Читать книгу The Vampire Cats - Mimi Tiger - Страница 14

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7. KAPITEL

„ICH HATTE FRÜHER zwei Geschwister, eine wunderbare Schwester und einen fabelhaften Bruder…“, beginnt Nachtpfote, von ihrer Vergangenheit zu erzählen. „Und natürlich hatte ich eine liebevolle Mutter und einen fürsorglichen Vater…“

Oh je, ich habe ein ganz mieses Gefühl, was das angeht…, denkt Felix mitfühlend und traurig.

„Meine Eltern hatten es hier nicht sonderlich leicht gehabt… Vor allem mein Vater nicht“, fährt die nachtschwarze Kätzin fort. „Er kam wie du von außerhalb des Waldes und ist nur zufällig hier gelandet. Kurzgefasst, mein Vater war ein Streuner, bevor er sich uns angeschlossen hat. Mama hatte damals bereits eine feste Beziehung zu ihm, weil sie sich so sehr liebten. Doch kurz nach der Geburt von meinen Geschwistern und mir, ist sie unheilbar krank geworden. Etwa einen Mond später, als ich und meine Geschwister gerade in der Milchentwöhnungsphase waren, ist Mama gestorben. Darauf mussten wir in die Schlafhöhle der Schüler umziehen, die ihre Ausbildung zu Kriegern fast abgeschlossen hatten. Alle Schüler haben uns beleidigt oder erniedrigt. Zum einen wegen der Herkunft unseres Vaters und zum anderen, weil sie im Vergleich zu uns natürlich größer und stärker waren. Sie haben uns immer ausgeschlossen, weggeschickt oder dumme Streiche gespielt. Es kam nicht gerade selten vor, dass sie unser gemeinsames Schlafnest komplett verwüstet haben. Es hat eine Weile gebraucht, bis sie uns akzeptiert haben…“

Nachtpfote legt eine kurze Pause ein und der junge Kater murmelt: „Das muss schrecklich gewesen sein. Ihr konntet immerhin nichts für die Herkunft eures Vaters. Ich weiß dagegen nicht mal, wer mein Vater überhaupt ist.“

„Das ist genauso schlimm“, meint Nachtpfote und rückt wieder ein bisschen näher an ihn heran. „Jedenfalls haben wir uns nicht unterkriegen lassen! Wir drei haben immer fest zusammengehalten, egal was war und in der freien Zeit, die unser Vater hatte, hat er mit uns gespielt oder tolle Geschichten erzählt. Das war ein schöner Trost. Durch ihn haben wir wieder Selbstvertrauen erlangt, weil er immer an uns geglaubt hat.“

„Es freut mich, das zu hören“, flüstert Felix leise.

„Deshalb möchte ich dir einen kleinen Rat geben. Egal wie schwierig deine Situation auch sein mag, du darfst nie an dir zweifeln. Es gibt immer einen Weg, der dich aus der Dunkelheit zurück ins Licht führt. Lass Ginsterpfote und die anderen doch ihre große Schnauze haben, es wird nicht ändern, wer du bist. Beachte sie einfach nicht. Das tu‘ ich auch oft, wenn sie sich mir gegenüber gemein verhalten. Sollten sie dich direkt ansprechen, stopfe ihnen mit Freundlichkeit und Mitgefühl das Maul.“

„Ich danke dir für diesen wundervollen Rat, Nachtpfote. Ich werde deine Worte nicht vergessen und sie mir ins Gedächtnis rufen, wenn ich sie brauche.“

Der junge Kater sieht sie dankbar an. Die nachtschwarze Kätzin lächelt ihm gutmütig zu, dann erzählt sie ihre Geschichte weiter: „Endlich hatten meine Geschwister und ich unseren Frieden mit den anderen Schülern schließen können. Alles war so schön… bis zu dem Tag, als meine Geschwister eine absolut lebensgefährliche Entscheidung getroffen haben. Sie wollten mit mir unser eigenes Territorium verlassen und das der Schattenkatzen erkunden. Die sind für ihre Skrupellosigkeit und ihren Sadismus allerdings nicht gerade unbekannt…“

