Читать книгу The Vampire Cats - Mimi Tiger - Страница 13
Оглавление6. KAPITEL
„WOW!! WIE GROß ist denn bitte dieser Wald?!“, platzt es aus Felix heraus, als sie die gegenüber liegende Seite des Felsens erreichen und er den gesamten Wald auf einen Blick sehen kann. „Das sieht umwerfend aus!“
„So habe ich auch reagiert, als ich das erste Mal hier oben stand und den Wald vollständig zu Gesicht bekommen habe“, bestätigt Nachtpfote seine Bewunderung. „Ich habe mir gefühlt die Augen aus dem Kopf geguckt und ehrlich zugegeben, es fasziniert mich noch immer…“
Der junge Kater sieht sie an und lächelt sie warmherzig an. Er freut sich, dass sie nach nur so kurzer Zeit bereits so gut miteinander auskommen. Auch hier setzen sich die beiden Katzen wieder nebeneinander, um die wunderschöne Aussicht genießen zu können. Durch die frühe Zeit am Morgen wirkt der Wald von hier oben noch atemraubender als von unten, obwohl es schon vollständig hell geworden ist.
„Ich bin gespannt, was du mir alles über euer Territorium erzählen wirst!“, miaut Felix begeistert. „Ich kann immer noch nicht ganz glauben, wie groß das alles ist. Und das gehört wirklich nur euch?“
„Nur bis zum Fluss, der den Laubwald vom Nadelwald trennt“, beantwortet die nachtschwarze Kätzin seine Frage. „Alles dahinter gehört nicht mehr zu unserem Jagdgebiet.“
„Nur bis zum Fluss…? Ich dachte, ihr wärt die einzigen Katzen, die hier leben…“, wundert sich der junge Kater.
„Oh nein!“, erwidert Nachtpfote widersprechend. „Auf der anderen Seite des Flusses, wo hauptsächlich nur dichte Nadelbäume wachsen, befindet sich das Territorium unserer Feinde. Deshalb müssen wir regelmäßig unsere Grenzen kontrollieren. Es kommt nicht gerade selten vor, dass sich die Schattenkatzen nicht nur in ihrem Gebiet aufhalten. Vor allem in letzter Zeit finden wir immer öfter ihre ätzenden und müffelnden Geruchsspuren auf unserem Territorium, genau wie ihre dreckigen Pfotenabdrücke!“
Die nachtschwarze Kätzin erscheint sichtlich aufgebracht und ihre Stimme ähnelt nun vielmehr einem wütenden Fauchen.
„Sie nähern sich unserem Lager immer weiter. Es ist, als würde es sie überhaupt nicht kümmern, dass sie in unser Territorium eindringen und dass sie hier absolut nichts verloren haben! Diese Aasfresser sollen damit endlich aufhören! Das ist unser Gebiet! Reißzahn lässt sich das bestimmt nicht mehr lange gefallen. Es muss nicht ausgesprochen werden, dass sie uns absichtlich provozieren wollen! Das…“
„Entschuldige, dass ich dich einfach unterbreche…“, mischt sich Felix vorsichtig ein, „aber sagtest du gerade „Schattenkatzen“…? Was meinst du damit?“
„Ich werde es dir erklären“, erwidert Nachtpfote bedeutend entspannter. „Wir sind die Lichtkatzen und…“
„Lichtkatzen…?“ Dem jungen Kater klappt das Kinn runter.
„Bitte lass es mich dir erklären“, antwortet Nachtpfote geduldig und Felix verstummt wieder, um ihr zuzuhören, während die beiden ihre Blicke auf dem Nadelwald ruhen lassen. „Also, wir sind die Lichtkatzen und unsere Feinde sind die Schattenkatzen. Vor hunderten von tausend Monden, ganz am Anfang, waren wir einst ein gemeinsamer Clan und lebten entspannt und friedlich zusammen. Alles verlief gut und ohne große Konflikte. Bis zu dem Tag, als ein neuer, stellvertretender Anführer ernannt werden musste, um die Pflichten des Anführers zu unterstützen und ihm eine zweite Meinung bei schwierigen Entscheidungen zu geben. Dieser stellvertretende Anführer war wortwörtlich die Definition von böse und sadistisch, was zu diesem Zeitpunkt allerdings niemand auch nur hätte erahnen können. Er fühlte sich erniedrigt, nicht selbst das Sagen zu haben und nur eine Vertretung des Anführers zu sein. Der Name dieses Katers, er hieß Blutauge…“
„Der Name klingt ja alles andere als ungefährlich…“, meint Felix und es läuft ihm eisig die Wirbelsäule herunter.
