Читать книгу Sektion 3|Hanseapolis / Sektion 3|Hanseapolis - Schattenspiele - Miriam Pharo - Страница 11

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„MEC-549, 100 Minuten Rundkurs über der City!“

Dann besann sich Elias anders und gab einen neuen Befehl. Der schwarze Bumerang flog eine anmutige Schleife und beschleunigte; Elias wurde leicht in den Sitz gedrückt, während im Wechsel flimmernde Glasfassaden und triste Betontürme an ihm vorbeirauschten. Er aktivierte die seitliche Alarmleuchte des MEC und gelangte im Nu an sein Ziel.

„Detective Kosloff“, ertönte es prompt von oben. „Ich muss Sie daran erinnern, dass die Alarmleuchte nur in Einsatzfällen aktiviert werden darf und nicht zum persönlichen Vergnügen …“

„Senior Detective, wenn schon …“, raunzte Elias. „Außerdem hat dich das bei Marino auch nicht gestört.“

Etwas schwerfällig stand er auf, betätigte einen Knopf und wartete, bis die Rampe ausgefahren war. Nachdenklich stieg er hinab und betrat eine gläserne Röhre. Der Himmel über seinem Kopf erstrahlte in makellosem Blau – wie meistens. Eine vorbeischwebende Sky-Ad zeigte 42°C an.

Elias folgte der Röhre bis zu einer grünen Metallschleuse, die sich bei seinem Erscheinen geräuschvoll öffnete. Er brauchte einige Sekunden, um sich zu orientieren, dann betrat er einen verheißungsvollen schmalen Waldweg. Genüsslich sog er die saubere künstliche Luft ein, während der Kies laut unter seinen Füßen knirschte; ein tröstendes Geräusch von beschaulicher Normalität. Er schlenderte den Pfad entlang, vorbei an einem kleinen See mit buntem Pavillon, dann bog er ab und steuerte eine einsame Holzbank an, die inmitten eines Bambushains stand. Elias setzte sich, zögerte kurz, dann zog er die Multifunktionsboots aus und bettete seine nackten Füße in das weiche Gras. Einige Minuten lang beobachtete er spielende Kinder am Seeufer, dann gab er sich einen Ruck und ließ das Gespräch mit Aidan auf dem Mond Revue passieren. Da war doch dieser eine Gedanke gewesen, der seinem ehemaligen Kampfgefährten entschlüpft war …

Elias setzte seinen Virtuellen Kommunikator auf. „Asimov Shortlist“, flüsterte er, nachdem er mit den Augen die GCS-Suchmaske aktiviert hatte. Schon spuckte die Kommunikationsplattform die geforderten Infos aus:

Asimov: Pudel mit menschlichen Gehirnzellen, schlägt am 13. November 2065 Schachweltmeister Ted Davis in Blackpool, Englisches Königreich

Asimov 2: Berüchtigter Gefängnistrabant in der Jupiterlaufbahn

Asimov, Isaac: Schriftsteller russischer Abstimmung aus dem 20. Jahrhundert

Asimov: Flugcontainer-Klasse aus der Stendhal-Werft

Asimov, Athene: Von 2032 bis 2038 Oberste Kanzlerin der Europäischen Zentralregierung

Asimov Weapons Unlimited: Weltweit größter Waffenlieferant mit Sitz in Auckland

Elias fluchte laut. Eine Oberste Kanzlerin, ein Gefängnistrabant, ein Waffenlieferant … In mindestens drei Fällen steckte vielleicht mehr dahinter. Er hatte auf eine plötzliche Eingebung gehofft, so aber war er gezwungen, in mehrere Richtungen gleichzeitig zu ermitteln. Da kann ich gleich mit einer Stecknadel im Scheißhaufen stochern! Er aktivierte sein InterCom und sprach einen Namen aus. Nach einer Minute wollte er schon aufgeben, als das erhitzte Gesicht seines besten Kumpels auf dem Display erschien.

„Nes, das hat ja ewig gedauert! Was hast du denn getrieben?“

„Big E, was für eine Überraschung!“ Der andere lächelte, doch sein Blick wanderte dabei unruhig nach hinten.