Ihre Stimme hält kurz an, bevor sie weiterspricht: „Ich habe mich zuerst geweigert, aber ich bin ihrer Fährte schließlich doch gefolgt, als sie nach fast einem halben Tag noch immer nicht zurückgekehrt waren. Heute wünsche ich mir, dass ich versucht hätte, ihnen diesen Gedanken auszureden… Wenn ich könnte, würde ich alles, wirklich alles, tun, um die Zeit zurückzudrehen, damit meine Geschwister diesen Wald gar nicht erst verlassen hätten… Es hätte ihnen das Leben gerettet…“

Nachtpfotes Stimme bricht erneut ab und sie dreht sich ein wenig von Felix weg, weil sie nicht will, dass er sie so sieht. Einige Tränen sammeln sich in ihren Augen und sie erlebt diese schmerzhafte Erinnerung noch einmal. Als sie ihren Kopf wieder aufrichtet, steht auf einmal der flammenfarbener Kater vor ihr.

„Du musst dich nicht schämen, wenn du weinst. Jeder vergießt hin und wieder ein paar Tränen, sei es durch Schmerz, Trauer oder Freude“, sagt er freundlich zu ihr. „Ich habe gehört, wie deine Tränen auf den Felsboden gefallen sind.“

Felix kann nicht anders. Er hebt seine rechte Vorderpfote an und streicht Nachtpfote sanft die letzte Träne aus dem Gesicht. Sofort blickt die nachtschwarze Kätzin zu ihm auf und sieht ihn an.

„Es ist keine Schande, wenn du mir deine Geschichte nicht weitererzählen kannst. Dafür hätte ich Verständnis und es wäre absolut kein Problem für mich“, fügt der junge Kater liebevoll hinzu und setzt seine Pfote wieder auf dem Felsboden ab.

„Nein, nein. Es ist schon okay. Ich werde sie dir bis zum Schluss erzählen. Es kann nur sein, dass ich ab und zu eine kleine Pause einlegen werde…“, erwidert Nachtpfote mit einem leichten Lächeln, Felix sieht sie verständnisvoll an.

Die nachtschwarze Kätzin nickt, dann richtet sich ihr Blick wieder auf das feindliche Territorium. Sie läuft ein kleines Stück auf den Felsrand zu, bevor sie stehenbleibt. Mit etwas Abstand zu Felix fährt sie fort: „Nachdem ich meinen Geschwistern gesagt habe, dass ich sie nicht begleiten werde, sind sie kurz darauf auch schon aus dem Lager verschwunden. Wie bereits erwähnt, bin ich den beiden gefolgt, als mir aufgefallen ist, dass sie schon viel zu lange weg waren. So leise und vorsichtig wie möglich bin ich ihren Pfotenabdrücken nachgeschlichen. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich sie schließlich gefunden habe. Sie saßen am feindlichen Ufer des Flusses. Beide haben mir mehrfach zugerufen, dass ich nicht zu ihnen kommen darf. Natürlich bin ich dann erst Recht zu ihnen gesprungen, weil ich wissen wollte, was los war. Und da ist es auch schon geschehen. Einige Schattenkatzen haben uns von allen Seiten umzingelt. Sie haben uns bedroht, doch dann behaupteten sie, dass sie uns wieder ins Lager bringen würden. Doch als wir wieder in unser eigenes Territorium gehen wollten, haben uns die Schattenkatzen brutal aufgehalten. Blitz hat mich geschnappt und kraftvoll auf den Boden gedrückt, damit ich meinen Geschwistern nicht helfen konnte. Dann hat er meinen Kopf in ihre Richtung gedreht. Ich musste alles mitansehen, was sie ihnen angetan haben. Sie haben meine Schwester verprügelt, bis sie Blut erbrochen hat. Anschließend haben sie ihr mit samt ihrer Sehnerven die Augen aus dem Kopf entfernt, die Ohren abgeschnitten und zwischen ihre Zähne geklemmt und ihr die Pfoten abgebissen. Danach haben sie ihr Kehle und Mundwinkel aufgeschnitten. Zum Schluss haben sie das herausströmende Blut auf mein Fell triefen lassen. Ihre Leiche haben die Schattenkatzen den Wasserfall heruntergestoßen. Blitz hat meine Schreie mit Erde erstickt. Auch mein Bruder musste das alles mitansehen…“

Dem jungen Kater bleibt die Sprache weg, seine smaragdgrünen Augen sind mit blankem Entsetzen gefüllt.

Nachtpfote muss kurz schlucken, bevor sie mit bitterer und kalter Stimme weiterspricht: „Meinen Bruder hat es noch schlimmer erwischt…“

„Noch schlimmer?!“, platzt es aus Felix heraus.