„Glaub mir! Damit hast du es auf den Punkt genau getroffen. Dieser Name hat mehr als nur gepasst. Jedenfalls wollte Blutauge den damaligen Anführer Sternenglanz kaltblütig ermorden, als alle anderen Katzen schliefen. Zum Glück ist Sternenglanz zufällig aufgewacht und konnte die düstere und unheilbringende Aura seines einstigen Freundes rechtzeitig wahrnehmen. Blutauge wollte sich dagegen gar nicht erst rechtfertigen und griff seinen eigenen Anführer hemmungslos an, um ihn bei lebendigem Leib zu häuten. Fauchend kämpften die beiden Kater erst innerhalb und anschließend außerhalb der Schlafhöhle des Anführers. Blutüberströmt zog sich der Kampf in die Länge, weil keiner der Kater aufgeben wollte. Blutauge wollte die Macht an sich reißen und Sternenglanz kämpfte erbittert um sein Leben. Auch auf der Lichtung tobte der Kampf und wollte kein Ende nehmen. Schließlich wurden die beiden voneinander getrennt, aber das war nur mit Hilfe vieler Krieger möglich. Doch damit war es noch nicht vorbei. Blutauge hatte sich bereits im Voraus eine große Gruppe an Anhängern und Verehren zusammengestellt, die auf seiner Seite standen, seine Entscheidung, Sternenglanz abzuschlachten für richtig hielten, und ihn unterstützen würden, sollte er dies nicht schaffen.
Damals lebten wir noch auf der Insel inmitten des riesigen Sees, den du von hier aus sehen kannst. Sternenglanz und Blutauge standen sich mit ihren jeweiligen Kriegern direkt in der Mitte der Insel gegenüber. Gleichzeitig verdunkelte sich eine Seite des Vollmondes, der am Himmel schien, sodass es so aussah, als wäre er gespalten geworden. Das tauchte die Insel in eine Licht- und eine Schattenseite. Aus dem Nichts schlug ein Blitz aus dem Himmel, der die Insel zwischen den Pfoten der Anführer hindurch spaltete. Blutauge befand sich auf der Schattenseite, Sternenglanz auf der Lichtseite.
Weil keine der Katzen mehr auf der Insel leben wollte, zogen sie in die jeweiligen Wälder, in denen jetzt unsere Lager liegen. Noch immer trennt ein schmaler Spalt die Insel und grenzt sie auf das entsprechende Territorium ein. Deshalb gibt es uns Licht- und Schattenkatzen.“
„Eine Wahnsinnsgeschichte!!“, miaut der junge Kater und korrigiert sich schnell. „Ich meine natürlich Ereignis!“
Die nachtschwarze Kätzin muss leise schmunzeln, bevor sie noch hinzufügt: „Bei Vollmond, wenn du hier auf diesem riesigen Felsen stehst, kannst du die verschiedenen Gebiete des Waldes besonders gut unterscheiden.“
„Vielleicht kannst du es mir ja eines Tages zeigen…?“, fragt Felix und verinnerlicht die frischen Informationen, damit er sie auf keinen Fall vergisst.
„Irgendwann bestimmt“, meint Nachtpfote und die beiden sehen im gleichen Moment lächelnd zueinander, bevor sich ihre Blicke wieder auf die Territorien richten. Die nachtschwarze Kätzin sieht nach einer Weile wieder auf die Insel, wo der Ursprung der Schatten- und Lichtkatzen liegt. „Es ist schon so lange her, dass dieses Ereignis von Generation zu Generation weitererzählt wird, damit es nicht in Vergessenheit gerät. Dabei hätte das alles niemals geschehen müssen. Doch manche Katzen sind viel zu gierig, und wollen alles haben. Ihnen ist es egal, wer dafür leiden oder sterben muss. Sie werden alles tun, um ihr Ziel zu erreichen und nichts kann sie stoppen.“
„Leider hast du damit Recht. Darin besteht kein Zweifel.“
„In diesem Punkt bin ich erleichtert, dass Blutauge seit einer ewigen Zeit tot ist. Niemand kann diesen Psychopathen gebrauchen.“
„Da stimme ich dir voll und ganz zu“, erwidert der junge Kater nickend. „Hat der See eigentlich eine Bedeutung für euch?“
„Nicht wirklich, nein. Allerdings sind seit der entscheidenden Schlacht, die von uns Lichtkatzen übrigens nur Reißzahn, als er noch ein Junges war, miterlebt hat, der Boden, das Wasser, der Wind, alles ist spürbar kühler geworden. Und dort…“, die nachtschwarze Kätzin zeigt mit ihrem Kopf in Richtung eines Wasserfalls, der in den See stürzt, „dort üben und trainieren wir größtenteils Kampftechniken. Direkt in der Nähe des Wasserfalls befindet sich ein kleiner Trainingsplatz. In der entgegengesetzten Richtung kannst du zwei große Wiesenhügel sehen. Dort üben wir verschiedene Jagdtechniken und -übungen, weil man sich dort nicht verstecken kann. Du musst also genau darauf achten, dass du dich gegen den Wind an deine Beute heranschleichst. Außerdem sollte man auch darauf achten, dass…“
Auf einmal dringt ein extrem lautes Knacken in die Ohren der beiden Katzen ein. Es klingt so, als würde jemand Knochen zerschlagen. Sowohl Felix als auch Nachtpfote zucken heftig zusammen.