Elias stutzte kurz, dann begriff er. „Soll ich mich später noch mal melden?“ In seiner Stimme schwang gutmütiger Spott mit.

„Nein, nein … wir … es ist ok“, dann grinste Nes breit. „Na gut, aber fass dich kurz.“

„In Ordnung! Sag mal, Kumpel, sagt dir der Name Asimov irgendwas?“

„Der Pudel?“

„Mhm …“ Elias rollte mit den Augen. „Abgesehen von dem Pudel! Hast du irgendwas läuten hören? Irgendeine Verschwörungstheorie, ein Korruptionsfall … so was in der Art. Irgendetwas, das mit dem Namen Asimov zusammenhängt?“

„Hat das mit dem Überfall auf deine Partnerin zu tun?“, fragte Nes neugierig zurück.

Elias antwortete nicht.

„Ok … hör zu!“ Nes nickte freundlich. „Spontan klingelt da nix bei mir, aber ich hör’ mich um. Sobald ich was weiß, melde ich mich. In Ordnung?“

„In Ordnung. Und bitte sei diskret.“

„Aber Big E. Du kennst mich doch!“

„Eben deshalb“, antwortete Elias trocken. Nes lachte und wollte sich abwenden, da fiel ihm etwas ein.

„Ach, übrigens … Falls es dich interessiert, wir haben die NanoCam des toten Reporters in der Elbphilharmonie gefunden!“

„Und?“

„Nichts! Die war total hinüber. Unsere Nanotechniker konnten da nicht mehr viel ausrichten, leider. Aber wir haben Davos’ Konten überprüft. Die existenten und nicht existenten! Die Witwe war uns gegenüber überaus zuvorkommend. Kein Wunder, nachdem die ganze Welt mit ansehen durfte, wie ihr Mann blutjunge NIPs gevögelt hat!“ Elias sah Mitgefühl in Nes’ Augen. „Jedenfalls haben wir eine Spur. Ein Auftragskiller, der bei den Reichen und Schönen schwer angesagt ist.“

„Wie heißt der Typ?“

„Kommt darauf an. Mal nennt er sich André Barrat, dann wieder Andrej Kandinsky oder auch mal Andy Mittler. Offenbar ist er untergetaucht, aber wir kriegen ihn!“

„Gut. Irgendjemand muss für dieses Massaker in der Philharmonie bluten. Und Nes?“

„Ja?“

„Weitermachen!“ Als Elias die Kommunikation abbrach, hatte er Nes’ Lachen noch in den Ohren. Mit einem leichten Grinsen hob er die Hand, um den Virtuellen Kommunikator abzusetzen, da erreichte ihn eine Audio-Nachricht. Der neue Sektionschef wolle ihn unverzüglich sprechen, hieß es. Elias seufzte und genoss noch einmal das Gefühl, mit den nackten Zehen durch das Gras zu fahren, dann zog er die Boots wieder an. Als er kurz darauf das Planten un Blomen 4 verließ, hatte er keinen Blick mehr für die Idylle um ihn herum. Was will der von mir?

Fox Sternheim war Bürokrat durch und durch. Einer, der es durch Fleiß und Disziplin bei der Polizei weit gebracht hatte. Das zumindest erzählte man sich über den neuen Sektionschef. Elias wunderte es nicht, dass sie einen Erbsenzähler auf Sahils Stuhl gesetzt hatten. Das Polizeireferat wollte kein Risiko eingehen. Er kannte Sternheim nicht persönlich, doch als er das Head Office betrat, überkam ihn ein ungutes Gefühl.

Der Mann, der bei seinem Erscheinen aufstand und ihm die Hand reichte, entsprach nicht ganz der gängigen Vorstellung eines Paragraphenreiters. Fox Sternheim war nicht sehr groß, strahlte aber ungebändigte Kraft aus. Obwohl er noch nicht einmal fünfzig Jahre zählte, war er frühzeitig ergraut, und hielt sich sehr gerade, wie es bei kleineren Menschen oft der Fall war. Wie einer dieser Zinnsoldaten aus Osamus Laden. Er hatte ein blasses, etwas eingefallenes Gesicht, das von klaren, blauen Augen beherrscht wurde.

