzlich beeinträchtigt (vgl. Klatte, Bergström & Lachmann 2013). Ähnliche Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern finden sich auch für die Verarbeitung von Detailinformationen in Bildern oder anderen visuellvisuell präsentierten Informationen, insbesondere bei kurzzeitiger Darbietung etwa in Filmen bzw. Videos. Auch können schmückende, scheinbar kindgerechte visuelle Details wie niedliche Tierchen oder knallige Farben Kinder viel stärker von der eigentlichen Aufgabe ablenken, als dies von Erwachsenen vielleicht angenommen wird. Selbstverständlich kann man solche Elemente einsetzen – aber in einem den Prozess unterstützenden Sinn und nicht als ablenkendes Beiwerk nur, weil etwas schön aussieht. Alles spricht dafür, die wichtigen Teile eines Arbeitsblattes wunderbar bunt zu drucken oder eine Figur auf den nächsten Arbeitsschritt hinweisen zu lassen. Nichts spricht dafür, „Dekoelemente“ einfach gleichmäßig über ein Arbeitsblatt zu verteilen. Es lohnt sich, Lehrwerke für Grundschüler einmal daraufhin kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Besonders ablenkend sind auch Bewegungen im Blickfeld, also der zappelnde Nachbar, die wehenden Vorhänge, und selbst Vögel oder Eichhörnchen im Baum vor dem Fenster können jüngere Lerner ablenken. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, den Unterricht kurz zu unterbrechen, die Tiere im Baum zwei Minuten lang zu beobachten, sich dabei über die Beobachtungen auszutauschen und dann zur Arbeit zurückzukehren.

Aber nicht nur die Aufnahme von Sinnesinformationen kann leicht durch allerlei StörreizeStörreize beeinträchtigt werden. Gleiches gilt auch für LernprozesseLernprozesse. Sinneseindrücke, die im Augenblick unnütz sind, aber nicht so leicht abgeschirmt werden können, beanspruchen Hirnkapazitäten, die dann nicht für andere Aufgaben zur Verfügung stehen. So ist das Auswendiglernen beeinträchtigt, wenn im Hintergrund gesprochen wird, selbst dann, wenn nur leise gesprochen wird. Die LernleistungLernleistung von Erwachsenen sinkt bei einer solchen Störung um 11 %, die von Zweitklässlern sogar um 39 % (vgl. Elliott 2002). Diese natürlichen Einschränkungen von Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsprozessen bei Kindern bis zu 10 Jahren gilt es zu berücksichtigen, wenn man die Lernleistungen und -möglichkeiten von Kindern im Grundschulalter richtig einschätzen und durch die Schaffung einer guten Unterrichtsumgebung unterstützen möchte.

Die beschriebenen Unterschiede erscheinen in dem bisher Ausgeführten als Einschränkungen. Vom regulären Schulalltag aus betrachtet, sind sie das wohl auch. Zum einen kann das ein Anlass sein, die Struktur des Schulalltags noch einmal zu überprüfen. Ebenso wichtig allerdings ist anzuerkennen, dass die vermeintlichen Einschränkungen, biologisch gesehen, durchaus eine Funktion haben. Für die natürliche Entwicklung der Wahrnehmungsleistungen ist es wichtig, dass die Sinnessysteme alle Sinneseindrücke aufnehmen und bearbeiten, die häufiger in der Umgebung vorkommen. Hier gibt es drei zugrunde liegende Mechanismen, deren Wirkung so relevant für die Hirnentwicklung ist, dass die relativ geringfügigen Nachteile leicht aufgewogen werden:

1 Jedes flexible System ist leicht von außen beeinflussbar – oben wurde das als störanfällig beschrieben. Zugleich ist es aber absolut notwendig, dass die Hirnstrukturen von Kindern relativ flexibel sind. Nur so haben sie noch die enorme AnpassungsfähigkeitAnpassungsfähigkeit, die es ihnen erlaubt, sehr schnell neue Erfahrungen zu integrieren, in Wissen umzuwandeln und ihre Handlungen daran anzupassen. Ein stabileres Verarbeitungssystem wäre weniger störanfällig, aber auch weit weniger lernfähig, was für einen sich entwickelnden Organismus überhaupt nicht sinnvoll wäre.