„Leider schon…“, miaut die nachtschwarze Kätzin traurig. „Die Schattenkatzen haben ihn festgehalten und dann rücklinks zu Boden geschmettert. Dadurch haben sie ihm mehrmals die Wirbelsäule gebrochen, sodass er sich nicht mehr wehren konnte. Sie haben ihm unzählige Male die Krallen über seinen freigelegten Bauch gezogen. Seine Schreie haben den Waldboden beben lassen. Unser gesamtes Umfeld war in dunkelrotes Blut getränkt. Anschließend haben sie seine eigenen Krallen nacheinander herausgerissen, sein Blut ist in den Fluss geflossen. Nach und nach haben diese Sadisten seine Organe aus seinem Bauch herausgezogen, bis auf sein Herz, damit er alles fühlt. Die Schreie aus seinem Maul sind erstickt, weil er nicht mehr fähig war, mit dem Blutspucken aufzuhören. Es ist wie ein roter Wasserfall herausgesprudelt. Ich konnte nichts für ihn tun… Bevor sie auch seine Leiche den Wasserfall hinuntergestürzt haben, haben diese Sadisten noch seinen Kopf abgetrennt. Dann haben sie ein Stück meines Fleisches aus dem Körper geschnitten, aber sie haben mich nicht getötet, damit ich durch diese Erinnerung auf ewig leiden werde. Sie sagten, es sei meine Strafe, weil ich nicht auf meine Geschwister gehört hatte. Diese herzlosen Monster mussten mir dann unbedingt erzählen, was sie mit den Teilen der Leichen meiner Geschwister und meinem Fleisch vorhatten. Schattenstern prahlte nur so, dass er den Kopf meines Bruders auf seine Schlafhöhle spießen und seine Eingeweide mit den Pfoten meiner Schwester daneben verteilen würde, nachdem sie dieses Ereignis Reißzahn und meinem Vater erzählt haben. Damit ich ihnen nicht zuvorkommen konnte, haben sie mir ein Bein gebrochen, damit alle glauben würden, dass auch ich ermordet worden wäre, wenn sie ihnen mein Fleisch vor die Nase halten…“

„Ich kann es nicht fassen! Das ist einfach nur abstoßend und schrecklich… Wobei das noch viel zu nett ausgedrückt ist!“

„Wahre Worte… Ich habe das Bild noch immer deutlich in meinem Kopf, wie die Schattenkatzen mit den Leichenteilen und meinem Fleisch zu unserem Lager gelaufen sind. Unmengen an Blut klebten in ihren Pelzen, an ihren Pfoten und ihren Schnauzen. Es war so viel, dass sich selbst in den Kuhlen ihrer Pfotenabdrücke kleine Pfützen aus Blut gesammelt haben. Als ich dann völlig entkräftet und halb verblutet einen Tag später das Lager der Lichtkatzen erreicht habe, waren alle überrascht, dass ich überhaupt noch lebe. Dann musste ich erfahren, dass mein Vater… dass er so verzweifelt war, dass er sich außerhalb des Waldes das Leben genommen hat. Ich konnte und kann und will das alles immer noch nicht wahrhaben… Zu der Zeit habe ich eine Hauttransplantation benötigt, damit ich nicht doch noch sterben würde…“

„Es tut mir so unglaublich leid, dass du diese entsetzliche Erfahrung machen musstest… Du musst davon völlig traumatisiert sein… Niemand, absolut niemand kann unendlich viele Schmerzen ertragen, wie du sie bereits in so früher Zeit erlebt hast…“, miaut Felix zutiefst berührt und voller Mitgefühl, weil seine starke Empathie ihn einen Teil ihrer Schmerzen fühlen lässt, die er bei ihr wahrnehmen kann. „Was haben sich diese sadistischen Schattenkatzen nur dabei gedacht?!“

„Gar nichts!! So wie jedes beschissene Mal!!“, faucht Nachtpfote schmerzerfüllt und wütend.