Sein Händedruck war fest, sein Blick direkt. Wie auch seine Begrüßung.

„Senior Detective! Endlich lernen wir uns mal kennen. Ich habe viel von Ihnen gehört, und leider nicht nur Gutes.“ Kurze Pause. „Bisher haben Sie in der Sektion eine gewisse Narrenfreiheit genossen. Das endet mit dem heutigen Tag, denn seit zehn Sekunden halten Sie sich an die Vorschriften – ausnahmslos.“

Mit seinen unheimlichen Augen fixierte Elias den kleinen Mann, der sich davon nicht im Geringsten beeindrucken ließ. Dann brach er sein Schweigen. „Ich verstehe.“

„Das hoffe ich für Sie, Senior Detective … Gut, nachdem das geklärt ist, möchte ich etwas mit Ihnen besprechen. Setzen Sie sich bitte.“

Elias kam der Aufforderung nach, wobei er Sternheim nicht aus den Augen ließ. „Sahil ist spurlos verschwunden.“

„Ich weiß. Genau darüber will ich mit Ihnen reden. Sie sind in der Sache doppelt befangen: zum einen wegen Ihrer Partnerin, zum anderen wegen Ihrer früheren Freundschaft zu Sahil Karesh. Nicht nur aus diesen Gründen übernimmt die Innere Sicherheit ab jetzt den Fall.“ Als Elias Anstalten machte zu protestieren, wehrte ihn Sternheim mit der Hand ab. „Ich weiß, dass Sie mit dieser Entscheidung nicht glücklich sind, aber unter uns gesagt: Sie, nein, wir haben keine Wahl! Das Ministerium und auch der Polizeipräfekt trauen niemandem hier in der Sektion. Nicht einmal Ihnen! Ihre Partnerin war Karesh auf die Spur gekommen. Wie’s aussieht, hängt er im Sumpfmord irgendwie mit drin. Ein sehr komplexer Fall. Die Agenten der Inneren sind sicherlich ausreichend qualifiziert, um diesen Fall zu lösen und Sahil Karesh festzusetzen.“

„Sternheim, hören Sie …“

„Nein. Sie sind wütend. Ihnen fehlt jegliche Objektivität. Ich muss Sie von dem Fall abziehen. Machen Sie sich lieber mit diesen Pharmadiebstählen vertraut. Soweit ich informiert bin, liegt der Case seit über einer Woche auf Ihrem Server und bislang ist nichts passiert! Der Präfekt ist sehr aufgebracht und der Senatsausschuss macht Druck. Ich will, dass Sie unverzüglich mit den Ermittlungen beginnen. Und Ihre DeBriefings leiten Sie ausschließlich an mich weiter, ist das klar?“

„Glasklar“, antwortete Elias in ätzendem Ton.

„Gut, und wenn Sie Verstärkung benötigen, geben Sie mir Bescheid.“

„Ich brauche niemanden“, blaffte Elias. „Marino kommt bald wieder auf die Beine!“

„Natürlich, Senior Detective.“ Ein mitfühlender Ausdruck trat in Sternheims Augen, der Elias wütend machte. Er wollte kein Mitleid oder Verständnis von diesem Wichser!

Als er aufstand und zur Tür ging, rief ihn Sternheim zurück. „Ach, und übrigens. Wegen Ihres Verhaltens im Altona-Tunnel vor zwei Wochen …“ Erst zwei Wochen? Elias kam es wie eine halbe Ewigkeit vor. „… Die interne Untersuchung wird fallen gelassen. Ich will ehrlich zu Ihnen sein: Es war nicht meine Entscheidung. So leicht wären Sie bei mir nicht davongekommen. Aber die Order kommt vom Polizeipräfekten persönlich. Und Kosloff …“ Jetzt war es Sternheim, der sein Gegenüber mit dem Blick festnagelte. „Lassen Sie die Finger von Sahil Karesh!“

Nachdenklich starrte der neue Sektionschef auf die Tür, die sich hinter Elias geschlossen hatte. Nach allem, was er über Kosloff wusste, würde dieser mit großer Wahrscheinlichkeit genau das nicht tun.

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