Читать книгу DISRUPT-HER - Miki Agrawal - Страница 23

ES IST WICHTIG, RÄUME ZU FINDEN, IN DENEN WIR ALS ERWACHSENER IN EINEM ZUSTAND KINDLICHEN STAUNENS LEBEN KÖNNEN

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„Komm schon, Andrew, beeil dich.“

Mit dem Fahrrad war ich auf dem Gelände des Burning-Man-Festivals 2017 unterwegs, um voller Begeisterung die Kunst zu bestaunen, die dort in der Wüste von Nevada ausgestellt wurde, und die Kreativität meiner Mitmenschen aufzusaugen. Kein Kunstwerk trug den Namen des Künstlers oder ein Logo, weil eine der Burning-Man-Regeln die Dekommerzialisierung ist. Es geht nicht ums Ego oder einen Wiedererkennungswert, sondern darum, Kunst zu zeigen – der Kunst und der radikalen Selbstentfaltung zuliebe. Es gab eine riesige Puppe, so hoch wie ein fünfstöckiges Haus, die sich wie eine Marionette bewegte, es gab Kunstautos in jeder denkbaren Form, ein Discoraumschiff, ein massives Einhorn und einen wunderschönen lebensechten Baum, dessen Blätter tagsüber grün waren und nachts in den Farben des Regenbogens leuchteten. Auf dem ganzen Gelände hatte man Kunstwerke verteilt – große, kleine, sehr komplexe und ganz einfache.

Während dieses Abenteuers mitten in der Wüste stießen wir zufällig auf ein besonderes Objekt: eine einsame Waschmaschine, auf der eine mechanische Katze saß, die dank einer mechanischen Vorrichtung aussah, als würde sie atmen.


Ich war so begeistert von dieser witzigen Installation, dass ich mich auf die Waschmaschine setzte, um das Kunstwerk unmittelbar für mich zu erfahren.

Plötzlich tauchte ein Fremder auf seinem Fahrrad auf, der zwei Freunde im Schlepptau hatte.

„Hast du Probleme mit deiner Wäsche?“, fragte er und redete, ohne meine Antwort abzuwarten, weiter. „Ich habe es nämlich schon öfter ausprobiert, doch die Klamotten waren immer noch richtig nass, deshalb habe ich sie einfach hiergelassen.“ Er zog einen Kaugummi aus der Hosentasche, wickelte ihn aus und stopfte ihn in das Waschpulverfach der Maschine. „Mal sehen, ob das klappt, ein Typ da drüben hat mir den Tipp gegeben. Hat bei ihm wohl funktioniert.“

Er quasselte einfach weiter, als ob wir uns wirklich unterhalten würden, dabei dachte er sich das alles aus. Mir war klar, dass dieser Typ in der echten Welt als absolut durchgeknallt rüberkommen musste, aber an diesem besonderen Ort akzeptierte man seine Spinnereien und betrachtete sie als neuen Impuls.

Ich habe mich jedenfalls über diese Erfahrung gefreut, da ich in diesem Moment verstand, wie wichtig KONTEXTE in dieser Welt sind. Als Kinder, auf Theaterbühnen oder eben an Orten wie dem Burning-Man-Festival dürfen wir ein bisschen verrückt sein, weil die Gesellschaft es in diesem Kontext als akzeptabel ansieht. Als Erwachsene dagegen, im Kontext der wirklichen Welt, sollen wir uns anders, d. h. den gesellschaftlichen Regeln entsprechend, benehmen. Der Kontext bestimmt also die Art und Weise unseres Verhaltens.

Stell dir vor, dass wir uns in der realen Welt über solche Vorstellungen freuen könnten, ohne zu denken, dass der Typ nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.

Stell dir vor, dass wir andere nicht so streng beurteilen würden, wie wir es gewöhnlich tun, weil wir zu sehr in den Vorstellungen verstrickt sind, wie die Dinge in der Welt angeblich sein sollen.

Stell dir vor, dass wir aufhören würden, andere überhaupt zu verurteilen – vielleicht würden wir dann ebenfalls aufhören, uns selbst zu verurteilen, und uns erlauben, genau die zu werden, die wir sind und die wir der Welt im Grunde zeigen wollen.

Wir alle sind schließlich Persönlichkeiten, die sich im Wandel oder, anders ausgedrückt, im Fluss befinden, doch die Gesellschaft hat es uns schwer gemacht, uns in den verschiedenen Kontexten so zu zeigen, wie wir erscheinen wollen. Die gesellschaftlichen Regeln nämlich sind reine Trugbilder. Sie existieren nicht wirklich, sind vielmehr reine Konstrukte, an die wir entschieden haben zu glauben.

Jedes Jahr gehe ich auf das Burning-Man-Festival, um meine kreativen Tanks mit Inspirationen zu füllen und mein Denken über soziale Zusammenhänge wieder auf null zu stellen. Spielerisch und ein bisschen verrückt zu sein ist für den kreativen Prozess in allen professionellen und privaten Bereichen eine absolute Notwendigkeit, und ich persönlich bin am kreativsten und lebendigsten, wenn es keine Grenzen gibt – oder allein solche, die auf Liebe basieren und mich als Erwachsene nicht einschränken.

DISRUPT-HER

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