„Aber du kannst zweifelsohne von dir behaupten, dass du unglaublich stark bist. Zu viele hätten einfach aufgegeben, doch du hast weitergekämpft!“, versucht sich der junge Kater an ein paar tröstenden und ermutigenden Worten, während er den Abstand zwischen sich und ihr verkleinert. „Ich möchte dir gerne helfen, deine Trauer besser zu verarbeiten, selbst wenn ich dir nur zuhöre. Ich möchte nicht, dass du so traurig bist…“

„Danke…“, murmelt die nachtschwarze Kätzin und dreht sich etwas beruhigter zu ihm um. „Dabei hätte ich eher gedacht, dass du etwas Hilfe gebrauchen könntest, weil du dich hier nicht auskennst…“

„Sicher. Es wird eine Weile dauern, bis ich mich hier zurechtfinden werde. Und ich… ich möchte gerne mit dir befreundet sein, weil du zu mir hältst und wir einander helfen können…“, spricht Felix aus seinem Herzen.

„Aber das sind wir doch längst! Wir sind Freunde!“, ruft Nachtpfote überrascht, fährt jedoch mit trüber Stimme fort. „Wie du musste ich lernen, mit Einsamkeit umzugehen. Nach dem Tod meiner gesamten Familie wollten mir selbst die Schüler, die mich einst aufgezogen hatte, Trost spenden, doch ich habe mich von ihnen abgewandt. Ich wollte mit niemandem mehr etwas zu tun haben. Als die ersten Pflichten auf mich zugekommen sind, bin ich ihnen nachgegangen, aber die restliche Zeit habe ich außerhalb des Lagers gebracht. Ich habe mich tief in den Wald zurückgezogen, tagelang geweint, weil ich meine Familie niemals wieder sehen werde… Ich habe oft darüber nachgedacht, ob ich es überhaupt noch verdiene weiterzuleben, wenn jeder andere aus meiner Familie tot ist… Ich war so kurz davor aufzugeben…“

Der junge Kater kann nicht anders und setzt sich wieder direkt neben sie. Die nachtschwarze Kätzin ist verwirrt und fragt: „Äh… Was machst-? Au! Wofür war denn bitte die Kopfnuss?“

„Solche Gedanken darfst du nicht haben! Natürlich verdienst du das Leben! Nichts und niemand, und erst Recht nicht du, ist an dem Tod deiner Familie verantwortlich, bis auf diese räudigen Schattenkatzen!“, erwidert Felix sanft. „Vergiss das nicht. Wie oft kommt es vor, dass wir uns die Schuld an geschehenen Dingen geben, für die wir nicht im Geringsten etwas können? Du hast es vorhin an meinen eigenen Worten gehört. Ich möchte die Schuld jemandem geben und letzten Endes landet sie bei mir, obwohl ich nichts dafür konnte. Mach nicht denselben Fehler...“

Nachtpfote lächelt ihn dankbar an und wechselt anschließend das Thema, um die düstere und schwerwiegende Atmosphäre etwas aufzulockern, damit sich die beiden wieder ein wenig besser fühlen können: „Ich glaube, es gibt da etwas, dass ich dir unbedingt erzählen sollte! Behalte es dann aber für dich, okay?“

„Kein Problem“, antwortet der junge Kater nickend und sein Interesse wurde geweckt. „Also, worum geht es denn?“

„Ich warne dich vor. Es ist ziemlich verrückt!“, grinst die nachtschwarze Kätzin etwas aufgemuntert.

„Jetzt erzähl schon!“

„Na gut, also… Als Ginsterpfote noch ein Junges war, hat er mal einen Igel ins Lager geschleppt. Ich frage mich bis heute, wie er das hingekriegt hat… Jedenfalls meinte er dann vor allen anwesenden Katzen im Lager, dass das ein ihm unbekannter Stein sei, der äußerst pieksig wäre. Als dieser „Stein“ kurz darauf angefangen hat, sich zu bewegen, hat Ginsterpfote ganz laut und erschrocken geschrien: ‚AH!! Hilfe!! Der Stein hat ja Augen und läuft weg!‘ Alle, die das mitbekommen haben, mussten herzlich lachen und es eine Weile gedauert, bis sie sich wieder eingekriegt haben.“

Erst verhält sich Felix ein wenig verblüfft, dann muss auch er lachen und meint: „Wie bei allen guten Sinnen kommt man denn bitte darauf, dass ein verdammter Igel ein Stein mit Stacheln sein soll? Ach du meine Güte! Da wäre ich zu gerne dabei gewesen!“

„Ginsterpfotes Gesichtsausdruck war unvergesslich, als man ihm dann vorsichtig versucht hat zu erklären, dass es sich hierbei um einen Igel handelt. Außerdem mussten wir ihm am nächsten Tag erklären, dass es ihm leider nicht möglich ist, mit Pflanzen sprechen zu können. Er hat sich ernsthaft jeden Morgen vor die Dornenbarriere gesetzt und versucht, mit ihr eine Unterhaltung zu führen: ‚Würdet ihr bitte so stabil und unzerstörbar wachsen, dass die Schattenkatzen niemals einen Weg hierein finden werden? Ich werde dann auch dafür sorgen, dass ihr immer etwas Regenwasser bekommt und niemals Durst haben müsst‘“, erzählt Nachtpfote grinsend weiter.

