Читать книгу Sektion 3|Hanseapolis / Sektion 3|Hanseapolis - Schattenspiele - Miriam Pharo - Страница 9

3

Оглавление

Ein langes Röhren kündigte die Ankunft der Expressbahn an. Elias hatte sich hinter einem Steinpfeiler postiert und fixierte den dunklen Tunnel, der in Kürze den Zug mit den heimkehrenden Arbeitern herauswürgen würde. Die Durchsuchung des Habitats hatte nichts ergeben. Clever wie er war, hatte Sahil nichts angeschleppt, was eine Verbindung zu seinem früheren Leben hätte erkennen lassen können. Dennoch war Elias euphorisch. Gleich habe ich dich! In seinem Bauch kribbelte es verdächtig, die Süße der bevorstehenden Abrechnung ließ sein Herz höher schlagen.

„Er ist im dritten Wagon“, flüsterte es plötzlich in Elias’ InterCom. Es war Sara Hu. „Gleich vorn, Sie können ihn nicht verfehlen.“

„In Ordnung“, antwortete Elias leise, dann suchte er den Blickkontakt zu den drei bis zu den Zähnen bewaffneten Securitys, die nur wenige Meter hinter ihm in Deckung gegangen waren. Einer nach dem anderen nickte leicht zum Zeichen, dass auch sie die Nachricht über InterCom gehört hatten. Mit angespannter Miene beobachtete Elias, wie die transparente Expressbahn abbremste und schließlich stoppte. Die Türen der Wagons öffneten sich und die Arbeiter in ihren grauen Overalls strömten schweigend heraus. Unter ihnen befand sich auch Vorarbeiterin Hu, die mit einer leichten Kopfbewegung auf eine Person hinter sich aufmerksam machte.

„Zugriff!“, flüsterte Elias und trat hinter dem Pfeiler hervor. Die drei Securitys setzten sich ebenfalls in Bewegung. Das Quartett stemmte sich dem zähen Menschenstrom entgegen; dabei reckte Elias den Kopf zur Seite, um an Hu vorbeizuschauen. Die Vorarbeiterin war hochgeschossen und so nahm Elias zunächst nur einen staubigen Umriss in ihrem Rücken wahr, der sich beim Näherkommen als schlaksige Gestalt mit dunklem Haar entpuppte. Der Mann schien am Ende seiner Kräfte. Er ging schwerfällig, leicht nach vorne gebeugt, und nahm gleichgültig in Kauf, dass er von den anderen grob angerempelt wurde.

„Sahil!“ brüllte Elias über die Häupter der Menschen hinweg, woraufhin der Mann aus seiner Trance erwachte. Wie in Zeitlupe hob er den Kopf und Elias blieb wie angewurzelt stehen. Was zum Teufel …? Eine eisige Faust schloss sich um sein Herz. Das hier war nicht Sahil! Zugegeben, der Typ sah ihm entfernt ähnlich, aber mehr auch nicht. Ich Vollidiot! Warum habe ich mir nicht das Video-Protokoll seiner Ankunft angeschaut? Er war sich seiner Sache zu sicher gewesen.

Hinter Elias wurden wilde Flüche laut, als sich die Securitys im Laufschritt von drei Seiten näherten und schmerzhafte Breschen in die Menge schlugen. Der Cop drückte sich unsanft an Sara Hu vorbei, die in einer einzigen Bewegung herumfuhr, schon hatte er den Sahil-Doppelgänger am Kragen gepackt! Hinter ihm summten die schussbereiten Laser der Securitys und eine eigenartige Ruhe legte sich über den Platz. Wo eben noch Wut oder Neugier geherrscht hatte, war auf einmal nur Gleichgültigkeit. Den Blick starr auf den Boden gerichtet, verließen die Arbeiter eilends das Dock, wobei sie einen großen Bogen um die finstere Gruppe in ihrer Mitte machten.

Elias drehte sich barsch zu Hu um, die ihn überrascht anstarrte. „Meinen Sie den hier?“, polterte er los.

„Äh, ja“, antwortete die große Frau unsicher. „Wieso? Stimmt was nicht?“

„Hier stimmt etwas ganz und gar nicht! Das hier ist nicht Sahil Karesh!“ Er richtete seine unheimlichen Augen auf das Gesicht des Fremden vor ihm, auf der Suche nach einer polymeren Gummihaut oder physiognomischen Anomalien. Dann fluchte er. Das hier war eindeutig nicht Sahil. Außerdem war der Typ ein gutes Stück kleiner! Es war unwahrscheinlich, dass sich Sahil in so kurzer Zeit die Beine hatte verkürzen lassen.

