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2. Form, sog. „VA-Befugnis“

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Bedient sich die Verwaltung im konkreten Fall der Handlungsform des Verwaltungsakts (Rn. 39 ff.), so muss die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nach wohl h.M.[11] nicht nur den Inhalt der mit dem Verwaltungsakt getroffenen Regelung abdecken (Rn. 125), sondern darüber hinaus auch speziell zum Handeln der Verwaltung gerade in der Form des Verwaltungsakts (VA) berechtigen.[12] Das Erfordernis dieser VA-Befugnis resultiert ebenfalls aus dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes (Rn. 9 ff.). Denn unabhängig vom Inhalt stellt allein schon die Handlungsform „Verwaltungsakt“ für den Bürger eine Belastung dar, die der gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Die Belastung folgt jedenfalls daraus, dass zur Verhinderung des Eintritts der Bestandskraft (Rn. 296) – und damit der verbindlichen Festlegung der Rechtslage – des regelmäßig rechtswidrigkeitsunabhängig wirksamen Verwaltungsakts (vgl. § 43 VwVfG) gegen diesen fristwahrend ein Rechtsbehelf eingelegt werden muss, vgl. §§ 70 Abs. 1, 74 Abs. 1 VwGO.

JURIQ-Klausurtipp

Schließen Sie sich in der Klausur der vorstehenden Auffassung an, so hat dies für die Fallprüfung folgende Konsequenz: „Erlässt die Behörde einen Verwaltungsakt, obwohl sie keine gesetzliche VA-Befugnis hat, ist der Verwaltungsakt schon allein deshalb rechtswidrig […]. Auf die Frage, ob der Verwaltungsakt inhaltlich rechtswidrig ist, kommt es dann gar nicht mehr an.“[13] Abhängig von der jeweiligen Aufgabenstellung kann Letzteres jedoch ggf. hilfsgutachterlich zu prüfen sein.

Allerdings: Auf die Frage nach der behördlichen VA-Befugnis ist in der Klausur überhaupt nur dann einzugehen, wenn der Sachverhalt dafür einen Anhaltspunkt bietet.[14]

Nach der Gegenmeinung[15] ist eine spezifische Ermächtigung zum Handeln gerade durch Verwaltungsakt als der typischen Handlungsform der Verwaltung gegenüber dem Bürger dagegen nicht erforderlich. Vielmehr ergebe sich die VA-Befugnis bereits aus dem allgemeinen Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger, aus der Ermächtigung zur Tätigkeit aufgrund öffentlichen Rechts bzw. aus Gewohnheitsrecht.

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Letztlich dürfen die Unterschiede zwischen diesen beiden Auffassungen (Rn. 126) allerdings nicht überbewertet werden, verfährt doch auch die h.M.[16] hinsichtlich der Frage, ob der jeweiligen Norm eine VA-Befugnis entnommen werden kann, recht großzügig. So müsse diese Befugnis nicht ausdrücklich in der gesetzlichen Grundlage erwähnt sein; vielmehr genüge es, wenn sich die VA-Befugnis dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt. So enthalten beispielsweise reine Ge- bzw. Verbotsnormen ohne eigene Vollzugsregelung selbst zwar keine VA-Befugnis (anders dagegen z.B. § 26 Abs. 1 S. 1 GentG und § 3 Abs. 1 VereinsG, die ausdrücklich zum Erlass einer „Anordnung“ bzw. „Verfügung“ ermächtigen). Doch kann die Verwaltung auf Verstöße gegen diese leges imperfectae[17] auf Grundlage der ordnungs- bzw. polizeirechtlichen Generalklausel (§ 14 Abs. 1 OBG NRW, § 8 Abs. 1 PolG NRW; vgl. ferner § 3 PolG BW, Art. 11 Abs. 1 bay. PAG) gleichwohl mittels eines Verwaltungsakts reagieren (unselbstständige Verfügungen). Die Ge- bzw. Verbotsnormen gehören zur objektiven Rechtsordnung und sind damit Schutzgüter i.S.d. ordnungs- bzw. polizeirechtlichen Generalklausel.[18] Umgekehrt wird auch von Vertretern der vorstehend erwähnten Gegenmeinung eine VA-Befugnis insoweit verneint, als es um die Durchsetzung von Ansprüchen der Verwaltung aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag geht (Rn. 94); Entsprechendes gilt für privatrechtliche Ansprüche der Verwaltung.[19] Denn wenn die Verwaltung mit dem Bürger einmal eine einvernehmliche Regelung getroffen, d.h. sich auf die Ebene der Gleichordnung mit diesem begeben hat, so gilt dies konsequenterweise auch hinsichtlich der Durchsetzung von Ansprüchen aus derartigen Beziehungen. Ebenso wie der Bürger ist daher auch die Verwaltung gehalten, im Streitfall ihre vertraglichen Rechte gerichtlich – und gerade nicht einseitig durch einen von ihr selbst geschaffenen Verwaltungsakt als Vollstreckungstitel (Rn. 39) – geltend zu machen. Dass von der Verwaltung gewährte Leistungen (z.B. Subventionen), die ihren Rechtsgrund ursprünglich in einem Verwaltungsakt hatten, der später aber mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist, ebenfalls durch Verwaltungsakt zurückgefordert werden können (Kehrseitentheorie), ist in § 49a Abs. 1 S. 2 VwVfG ausdrücklich normiert (hierzu siehe Übungsfall Nr. 4).