2 Was im Leben vorkommt, also zum Leben dazugehört, muss aufgenommen, verarbeitet und in seiner Bedeutung und möglichen Nützlichkeit eingeschätzt werden. Nur so gelangt man zu einer guten Orientierung in der Welt. In vielen Fällen steht am Ende vielleicht die Bedeutungszuweisung „Unwichtig! Einfach ignorieren!“. Bis aber diese Unterscheidung verlässlich gefällt werden kann, bedarf es der Verarbeitung der zunächst noch neuen Sinneseindrücke. Unser Organismus ist darauf ausgerichtet, dass er diese Entscheidung nicht leichtfertig fällt. Es könnte sich als äußerst nachteilig erweisen, wenn man etwas als unwichtig kategorisiert, das zu einem späteren Zeitpunkt nützlich wäre – oder sogar gefährlich.

3 Die an manchen Punkten noch „ungenaue“ Verarbeitung von Sinnesreizen erlaubt es, die seh-, hör-, und tastbaren Objekte in der Umgebung zunächst auf einer übergeordneten, globalen Ebene zu betrachten und sich nicht in den Details zu verlieren. Anschaulich wird dieser Mechanismus, wenn man sich vorstellt, dass man als Erwachsener ein Tier aus weiter Ferne sieht oder auf einem unscharfen Foto. Man kann noch recht gut erkennen, dass es sich um ein Tier handelt. Ob es nun aber ein Fuchs, eine Katze, ein nicht allzu großer Hund oder vielleicht doch etwas anderes ist, lässt sich manchmal nur schlecht feststellen. Hier sieht man sehr schön, dass eine gewisse Ungenauigkeit Gemeinsamkeiten einzelner Objekte hervorhebt. Solche Gemeinsamkeiten wiederum sind die Basis für die Bildung von Kategorien (in unserem Beispiel die Kategorie Tier). Besonders im Spracherwerb, aber auch in vielen anderen Bereichen ist ein solcher Mechanismus sehr nützlich.

 PraxisfensterPraxisfenster

Claudia: Ich möchte gerne das Thema LärmLärm nochmal aufgreifen.1 Ich habe den Eindruck, dass es oft im Zusammenhang mit der Lehrergesundheit betrachtet wurde, was zweifellos wichtig ist. Aber Lärm wirkt sich auch auf die Kinder aus, auf ihr Befinden und den Lernerfolg. Manchmal ist es schon etwas laut im Klassenzimmer, und wenn man, mal abgesehen von möglichem Stresserleben durch Lärm, bedenkt, wie sehr der Unterrichtsertrag auf dem Erfolg der sprachlichen Interaktion beruht, ist das beunruhigend.

Gesa: Kolleginnen und Kollegen aus der Psychologie haben Studien durchgeführt mit Messungen des Lärmpegels, mit dem Ergebnis, dass in einem durchschnittlichen Grundschulklassenzimmer der mittlere Lärmpegel in verschiedenen Phasen, ganz besonders bei Gruppenarbeit, dicht bei dem einer viel befahrenen Autostraße liegt.2

Dianne: Und wir wissen, dass der Lärmpegel für jüngere Kinder ein größeres Problem darstellt als für ältere. Hintergrundgeräusche stören sie mehr und ungünstige Nachhallzeiten im Raum sind besonders abträglich.