„Was bitte war das?!“, ruft der junge Kater entsetzt, während sich seine Nackenhaare ruckartig aufstellen.
„Ich schwöre dir, ich habe nicht die geringste Ahnung!“, knurrt Nachtpfote mit gesträubtem Schwanz und versucht, ganz schnell ein anderes Thema zu finden. „Wir Lichtkatzen leben in einem Laubwald. Unsere Feinde bevorzugen dagegen den Nadelwald. Ganz ehrlich, mir wäre das viel zu pieksig unter meinen Pfoten!“
„Mir auch!“, bekräftigt Felix ihre Aussage. „Wie können sie das nur aushalten? Laub ist doch viel angenehmer… Als ich noch ganz klein war, bin ich mit Mama und meiner Schwester mal durch einen Nadelwald gelaufen. Das war sogar noch bevor wir überhaupt bei den Menschen gelandet sind. Mama wollte uns dessen Atmosphäre zeigen. Jedoch musste wir schnell umkehren, als plötzlich…“
Der junge Kater verstummt, als ein weiteres Knacken die Luft durchschneidet. Dieses Mal erklingt es jedoch um einiges lauter als das vorherige. Noch eins folgt auf das letzte, und es kommt aus dem Territorium der Schattenkatzen… Alle Vögel flattern aufgehetzt von ihren Zweigen auf. Danach breitet sich eine Totenstille innerhalb des gesamten Waldes aus. Nicht einmal das leise Rascheln von Laub ist noch zu hören. Alles wirkt wie in ein absolutes Schweigen getaucht.
Keine der beiden Katzen wagt es, auch nur einen Mucks von sich zu geben. Mit weit aufgerissenen und ängstlichen Augen sehen sich Felix und Nachtpfote schweigend und lautlos atmend an.
Auf einmal ertönt ein wahnsinnig lauter und schriller Schrei durch den gesamten Wald. Das Laub an der Ästen und Zweigen der Bäume zittert, der Felsboden scheint zu vibrieren. Erst nach scheinbar endloser Zeit raschelt das Laub wieder, man hört sogar ein paar Kleintiere, die sich im Unterholz bewegen. Langsam kehrt das Leben in den Wald zurück und die erdrückende Stille wird vertrieben. Auch Nachtpfote und Felix kommen allmählich wieder zu sich. Ihr gesträubtes Fell glättet sich wieder.
Die nachtschwarze Kätzin fängt sich zuerst wieder und ruft entsetzt: „Bitte lass das nie wieder passieren!! Was ist da gerade nur geschehen?! Aber wenn ich genauer darüber nachdenke, wäre es vermutlich am besten, wenn wir im Unwissenden bleiben!“
„Definitiv!!“, beharrt Felix. „Diesen schmerzerfüllten Schrei werde ich so schnell nicht wieder aus meinem Kopf bekommen! Und doch habe ich das Gefühl, dass mir diese Stimme irgendwie bekannt vorkommt… Lass uns lieber über etwas Anderes reden. Sonst jagen uns noch Alpträume durch unruhige Nächte!“
„Gute Idee!“, stimmt ihm Nachtpfote auf der Stelle zu, doch ihre Blicke bleiben entspannt aufeinander gerichtet. „Ganz weit hinten, im Territorium der Schattenkatzen, befindet sich ein Gebirge. Niemand weiß, was sich dahinter verbirgt. Aber natürlich müssen die Schattenkatzen auch dieses Gebiet für sich beanspruchen. Ein gutes Stück von unserem Lager entfernt liegt ein kleine Wasserquelle, die über einen kleinen Bach in der See mündet. Dort gibt es Wasser, das ist erfrischender als alles andere. Bei der nächsten Gelegenheit führe ich dich dorthin, das verspreche ich dir.“
„Es wäre mir eine große Freude.“
„Als du vorhin in der riesigen Felshöhle warst, ist dir sicher aufgefallen, wie weit oben ihre Decke liegt. Ich muss dir diesbezüglich leider sagen, dass die Felshöhle nicht ganz so hoch ist, wie sie wirkt. Das liegt an der Form und Musterung der Höhlendecke. Faszinierend, oder?“
„Sehr sogar“, sagt Felix etwas leiser und behält folgenden Gedanken für sich: Obwohl ich deine Augen wesentlich faszinierender finde, weil sie anscheinend ihre Struktur und Farbe verändern können… Dann richtet sich sein Blick wieder auf den großen, weiten Wald. Die nachtschwarze Kätzin wundert sich kurz, dann löst auch sie ihren Blick von ihm.