Elias schnaubte und ließ den Mann los. Er war stinkwütend. „Wer sind Sie? Und warum geben Sie sich für jemand anderen aus?“ Seine Stimme kam einem Knurren gleich.

Sein Gegenüber war kreidebleich geworden. Er begann unverständliches Zeug zu stammeln und gestikulierte dabei wild. Elias verstand kein Wort. Er blaffte Hu an, die neben ihn getreten war. „Haben Sie einen tragbaren Sim-Translator bei sich?“

Die Vorarbeiterin hob spöttisch eine Augenbraue. „Natürlich! Die sind hier ein Must, aber der wird Ihnen in diesem Fall nichts nützen. Während ihrer Schichten tragen die Arbeiter kein InterCom. Nur die Vorarbeiter haben welche. Sie müssen warten, bis Fatwi seinen aus dem Habitat …“

„Und wie kommunizieren die da unten miteinander? Per Klopfzeichen? Geben Sie ihm Ihr InterCom!“

„Was? Auf gar keinen Fall! Dann wäre ich vom Kommunikationsnetz abgeschnitten.“

„Das dauert nicht lange …“, entgegnete Elias und streckte ihr ungeduldig die Hand entgegen.

Wortlos nahm Hu ihr InterCom aus dem Ohr und legte es zusammen mit einem kleinen silbernen Gerät in Elias’ offene Handfläche. Ihre schmalen Augen sprühten missbilligende Funken.

„Danke.“ Elias nahm den Sim-Translator entgegen, wartete einige Sekunden, bis sich die Frequenz auf sein InterCom eingestellt hatte, dann wandte er sich erneut an den Mann und reichte ihm Sara Hus Kommunikationsgerät. Der zögerte. Erst, als er Elias’ drohenden Gesichtsausdruck sah, nahm er den Knopf mit zwei Fingern entgegen und steckte ihn sich vorsichtig ins Ohr.

„Wer sind Sie?“, fragte ihn Elias.

„Mein … mein Name ist Singh Fatwi, ich … ich bin Bürger der Europäischen Föderation. Ich bin gestern Nachmittag erst angekommen. Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen …“

„Wie viel hat Ihnen Sahil bezahlt?“

„Wer? Ich kenne keinen Sahil!“ Nach dem ersten Schock hatte sich der Mann wieder einigermaßen im Griff und schaute sein Gegenüber scharf an. Er war nicht kräftig, aber sehnig. Elias machte unter dem Overall jede Menge Muskeln aus. Ein Gegner, den man nicht unterschätzen durfte.

„Ihr S3-Implantat hat Sie verraten … beziehungsweise …“ Elias stockte. Er fühlte sich plötzlich ratlos.

„Was ist ein S3-Implantat?“ Der Mann schien ehrlich erstaunt.

Elias dämmerte langsam die schreckliche Wahrheit. „Was tun Sie hier?“, fragte er mit tonloser Stimme.

„Ich habe vor zwei Jahren einen Antrag für ein Arbeitsvisum gestellt und jetzt hat es endlich geklappt! Ich habe mich für fünf Jahre verpflichtet. In dieser Zeit verdiene ich genug Geld, um dann auf dem Südlichen Archipel meine eigene Firma zu gründen …“

„Einen Moment …“, stieß Elias hervor, dann trat er einen Schritt zurück. Etwas fahrig kramte er nach seinem Mini-Molekular-Scanner. Das kann wohl nicht wahr sein. Ich bin schon wieder verarscht worden! Wortlos hielt ihm Fatwi die Handfläche hin. Elias zögerte kurz, dann wischte er mit dem Scanner darüber. Ein kurzes Piepen brachte die Bestätigung. Singh Fatwi war in der DNA-Datenbank registriert: ein unbescholtener Erdenbürger, Jahrgang 2020, dazu ein hoch dekorierter Held des Transkontinentalen Krieges, seit fünf Jahren Bürger der Europäischen Föderation. Das einzige, was ihm Elias persönlich hätte anlasten können, war, dass er im Krieg für die Gegenseite gekämpft hatte.

Er räusperte sich. „Ihre Geschichte scheint zu stimmen. Ich … äh … entschuldigen Sie bitte. Wir haben Sie mit jemandem verwechselt.“ Wie auf Kommando senkten die Securitys ihre Waffenarme.

