Читать книгу Ich nannte ihn Krawatte - Milena Michiko Flasar - Страница 31

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Ein herrlicher Tag, was? Wenn der Himmel so blau ist, würde man am liebsten ans Meer hinausfahren. Schade eigentlich. Er sah kopfschüttelnd an sich herunter. Da habe ich frei und bin es doch nicht. Aber morgen ist auch noch ein Tag. Er setzte sich. Seufzte. Taguchi Hiro also. Ich dachte ja schon, du seist stumm und irgendwie, ich gebe es zu, wäre mir das sogar recht gewesen. Natürlich nicht wirklich, wenn du verstehst. Er kratzte sich am Kinn. Vor dem Grün der Bäume hinter ihm warf eine Läuferin die Arme in die Luft. Sie trabte weiter, rotes Stirnband. Von der Straße kam leises Gehupe. Das Geräusch von Autos, an- und abschwellend. Es verfing sich in den Büschen ringsherum, blieb außerhalb des innersten Kreises, der uns umschloss.

Er fuhr unvermittelt fort. Irgendwie wäre es mir recht, wenn Kyōko wüsste, dass ich hierher komme. Sie tröstet mich, die Vorstellung, sie wüsste, instinktiv, aus ihrem Bauch heraus, wäre, weil sie es wüsste, meine Komplizin, machte mir zuliebe mit. Erbärmlich, nicht wahr? Die Vorstellung, sie würde aus freien Stücken mitmachen. Heute früh, als sie mir die Krawatte band, sagte sie, und sie sagte es ernst: Wenn man nur verrückt genug wäre, alles anders zu machen. Einmal auszubrechen, sagte sie und holte kurz Luft. Das wäre der Moment gewesen, ihr zu gestehen, dass ich längst draußen bin. Aber da hatte sie die Krawatte schon fertiggebunden und was blieb, war alleine die Scham. Ich schäme mich meiner Scham. Wie viel Kraft ich dafür aufwende, sie vor mir selbst und Kyōko zu verbergen. Denn es ist doch so: Ich habe nicht nur meine Arbeit verloren. Der Verlust, der am schwersten wiegt, ist der der Selbstachtung. Mit ihm fängt aller Niedergang erst an. Wenn man am Ende eines überfüllten Bahnsteigs steht, die Lichter des herannahenden Zuges sieht und sich dabei ertappt, den einen Augenblick zu berechnen, in dem ein Sprung auf die Gleise den sicheren Tod bedeuten würde. Man tritt einen Schritt nach vorn. Man spürt jetzt! jetzt! jetzt! und dann: Nichts! So ein dunkles Nichts! Nicht einmal dafür taugt man noch. Der Zug fährt ein. Er ist voller Menschen. Man spiegelt sich in den Fenstern, die an einem vorübergleiten, und erkennt sein eigenes Gesicht nicht mehr.

Ich nannte ihn Krawatte

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