„Direkt über der Felshöhle müsste der Tunnel entlang führen, durch den wir vor kurzem gegangen sind. Wie du gesehen hast, liegen innerhalb der Felshöhle Vorräte sämtlicher Heilkräuter. Dort sind sie am besten vor Nässe, enormer Hitze, Kälte und Frost geschützt“, fährt Nachtpfote gelassen fort.
Der junge Kater will gerade etwas darauf erwidern, als ein erneuter Schrei, erfüllt von unendlichen Qualen, in seinen Ohren eindringt. Der Schrei wird immer lauter und das Geräusch von reißender Haut mischt sich darunter. Ein lautes Schluchzen ertönt. Der Schmerzensschrei gleitet über in ein schrilles Kreischen, dass die beiden bis auf das Mark ihrer Knochen erschüttern lässt. Jedoch scheint es Felix bedeutend mehr zuzusetzen. Er steht ruckartig auf, wobei er fast den riesigen Felsen herunterstürzt und geht keuchend einige Schritte zurück. Seine Pupillen werden riesengroß. Etwas lässt ihn ein Stück nach unten sinken. Seine sehr stark ausgeprägte Empathie lässt den jungen Kater einen Teil der Schmerzen der Katze erleiden, die höchstwahrscheinlich gefoltert wird. Felix‘ Schwanz klemmt zwischen seinen Beinen und sein gesamter Körper zittert heftig.
Nachtpfote hat vor Schock gar nicht mitbekommen, dass der junge Kater von der Felskante zurückgewichen ist. Sie kommt zügig wieder zu Sinnen. Dann sieht sie sich nach Felix um. Als die nachtschwarze Kätzin ihn erblickt, verlässt jeder Funken Freude ihre hellblauen Augen und große Besorgtheit breitet sich in ihrem Blick aus. Unsicher fragt sie: „Was hast du…? Kann ich dir irgendwie helfen oder etwas für dich tun…?“
Felix möchte ihr gerne antworten, aber er kann seine Worte nicht laut aussprechen. Sei Keuchen wird intensiver, weil er die Stimme inzwischen jemandem zuordnen kann. Nachtpfote kann es anscheinend nicht hören, denn sie reagiert nicht, aber der junge Kater kann klar und deutlich verstehen, was die Kätzin schreit: „HILFE!! Warum tut ihr das?! Ihr werdet ihn niemals bekommen, kapiert das endlich, niemals!! Ich werde mein Junges niemals in euren Besitz geben oder verraten!!“
Endlich lässt ihr Schmerzensschrei nach und sie verstummt vor Heiserkeit. Felix erholt sich wieder und richtet sich anschließend auf. Seine Atmung normalisiert sich.
Die nachtschwarze Kätzin ist völlig perplex, weil sie nicht versteht, was gerade eben mit dem jungen Kater geschehen ist.
„Hast du diese Stimme gehört?“, fragt Felix und kann kaum glauben, dass sie es tatsächlich überhört hat.
„Welche Stimme…?“, erwidert Nachtpfote verwirrt.
„Es war die Stimme einer Kätzin, die ich jeder Zeit erkennen würde…“, beginnt der junge Kater seine Erklärung. „Ich habe geglaubt, dass sie nicht mehr leben würde. Nachtpfote, ich habe Mama schreien hören!“
Die Augen der nachtschwarzen Kätzin werden ganz groß.