„Ist das dein Ernst?“, fragt der junge Kater lachend.

Die nachtschwarze Kätzin nickt und fügt dann hinzu: „Wie bitte ist Ginsterpfote nur auf so einen absurden Blödsinn gekommen…?“

„Ich habe absolut keinen Plan!“, miaut Felix immer noch schmunzelnd. „Ich habe mit meiner Schwester ja auch oft Unsinn angestellt, aber so was…?“

„Das will ich hören!“, erwidert Nachtpfote neugierig. „Was habt ihr so alles gemacht, wenn euch langweilig war?“

„Ich werde dir davon erzählen, wenn du mir danach auch etwas von deinen Dummheiten berichtest. Haben wir einen Deal?“

„Wenn du darauf bestehst, stehe ich dir voll und ganz zur Verfügung… Auch wenn dich das zu einem listigen Dachs macht.“

„Ey! Nicht so fies bitte!“, antwortet der junge Kater scherzhaft. „Sonst sind meine Lippen für immer versiegelt.“

„Oh, hab Erbarmen mit mir!“, spielt sie mit und tut gekonnt unschuldig. „Es tut mir leid! Ich werde es sofort wieder gut machen. Was verlangt der starke und ehrfürchtige Kater denn von mir…? Soll ich eine Vorwärtsrolle machen…?“

„Das würde ich zu gerne sehen!“, meint Felix und verkneift sich ein Kichern. „Na dann, meine Untergebene, ich warte auf deine Ausführung.“

Der junge Kater ist sichtlich überrascht, dass Nachtpfote die Sache tatsächlich durchzieht. Sie entfernt sich ein kleines Stück von ihm und setzt sich dann wieder hin, sein Blick folgt ihr. Die nachtschwarze Kätzin streckt ihre Hinterbeine ein wenig durch, bevor sie mit ihrem Kopf hindurchgleitet. Lautlos drückt sich Nachtpfote mit ihren Hinterpfoten ab und rollt nach vorn. Anschließend landet sie wieder sitzend auf dem Felsboden.

„Wow!“, staunt Felix mit Begeisterung. „Ich hätte nicht gedacht, dass du das wirklich machen würdest, geschweige denn, dass du das auch so gut kannst!“

„Wenn der Meister es von mir verlangt, muss ich es auch tun! Okay, Spaß beiseite. Ich hatte sehr viel Übung darin“, bemerkt die nachtschwarze Kätzin. „Wir Lichtkatzen benutzen das manchmal beim Kämpfen.“

„Beim Kämpfen…?“, fragt der junge Kater ungläubig. „Wie soll das denn funktionieren?“

„Es dient dazu, Gegner und Feinde zu Beginn des Kampfes für einen kurzen Moment abzulenken, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Wenn es soweit kommt, passiert dieser Vorgang allerdings wesentlich schneller“, erklärt Nachtpfote entspannt. „Bei unserem Kampftraining üben wir die verschiedensten Angriffs- und Verteidigungsstrategien, damit wir im Ernstfall auf alles Mögliche vorbereitet sind.“

„Ich nehme mal an, dass ich die vielen Kampf- und Jagdtechniken bald erlernen werden muss“, schlussfolgert Felix. „Das wird bestimmt nicht so einfach...“

„Das stimmt. Du hast ein langes, hartes und anstrengendes Training vor dir. Dabei werden Durchhaltevermögen, Kondition, Koordination, Geschicklichkeit und vor allem Ehrgeiz bis auf das härteste und schonungslos getestet. Aber jetzt lenk nicht vom Thema ab! Du wolltest mir doch etwas von deiner Zeit als Junges erzählen. Im Austausch werde ich dir dann auch etwas von mir erzählen. Hast du das etwa schon vergessen? Falls es dir zu peinlich sein sollte, es gibt kein Zurück mehr.“