Beispiel[20]

Die Geschäfte des Einzelhändlers E florieren, so dass er sich entschließt, zusätzliche Verkaufsräume im Innenstadtbereich zu schaffen. Zu diesem Zweck plant E die Errichtung eines fünfstöckigen Kaufhauses auf einem Grundstück, welches unmittelbar an die städtische Fußgängerzone angrenzt. Aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse im Innenstadtbereich ist E jedoch nicht in der Lage, die erforderlichen Kfz-Stellplätze zu schaffen. Zusammen mit dem Bauantrag für das Kaufhaus beantragt E daher zugleich einen Dispens vom Stellplatzerfordernis. Nach eingehenden Verhandlungen einigen sich E und die zuständige Behörde B in einem Verwaltungsvertrag darauf, dass E 25 000 € für den Ausbau des Innenstadtparkplatzes zahlt und B im Gegenzug den benötigten Dispens erteilt. Kurz nach Vertragsschluss muss E jedoch feststellen, dass ihm die Kosten seiner Geschäftsexpansion „über den Kopf gewachsen“ sind und er die 25 000 € daher nicht zahlen kann. Daraufhin erlässt B einen „Bescheid“ gegenüber E, mit dem sie von E die Zahlung der 25 000 € verlangt. Zu Recht?

Nein, denn mit dem einvernehmlichen Abschluss des Verwaltungsvertrags hat sich B mit E auf die Ebene der Gleichordnung begeben, so dass B sich zur Durchsetzung ihrer vertraglichen Ansprüche derselben Mittel bedienen muss, wie sie auch dem E zur Verfügung stehen (würde B den Dispens nicht erteilen, müsste E Klage gegen B erheben). B ist daher gehalten, gerichtlich gegen E vorzugehen. Hierzu steht es in Widerspruch, wenn B Rechte aus dem Verwaltungsvertrag mittels (einseitigen) Verwaltungsakts durchsetzen will. Dieser ist mangels VA-Befugnis rechtswidrig.

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Relevant wird der Streit um das Erfordernis einer VA-Befugnis damit vorwiegend in den Bereichen, in denen die Verwaltung ihre gesetzlichen Leistungsansprüche durch Verwaltungsakt feststellen und ggf. vollstrecken will. Anders als bei Ansprüchen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen geht es in diesem Zusammenhang weder um Rechtsverhältnisse auf Ebene der Gleichordnung noch um die Realisierung bereits konkretisierter Ansprüche. Typische Fälle sind insoweit vielmehr beispielsweise der Anspruch auf Rückerstattung von zu viel gezahlten Dienstbezügen oder der Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Dienstpflichtverletzung. Die Rechtsprechung[21] „gestattet“[22] der Verwaltung hier die Geltendmachung ihrer Ansprüche in Form des Verwaltungsakts auch ohne entsprechende gesetzliche VA-Befugnis. Denn im Rahmen des beamtenrechtlichen Über-/Unterordnungsverhältnisses, welches durchweg mittels Verwaltungsakt geregelt werde, sei die Behörde auch ohne besondere gesetzliche Grundlage kraft Gewohnheitsrechts zur Durchsetzung ihrer Ansprüche durch Verwaltungsakt befugt. Dies lehnt die h.L. (Rn. 126) unter Hinweis auf den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes dagegen ab. Hiernach bleibt dem Dienstherrn nur die Möglichkeit, nach erfolgloser Zahlungsaufforderung – einem Realakt – gegen den Beamten vor dem Verwaltungsgericht im Wege der Leistungsklage vorzugehen.