„Und das bedeutet höchstwahrscheinlich, dass meine Schwester Flecky auch noch am Leben ist! Das Problem liegt nur leider darin, dass sich beide vermutlich in der Gewalt der Schattenkatzen befinden… Und dass sie, wie ich auch, ebenfalls in diesem Wald sind.“
„Oh nein… Ich will mir gar nicht erst vorstellen, was die beiden gerade an Schmerzen und Folter über sich ergehen lassen müssen…“, haucht Nachtpfote mitgenommen.
„Das ist mir bewusst… Und das gibt mir ein schreckliches Schuldgefühl. Sie lassen all das über sich ergehen, weil sie mich nicht verraten wollen…“, miaut Felix traurig.
„Du musst dich nicht schuldig fühlen, nicht einmal ansatzweise. Es ist ihre Entscheidung. Sie wollen dich beschützen, weil du ihnen alles bedeutest“, erwidert Nachtpfote sanft und setzt sich anschließend wieder neben ihn. „Wir werden zusammen einen Weg finden, um deine Familie zu befreien.“
Erst zögert die nachtschwarze Kätzin noch kurz, aber dann legt sie ihre Schwanzspitze um die linke Vorderpfote des jungen Katers. Felix ist von ihrer liebevollen Geste ein wenig überrascht und weiß nicht, wie er darauf reagieren soll. Vorsichtig setzt er sich nieder. Einen Moment später schmiegt Nachtpfote ihren Kopf gegen seine linke Wange. Sie verstärkt ihren Griff um seine Pfote, um ihn zu trösten und ihm ihr Mitgefühl zu zeigen.
Der junge Kater bekommt nicht sofort mit, dass ein Schnurren aus seiner Kehle emporsteigt. Entspannt lehnt er sich gegen ihre Schulter, weil er nur ein kleines Stückchen größer als sie ist. Auch die nachtschwarze Kätzin beginnt, beruhigend zu schnurren.
„Ich habe geglaubt, dass meine Familie gestorben wäre. Und jetzt habe ich erfahren, dass sie beide noch leben“, flüstert Felix leise. „Ich habe sie so lange nicht mehr gesehen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie unerbittlich der Schmerz eines Verlustes sein kann…“
„Ich sage dir, ich weiß, wie sich das anfühlt… Ich habe vor einigen Monden meine eigene Familie verloren, die mir alles bedeutet hat. Es ist schon eine Weile her und doch ist der Schmerz so intensiv wie am ersten Tag…“, murmelt Nachtpfote leise.
„Das tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung. Wenn ich davon gewusst hätte, wäre ich nicht so taktlos gewesen. Möchtest du mir von ihnen erzählen…? Vielleicht hilft es dir. Ich fände es besser, damit du diese schweren Sorgen nicht ganz allein mit dir herumträgst…“
Auf einmal löst sich die nachtschwarze Kätzin unerwartet von ihm und rückt ein kleines Stück von ihm weg. Felix bekommt das Gefühl, als hätte sie dadurch einen Teil seiner Wärme mitgenommen. Schnell verfolgt den jungen Kater ein schlechtes Gefühl und er sieht zu ihr rüber, um sich bei ihr zu entschuldigen: „Du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht möchtest…! Ich wollte dich keinesfalls in eine unangenehme Situation bringen. Ich dachte nur-“
„Das ist es nicht…“, unterbricht ihn Nachtpfote leise. „Ich habe nur sehr lange nicht mehr daran zurückgedacht, weil ich diese schmerzhafte Erinnerung für immer vergessen wollte. Deshalb habe ich so kalt reagiert. Es hatte absolut nichts mit deiner Frage zu tun. Es ist eine sehr lange, grausame und traurige Geschichte. Wenn du sie hören möchtest, werde ich sie sehr gerne mit dir teilen…“
Ihr Blick ist weiterhin von Felix abgewandt, das freudige Funkeln in ihren Augen noch immer erloschen.
„Es wäre sehr schön, wenn du sie mir erzählen würdest…“, meint der junge Kater behutsam. „Aber nur, wenn du dich selbst nicht dazu zwingen musst. Erinnerungen sind oft schmerzhaft und können uns quälen, selbst wenn die Ereignisse tief in unserer Vergangenheit liegen…“
„Ist schon okay…“, flüstert die nachtschwarze Kätzin und sieht ihn an, Nostalgie und Melancholie liegen in ihren sonst so fröhlichen Augen. „Lass uns zur Felskante zurückgehen, die auf das Territorium der Schattenkatzen zeigt… Du wirst den Grund dafür sehr bald erfahren…“