Peter: Wenn ich z.B. vorne im Klassenzimmer spreche und der Raum hat eine lange Nachhallzeit, dann überlagern sich meine Sprechsilben, weil Silbe 2 sich sozusagen schon auf den Weg macht, während Silbe 1 noch immer in der Luft hängt, mal ganz einfach gesagt. So habe ich das mit der Nachhallzeit jedenfalls verstanden, als wir vor zwei Jahren einen Sanierungszuschlag erhalten haben und die Klassenräume renovieren durften. Ich konnte mit einer Schüler-AG in einigen gemeinsamen Sitzungen mit dem Architekten zusammenkommen, Ideen entwickeln und einige davon sind auch umgesetzt worden. Ein wichtiges Thema in den Arbeitssitzungen waren physikalische Umwelteinflüsse, besonders Farben, Licht und eben die Nachhallzeit. Wir haben dann tatsächlich ein paar schallabsorbierende Wände und Deckenverkleidungen bekommen.

Claudia: Das sei euch von Herzen gegönnt, aber ich frage trotzdem mal nach: Dianne hat gerade gesagt, dass jüngere Kinder stärker beeinträchtigt werden. Hätten dann nicht zuerst wir an der Grundschule die schallschluckenden Wände bekommen müssen? Wie gesagt, ich denke nur mal quer und frage mich, ob die Investition nicht in einer Grundschule mindestens genauso gut platziert gewesen wäre.

Peter: Ich finde es absolut legitim, diese Frage zu stellen. Was weiß man dazu?

Dianne: Man weiß, dass Jugendliche erst ab ca. 14 Jahren in der Lage sind, Hintergrundgeräusche sowie Nachhall besser zu unterdrücken, um dadurch auch bei weniger günstigen Verhältnissen trotzdem recht gut zu verstehen.

Gesa: Die zur Erbringung des Unterdrückens von StörreizenStörreize und des Herausfilterns und Verarbeitens von Sprachreizen erforderlichen auditiven, sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten kommen erst im Laufe des Jugendalters zur Entfaltung.3 Die Kinder verbringen also die Zeit, in der Hintergrundgeräusche besonders abträglich sein können, sowohl in der Grundschule als auch in der weiterführenden Schule. Abgesehen davon, darf man nicht vergessen, dass Kinder mit ADHSAD(H)S, LRS, Sprachverarbeitungsstörungen, einer Sprachenbiografie, in der das Deutsche erst spät dazukam usw. auch in höheren Klassen noch durch eine ungünstige Raumakustik sehr beeinträchtigt werden können.

Claudia, du hattest darauf hingewiesen, dass im Unterricht viel an der Sprache hängt, und Studien haben gezeigt, dass Hintergrundgeräusche dann besonders störend sind, wenn es darum geht, sprachliche Informationen im ArbeitsgedächtnisArbeitsgedächtnis zu halten.

Dianne: Und das betrifft ganz viele Aufgabenstellungen in unterschiedlichen Fächern, z.B. alle, bei denen es um sinnentnehmendes Lesen geht, also z.B. auch Textaufgaben in der Mathematik oder Zahlenoperationen, die im Kopf versprachlicht werden. Natürlich betrifft es auch das Vokabellernen und das Einprägen von Fakten. Dann scheint RuheRuhe wichtig und z.B. Gruppenarbeit oder Hintergrundmusik eher schlecht platziert zu sein.4 Man sollte aber die Kinder auch nicht ständig um Ruhe bitten und keineswegs generell auf Gruppenarbeit usw. verzichten, sondern vielmehr abwägen, wann Ruhe nötig ist.

Peter: Beispielsweise vor Inputphasen versuche ich, meine Schülerinnen und Schüler zur RuheRuhe kommen zu lassen. Wir haben uns im Kollegium auf einige StilleStille-Techniken verständigt, die wir jeweils für altersangemessen halten. Außerdem erkläre ich meinen Schülerinnen und Schülern im Bedarfsfall kurz, warum ein niedriger Lärmpegel für eine bestimmte Arbeitsphase wichtig, sinnvoll und letztlich in ihrem eigenen Interesse ist. Bei meinen Klassen stieg dadurch die Bereitschaft, Stille-Techniken anzunehmen und auf eine gemäßigte Sprechlautstärke bei der Gruppenarbeit zu achten.