„Darf ich endlich gehen?“ Der Mann hatte inzwischen seine Fassung wieder vollständig zurück gewonnen und reichte Elias das InterCom mit einem leicht unverschämten Blick.

„Ja, ja, gehen Sie!“, stieß der gerade noch so hervor. Die Enttäuschung raubte ihm kurzfristig den Atem. Mit zusammengekniffenen Lippen blickte er Singh Fatwi hinterher, als Hu zögernd an ihn herantrat.

„Es tut mir leid, ehrlich. Alle Anzeichen sprachen dafür, dass er Ihr Mann ist! Ich verstehe das auch nicht. Es stand so in der Personal File, auch die Sache mit dem Implantat. Ich …“ Hilflos hob sie beide Hände als Zeichen der Entschuldigung.

Ohne ein Wort gab Elias der stämmigen Frau Sim-Translator und InterCom zurück, dann machte er kehrt, die Securitys im Schlepptau. Sein Innerstes war in wildem Aufruhr. Wieder waren Informationen manipuliert worden. Und er gleich mit! Ihm kam es so vor, als wäre jede offizielle Behörde von hier bis Hanseapolis verseucht. Er konnte niemandem trauen.

Als er zwanzig Minuten später in sein KABUFF stürzte, war er blind für Milo, der auf der Liege saß und scheinbar auf ihn wartete. „So ein Dreck!“

„Bitte?“, kam es höflich zurück.

Ruckartig riss Elias den Kopf zur Seite. Seine Augenbrauen zogen sich bedrohlich zusammen, doch so etwas beeindruckte ein Hologramm kaum.

„Was willst du? Hab ich dir nicht gesagt, dass du dich verdünnisieren sollst?“

„Ja schon“, antwortete der Page gelassen. „Aber es ist eine Nachricht für Sie eingetroffen.“

„Ach ja? Von wem?“

„Weiß nicht. Ein White-Mail wurde in den Türcounter geworfen. Ich hab’s durchleuchtet. Es ist sauber.“

Elias war perplex. Das wird ja immer besser! „Eine handgeschriebene Nachricht?!“

„Ja“, antwortete Milo ungerührt. „Sie liegt noch im Counter.“

Elias. 17.00 Mondzeit, Abschnitt Natternkopf, Galerie 96, Habitat 8. Ein Freund. Elias’ Gehirn lief auf Hochtouren. Eine Falle? Wollte man ihn endgültig aus dem Weg räumen? Abschnitt Natternkopf ... Beinahe hätte er gelacht. Wie passend!

„Milo? Bist du eigentlich an dein Habitat gebunden oder kannst du dich auch an andere Orte projizieren?“

Das Hologramm betrachtete seine Füße, ohne zu antworten. „Nun? Was ist?“

Immer noch Schweigen.

„Ah, ich verstehe. Du bist an dieses Zimmer gekettet. Ganz schön armselig.“ Elias wandte sich demonstrativ ab.

„Nein! Äh, beziehungsweise, na ja …“

„Was denn nun?“

„Sagen wir es mal so. Ich habe einen Weg gefunden, mich in andere Holo-Schnittstellen zu transferieren. Es kann ganz schön langweilig werden, hier allein im Habitat.“

Elias lächelte grimmig. „Wie wär’s mit etwas Abwechslung?“

Mit einer eleganten Bewegung stellte sich das Hologramm auf die Füße und schaute den großen Cop feierlich an. „Was soll ich tun?“

Eine knappe Viertelstunde später war Milo wieder da. Seine Augen leuchteten. „Das hat Spaß gemacht“, entfuhr es ihm. Dann bemerkte er Elias’ ungeduldiges Stirnrunzeln und beeilte sich zu berichten. „Also, der Weg bis zur Galerie 96 ist ok. Da hält sich niemand auf. Aber vor dem Habitat 8 halten ein Mann und eine Frau Wache. Sie sehen aus wie Zwillinge, irgendwie …“, Milo suchte sichtlich nach Worten, „… makellos! Zuerst dachte ich, sie seien meinesgleichen, aber es sind Menschen. Ich würde Ihnen raten, vorsichtig zu sein. Ich glaube, sie sind gefährlich. Ins Habitat selbst konnte ich mich nicht transferieren.“ Milo machte eine kleine Pause. „Sie sind trotzdem mit mir zufrieden, hoffe ich?“

Elias nickte geistesabwesend. Er war geschockt. Die Bruderschaft? Hier? Dieser Tag geizte nicht mit Überraschungen! Lange Zeit verweilte er bewegungslos und dachte nach, während Milo stumm daneben saß und auf weitere Instruktionen wartete. Die aber kamen nicht. Stattdessen stand Elias auf, steckte wortlos seinen HK-X245 Laser ein und verließ das Zimmer.

