Читать книгу Ich nannte ihn Krawatte - Milena Michiko Flasar - Страница 27
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ОглавлениеUnd du? Was treibt dich her? Ich zuckte mit den Schultern. Keine Ahnung? Hm, du bist ja noch jung. Achtzehn? Ich fror ein. Neunzehn? Zwanzig? Unglaublich, so jung. Alles vor sich zu haben. Nichts hinter sich. Er seufzte. Unglaublich, selbst einmal so jung gewesen zu sein. Dabei. Was heißt das schon? Ich meine, es gibt für jeden nur ein Alter. Ich war und bin, werde immer achtundfünfzig sein. Du aber. Pass auf, welches Alter du dir aussuchst. Es klebt an einem. Es klebt einen zu. Das Alter, das du dir aussuchst, ist wie Klebstoff, der sich um dich herum verhärtet. Diese Weisheit stammt allerdings nicht von mir. Ich habe sie aus einem Buch. Einem Film. Ich weiß es nicht mehr. Man merkt sich Sachen. Unglaublich. Man merkt sich ein Leben lang Sachen.
Während er in der Zeitung las, dachte ich darüber nach, was er gesagt hatte. Doch je mehr ich darüber nachdachte, entglitt mir das Was und stattdessen war es das Wie, das mich gefangen nahm. Der verbrauchte Tonfall, mit dem er den Wörtern einen herben Geschmack beigegeben hatte. Ob jung oder unglaublich, beides hatte so, wie er es gesagt hatte, eine würzig schwere Note bekommen und beides war so, wie ich es gehört hatte, ein und dasselbe Wort gewesen. So spricht man, dachte ich, wenn man sehr lange geschwiegen hat. Alle Wörter sind einem dann gleich und man kann kaum verstehen, was das eine vom anderen trennt. Ob Klebstoff oder Leben, es machte keinen allzu großen Unterschied.