Dianne: In Unterrichtsbesuchen habe ich den Eindruck gewonnen, dass es in Inputphasen nicht schlecht ist, wenn z.B. eher zappelige Kinder nicht ausgerechnet zwischen der oder dem Vortragenden und der Klasse sitzen, sondern wenn sie eher außen platziert sind.

Claudia: Da ist was dran. Bei meinen Grundschulkindern muss ich außerdem bedenken, dass manche das leise Sprechen, wie es z.B. in Partnerarbeit gebraucht wird, noch gar nicht in ihrem Repertoire haben. Manche können nicht einschätzen, wie laut sie sprechen, als hätten sie noch nie geflüstert.

Im Übrigen kann das Einteilen des Klassenzimmers in ein paar Zonen hilfreich sein, z.B. eine, in der leise miteinander gesprochen werden darf und eine, in der die Kinder RuheRuhe suchen und allein dadurch, dass sie sich in die StilleStille-Zone begeben, schon anzeigen, dass sie Ruhe brauchen. Wir haben auch einige Lärmschutzkopfhörer für die Kinder angeschafft, die gerne genutzt werden.

Peter: In einer Fortbildungsveranstaltung hat uns ein Referent einmal einen ziemlich simplen, aber aus meiner Sicht schönen Rat gegeben, wie es besser gelingen kann, von Anfang an etwas mehr RuheRuhe in die Klasse zu bringen: Die Lehrkraft solle, wenn sie die Klasse morgens oder nach der Hofpause ins Zimmer lässt, die Schülerinnen und Schüler nicht hineinstürmen lassen, sondern das Eintreten ins Klassenzimmer als einen kleinen Moment des Ankommens gestalten. Als Lehrkraft stehe ich bei der Türe und zeige, dass ich sie alle wahrnehme, spreche den einen oder anderen kurz an, keine langen Gespräche, sondern z.B. Mia, bist du wieder gesund? Das freut mich aber! Oder Na Ben, Englischbuch noch nicht vermisst? Liegt seit Freitag unter deinem Tisch.

Ich dachte zuerst, dass das eher etwas für die Grundschule wäre, habe es aber ausprobiert und muss sagen: nicht übel. Schon das Reinkommen ins Zimmer ist viel weniger hektisch und deutlich ruhiger. Ich mache das nicht immer, aber in bestimmten Klassen, wie gesagt, in der ersten Stunde, nach der Hofpause und ganz besonders im Nachmittagsunterricht. Dabei achte ich darauf, nicht immer dieselben anzusprechen, sondern meine Aufmerksamkeit mal diesem, mal jenem zu schenken. Es ist, als würde ich dadurch Dampf rausnehmen, diejenigen, die um Aufmerksamkeit buhlen schon ein bisschen einfangen und denjenigen, die sich im Unterricht nicht gerne in den Fokus stellen, kann ich durch Blickkontakt, freundliches Zunicken oder einen kurzen Smalltalk Aufmerksamkeit schenken.

Claudia: Morgens oder nach Zäsuren im Schulalltag kann ich mir das gut vorstellen. Aber was mache ich, wenn’s im Unterricht selbst zu laut wird? Eine Binsenweisheit in diesem Zusammenhang ist die, niemals LärmLärm mit Lärm bekämpfen zu wollen. Dadurch wird es nur noch lauter – es sei denn, es ist ein bemerkenswertes, kurzes Signal. Ich hatte im Referendariat einen Seminarleiter, der hat plötzlich eine alte Hupe aus seiner Schublade geholt und mit dem Tröten-Ton alle überrascht.

Gesa: Das war ein akustischer Novitäten-Effekt, etwas Unerwartetes und in der Schulumgebung eigentlich Abwegiges. Darauf achten wir automatisch, aber wir gewöhnen uns auch daran, wenn es uns wiederholt begegnet.