„Schon gut, schon gut. Meine Merkfähigkeit ist nicht so schlecht, wie du vielleicht denkst!“

„Weiß ich doch“, schnurrt die nachtschwarze Kätzin. „Ich wollte dich nur ein bisschen ärgern, damit du endlich anfängst.“

„Ist ja gut, ich hab’s verstanden“, murrt der junge Kater ein wenig eingeschnappt, doch das hält nicht wirklich lang an. „Nun, als ich ein Junges war, liegt ja noch nicht wirklich lange zurück, habe ich zusammen mit meiner Schwester Flecky hin und wieder das ein oder andere Chaos verursacht. Versprich mir, dass du mich danach aber nicht für den größten Dummkopf aller Zeiten hältst…!“

„Nö, nur für den zweitgrößten!“, neckt ihn Nachtpfote und ergänzt schnell etwas, als Felix sie ermahnend ansieht. „Sorry, ich konnte nicht anders. War natürlich nur ein kleiner Spaß meinerseits. Das werde ich selbstverständlich nicht tun. Zumal Ginsterpfote mit seiner Aktion den Ast ziemlich weit hoch gelegt hat.“

„Ich versteh‘ schon“, sagt Felix schmunzelnd und fährt fort. „Ganz am Anfang habe ich mit Flecky immer die anderen Katzen in unserer Umgebung geärgert. Wir haben ihnen das Trockenfutter oft mit kleinen Kieselsteinchen ausgetauscht. Davon abgesehen schmecken diese kleinen, braunen Dinger sowieso nicht sonderlich lecker. Das Geschimpfe und Gefluche der Katzen war deutlich zu hören, auch wenn wir uns im Haus aufgehalten haben.“

„Das kann ich mir sehr gut vorstellen…“, murmelt die nachtschwarze Kätzin belustigt.

„Einmal haben wir sogar ein kleines Gestell aus einem mittelgroßen Stein und einem breiteren, flachen und länglichen Zweig gebaut. Daraufhin haben wir an jeweils ein Ende verfaultes Laub gelegt. Dann haben wir abwechselnd kraftvoll auf die gegenüber Seite des Zweiges getreten und das Laub ist in einem hohen Bogen zu den anderen Katzen des Menschendorfes geflogen. Zufällig haben wir immer jemanden getroffen. Ab und zu haben wir sogar Kaninchenköttel über den Zaun in den Nachbargarten geschossen, direkt auf den frisch geputzten Pelz des launischsten Katers des gesamten Dorfes! Und danach in seinen Futternapf! Das war vielleicht ein Spaß! Seine Flüche muss man bis zum Wald gehört haben. Die nächsten beiden Tage haben Flecky und ich uns versteckt, damit niemand herausfindet, dass wir das gewesen sind. Aber es war die Sache auf jeden Fall wert!“

„Und wieso sollte ich dich deswegen für einen Dummkopf halten…?“

Felix legt seinen Kopf etwas schief als Zeichen, dass er es nur vermutet hat.

„An sich ist das sogar eine ziemlich geniale Idee gewesen. Ich meine, damit kannst du jeden ärgern, wenn du genau zielst!“, wirft Nachtpfote ein. „Hoffentlich kommen unsere Jungen nicht auch auf so was! Das wird sonst echt eklig, das Ganze wieder aufzuräumen.“

„In der Tat“, stimmt ihr der junge Kater zu. „Ein anderes Mal, als der alte Mensch, der für uns gesorgt hat, nicht im Haus war, haben wir den großen Wassernapf umgestoßen und alles nass gemacht. Als der alte Mensch dann wieder nach Hause gekommen ist, ist er mit Schwung ausgerutscht. Zuerst hat er rumgeflucht, musste dann aber ziemlich schnell laut loslachen. Das hab‘ ich nicht verstehen können…“

„Was soll ich dazu sagen? Menschen sind halt einfach nur komisch…“, miaut die nachtschwarze Kätzin mit verdrehten Augen. Felix richtet seinen Blick im selben Moment auf ihre Augenfarbe. Er mustert sie etwas genauer und ihm fällt auf, dass sie langsam ihr glitzerndes und humorvolles Funkeln wiederfinden. Der junge Kater löst seinen Blick wieder von ihr. Er freut sich, dass es Nachtpfote wieder besser zu gehen scheint und bei dem Gedanken daran beginnt sein Herz, ein klein wenig schneller zu schlagen.