Beispiel[23]

Der T GmbH wurde die Genehmigung zur Durchführung von Krankentransporten mit Krankenkraftwagen für den Rettungsdienstbereich R erteilt. In der Nebenbestimmung zu dieser Genehmigung heißt es, dass alle Einsätze des Rettungsdienstes in R nur durchgeführt werden dürfen, wenn sie durch die örtliche Rettungsleitstelle vermittelt werden. Rettungsleitstelle für den Bereich R ist der KRD e.V., der diese Tätigkeit als Beliehener wahrnimmt. Im März 2017 vermittelte der KRD e.V. an die T GmbH 273 Krankentransporte. Daraufhin verpflichtet der KRD e.V. die T GmbH mit Bescheid vom 23.5.2018, als Entgelt für diese Vermittlung 2730 € zu zahlen. Zur Begründung beruft sich der KRD e.V. auf § 6 Abs. 3 S. 1 RDG BW, wonach die Rettungsleitstelle für die Vermittlung von Einsätzen in der Notfallrettung und im Krankentransport „Entgelte“ bei den Leistungserbringern im Rettungsdienst „erhebt“. Ist der gegen den Bescheid erhobene Widerspruch der T GmbH begründet, wenn dem KRD e.V. im Beleihungsakt nicht ausdrücklich die Kompetenz zur Geltendmachung des Entgelts nach § 6 Abs. 3 S. 1 RDG BW durch Verwaltungsakt zugewiesen worden ist?

Ja. Der Widerspruch ist begründet, da der Leistungsbescheid rechtswidrig und die T GmbH dadurch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist, § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO. Dabei kann dahinstehen, ob dem KRD e.V. das in dem Bescheid geltend gemachte Leitstellenentgelt auf Grundlage des § 6 Abs. 3 S. 1 RDG BW der Sache nach zusteht. Denn der KRD e.V. darf das Leitstellenentgelt jedenfalls nicht durch einen Verwaltungsakt geltend machen. Im Hinblick auf den im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen Grundsatz des Gesetzesvorbehalts setzt der Erlass eines Verwaltungsakts nicht nur voraus, dass für die getroffene Regelung in materiell-rechtlicher Hinsicht eine gesetzliche Grundlage besteht, sondern auch, dass die Behörde in der Form eines Verwaltungsakts handeln darf. Die Geltendmachung einer Forderung durch Verwaltungsakt bedarf daher allein mit Blick auf diese Handlungsform, die durch behördliche Titelverschaffung, Vollstreckungsbefugnis und die mögliche Bestandskraft gekennzeichnet ist, regelmäßig einer Rechtsgrundlage. Zwar ist teilweise anerkannt, dass für den Erlass eines Leistungsbescheids nicht ausnahmslos eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist. Insbesondere wird es als zulässig angesehen, dass ein Forderungsrecht der öffentlichen Hand durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden kann, wenn der Hoheitsträger dem in Anspruch zu Nehmenden im Verhältnis hoheitlicher Überordnung gegenübersteht und noch hinzukommt, dass ein solches Über-/Unterordnungsverhältnis (Subordinationsverhältnis) gerade auch in Bezug auf den Anspruch besteht, der durch den Verwaltungsakt geregelt werden soll. Für einen Beliehenen gelten diese Grundsätze indes nicht. Denn die Reichweite einer Beleihung lässt sich nur anhand ausdrücklicher oder enumerativer gesetzlicher Kompetenzzuweisungen ermitteln, wobei die bloße Übertragung von hoheitlichen Befugnissen auf den privaten Rechtsträger nicht zugleich auch die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts beinhaltet. Wird der Beliehene in dem Beleihungsakt für ihm zustehende öffentlich-rechtliche Zahlungsansprüche hinsichtlich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht ausdrücklich zum Handeln durch Verwaltungsakt ermächtigt, ist er nicht befugt, diese Ansprüche durch einen Leistungsbescheid festzusetzen, sondern muss sie ggf. durch eine allgemeine Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten geltend machen. Eine solche ausdrückliche Ermächtigung der mit hoheitlichen Befugnissen beliehenen Rettungsleitstelle zum Erlass eines Verwaltungsakts zur Geltendmachung des Leitstellenentgelts enthält der konkrete Beleihungsakt jedoch nicht. Abweichendes ergibt sich hier auch nicht daraus, dass die Rettungsleitstelle nach § 6 Abs. 3 S. 1 RDG BW das Entgelt „erhebt“. Diese Formulierung rechtfertigt nicht den Schluss, das Gesetz gewähre ihr damit die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts. Denn der Begriff „erheben“ umfasst – ebenso wie der Begriff „einziehen“ – auch das Einfordern von Zahlungsansprüchen auf andere Art und Weise als durch den Erlass eines Verwaltungsakts. Aus dem Begriff „Entgelt“ lässt sich bereits nicht eindeutig die Zuordnung zu einem öffentlich-rechtlichen Charakter der Anforderung des Leitstellenentgelts entnehmen.

4. Teil Rechtmäßigkeit des VerwaltungsaktsA. Ermächtigungsgrundlage › II. Wirksamkeit

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