Dianne: In der Theaterpädagogik gibt es eine Technik, die ganz gut in Klassenzimmern, Seminarräumen oder Hörsälen klappt: Man fängt an zu klatschen und bittet einfach ein paar, sich zu beteiligen. Alle schauen in die Richtung, aus der plötzlich Applaus kommt und man kann alle einladen, sich zu beteiligen. Das ist eine schöne Technik, wenn man Gruppenarbeit beenden und zu einer anderen Phase überleiten möchte.

Claudia: Und natürlich gibt es die Klassiker Handzeichen, z.B. der stille Fuchs, wo man mit ausgestrecktem Zeigefinger und kleinem Finger einen Tierkopf nachahmt, der als stummer Impuls für mehr RuheRuhe sorgen soll, das Runterzählen oder auch den Geduldsfaden, der an die Tafel gezeichnet, dann nach und nach ausgewischt und dadurch verkürzt wird, bis er weg ist. Dann muss es ruhig sein.

Peter: Mit dem stillen Fuchs könnte ich meine Klassen nicht mehr zur RuheRuhe bringen, eher im Gegenteil.

Claudia: Klar, aber meine Lieblings-StilleStille-Technik könnte zumindest deinen Fünft- und vielleicht auch den Sechstklässlern noch gefallen: Zu Beginn des Monats erklären wir ein beliebiges Wort zum Stille-WortStille-Wort des Monats und notieren es für alle sichtbar. Das Stille-Wort ist eine Art Codewort, das nicht nur die Lehrkraft verwenden darf, sondern auch die Kinder. Wann immer jemand auf die Wortkarte zeigt bzw. wann immer es ausgesprochen oder angeschrieben wird, empfindet es jemand als zu laut. Wie bei allem, muss man natürlich auch hier darauf hinwirken, dass es nicht inflationär gebraucht wird, sondern, wie ein Hilferuf, nur im Notfall.

Wir wechseln ab zwischen englischen und deutschen Wörtern, z.B. hatten wir kürzlich Funkstille ausgesucht, davor war es Hängebauchschwein – hat nichts mit StilleStille zu tun, muss es auch nicht. Ist ja schließlich unser geheimer Code. Auf Englisch waren es schon lullaby und bumblebee. Es können auch Wörter aus den Familiensprachen der Kinder sein. Ich google dann kurz die anderssprachigen Vorschläge, um sicherzugehen, dass wir kein „schlimmes“ Wort verwenden.

Peter: Hat Potenzial, gerade die Möglichkeit, auch Wörter aus anderen Sprachen zum StilleStille-WortStille-Wort des Monats zu erklären, gefällt mir. Das ist zugleich eine kleine Geste, um Herkunftssprachen zu würdigen. Auch der Überraschungseffekt, wenn das Stille-Wort einfach in den sonstigen Redefluss eingebaut wird, ist sicher netter als der mahnend erhobene Zeigefinger.

Ich stelle mir gerade vor, wie ich einen Text an die Tafel schreibe, den die Klasse abschreiben soll. Dann wird es, was ja manchmal vorkommt, wenn man sich als Lehrer auf die Tafel konzentriert, hinter mir laut, aber ich interveniere nicht verbal, sondern schreibe einfach mitten in den Satz hinein das StilleStille-WortStille-Wort, sagen wir Hängebauchschwein. Jede Wette, dass die Hälfte es schon abgeschrieben, hat, bevor sie merken, dass Hängebauschwein gar nicht in den Kontext passt, sondern eine subtile Botschaft ist und zugleich ein Beleg dafür, dass die Konzentration nicht ausreichend hoch ist. Ich denke, das kann man mit der richtigen Mischung aus Ernst und Humor dann dazu nutzen, dass die Klasse sich daran erinnert, dass bei Aufgaben, bei denen Sprache im ArbeitsgedächtnisArbeitsgedächtnis gehalten werden muss, also z.B. beim Abschreiben, weniger LärmLärm mehr bringt.

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