Er wird aus seinen Gedanken gerissen, als sie beginnt, über sich zu erzählen: „Also, dann bin ich jetzt wohl dran! Nun… Früher habe ich mit meinen Geschwistern ganz oft Ameisen oder Kletten gesammelt und die dann in die Nester der ältesten Katzen unter uns gesteckt. Ihr Meckern und Schimpfen hat jeder durch das gesamte Lager einwandfrei hören können. Es ist zwar nicht leicht gewesen, das alles ins Lager zu bekommen, aber das Ergebnis war doch immer sehr amüsant!“

Felix geht noch einmal auf die Felskante zurück, der ins Lager zeigt, um es noch einmal betrachten zu können. Sein Blick schweift zu den Schlafhöhlen, die alle unterschiedlich groß sind. Ihm sticht eine besonders große ins Auge. Er dreht sich um und zögert kurz, aber dann fragt er: „Befinden sich im größten der Baue die Schlafplätze für die Jungen…?“

Nachtpfotes Antwort ist zu seiner Überraschung relativ entspannt: „Ja, das ist die Kinderstube. Dort befindet sich am meisten Platz. So haben die Jungen auch die Möglichkeit, drinnen zu spielen, solange sie noch nicht raus dürfen. Sie müssen sich so also nicht langweilen.“

Auf einmal spürt der junge Kater ein Stechen in seinem Herzen. Die vielen gemeinsamen Erinnerungen an seine Mutter und seine Schwester überfluten ihn.

„Du, Nachtpfote, mir fehlt meine Familie genauso sehr wie dir deine. Ich vermisse Flecky und Mama so unglaublich sehr, dass es wehtut… Aber ich bin so erleichtert, dass die beiden noch leben, auch wenn sie gerade furchtbar leiden müssen…“, flüstert Felix traurig.

Die nachtschwarze Kätzin nickt verständnisvoll und sagt dann leise: „Ich habe dir vorhin gar nicht gesagt, wie meine Geschwister hießen. Ihre Namen waren Herzjunges und Morgenjunges…“

„Diese Namen sind wunderschön“, schnurrt der junge Kater und setzt sich nun so hin, dass sein Rücken zur Felskante zeigt und er Nachtpfote wieder ansehen kann.

„Nur leider werden die beiden niemals ihre Kriegernamen erhalten…“

Felix sieht sie fragend an.

„Kurz nachdem Junge bei uns geboren werden, bekommen sie wie jedes andere Kätzchen auch ihre Namen von ihren Eltern, jedoch mit dem Beinamen „Junges“. Wenn wir vier Monde später zu Schülern ernannt werden, egal ob uns dann eine Krieger- oder Heilerausbildung bevorsteht, verändert sich dieser Beiname in „Pfote“. Da kommt dann das ganze Training, die Geschichte unserer Vergangenheit, weiteres Wissen und die Bedeutung, was es heißt, ein Krieger oder Heiler zu sein, auf einen zu. Nach unserer Abschlussprüfung wird uns ein Krieger- oder Heilername verliehen. Das „Pfote“ fällt weg. Allerdings wird der Name an uns angepasst. Somit ist jeder Krieger- und Heilername absolut einzigartig“, erklärt Nachtpfote in aller Ruhe.

„Also bist du eine Schülerin“, schlussfolgert der junge Kater.

„Genau“, bestätigt die nachtschwarze Kätzin. „Sobald wir wieder unten sind, werde ich Reißzahn fragen, ob ich dich durch die einzelnen Schlafhöhlen führen kann. Was hältst du davon?“

„Das ist ein toller Vorschlag!“, meint Felix begeistert. Gerade als er aufsteht, um zu Nachtpfote zu gehen, damit sie den Abstieg beginnen können, knackt der Fels unter seinen Pfoten. Entsetzt sehen sich die beiden Katzen an, unfähig auch nur einen einzigen Muskel zu rühren. Ein weiteres, viel lauteres Knacken des Felsens ertönt. Panisch blickt der junge Kater zu seinen Pfoten, dann sieht er zurück zu Nachtpfote. In seinen Augen liegen große Angst und Furcht. Sie will ihm noch zurufen, dass er schnell von der Felskante verschwinden soll, doch dafür reicht die Zeit nicht mehr. Felix spürt, wie der Fels unter seinen Pfoten wegbricht. Mit einem lauten Schrei stürzt der junge Kater in die klaffende Tiefe.

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