Er ist da, Schwester.

Ich weiß.

Die beiden schlanken Gestalten, deren Seelen zu einem tödlichen Wesen vereint waren, verschmolzen mit ihrer Umgebung; die Nano-Partikel im Chamäleon-Stoff ihrer Tarnanzüge leiteten das weiße Licht der Galerie vollständig um. Regungslos standen sie vor der Tür des Habitats Nummer 8 Spalier und beobachteten die Galerie mit Argusaugen. Ihren geschulten Sinnen entging nicht die kleinste Luftbewegung und so spürten sie Elias’ Anwesenheit, ehe sie ihn überhaupt erblickten.

Als sich dieser vorsichtig näherte, den Laser im Anschlag, traten sie einen kleinen Schritt vor, wodurch sich der Lichteinfall auf ihren Anzügen leicht veränderte und ihre Konturen sichtbar wurden. Elias blieb stehen. Es verging eine kleine Ewigkeit, dann verbeugten sich die beiden Gestalten kaum merklich vor ihm. Elias erwiderte die Geste, indem er den Laser wegsteckte. Zeitgleich öffnete sich die Tür zum Habitat und die beiden Gestalten verschmolzen wieder mit der Wand. Zögernd trat Elias ein.

„Wir beide waren früher einmal wie sie.“

Als Elias die Stimme hörte, gefror ihm das Blut in den Adern. Sie war klar und kalt wie geschliffenes Glas. Und er hatte sie zum letzten Mal vor zwanzig Jahren vernommen.

„Aidan …“, flüsterte er entsetzt.

Die große Gestalt vor ihm machte einen Schritt nach vorn und Elias sah, dass sich der Mann aus seiner Vergangenheit kaum verändert hatte. Eine Ausgeburt der Hässlichkeit mit beulenübersätem Gesicht und weit auseinander stehenden dunklen Augen. Seine stolze und anmutige Haltung stand dazu im krassen Gegensatz.

„Was tust du hier?“, frage Elias atemlos. Er war in seinen Grundfesten erschüttert.

„Das hier ist unser Territorium. Du bist derjenige, der nicht hierher gehört.“ Aidans Ton war eisig.

Er hat mir nicht verziehen. „Was wollt ihr von mir?“

„Wir wollen, dass du von hier verschwindest! Der Kerl, den du suchst, ist nicht hier. Das war er nie.“

„Woher willst du das wissen?“, gab Elias zurück. Eine dumme Frage. Der Bruderschaft entging selten etwas, das wusste er. Aber was hätte er sonst sagen können?

Aidans Antwort war ein mildes Lächeln. Und dann: „Sahil Karesh hat Hanseapolis nie verlassen.“ Er lachte leise. „Du Narr.“

„Was? Aber …“ Elias’ Gedanken überschlugen sich. Der Trip hierher war umsonst gewesen?

„Sieh es als kleinen Urlaub an …“, ergänzte Aidan höhnisch. Er sah Elias’ fassungslosen Blick und ein bitterer Zug legte sich um seinen Mund. „Du vergisst, dass ich die meisten deiner Gedanken lesen kann. Immer noch … nach so vielen Jahren …“

Elias unterdrückte einen Schauer. „Aidan, es tut mir leid.“

„Leid?“ Es war ein Fehler gewesen Schwäche zu zeigen. Der andere Mann stürzte sich darauf wie ein hungriges Tier. „Leid? Wir waren einmal wie Brüder, du und ich. Nein, mehr als das. Seelenverwandte …“ Bei diesen Worten reckte er seinen rechten Arm hoch. Der Ärmel seines Hemdes fiel zurück und eine schwarze Onyx-Schlange, die der von Elias bis auf den letzten Stein glich, wurde sichtbar. „Wir beide waren unbezwingbar, aber du musstest alles zerstören! Du hast uns wieder zu unvollkommenen Wesen gemacht. Und das Schlimmste ist …“, seine Stimme war hasserfüllt, „… du bist jetzt einer von ihnen, ein Offizieller!“

„Ich bekämpfe das System auf meine Art …“ Selbst in Elias’ Ohren klang es wie eine lausige Ausrede.

Aidans spöttisches Lachen unterbrach ihn. „Wir wissen von deinen kleinen … Unternehmungen. Lächerlich! Damit erreichst du gar nichts.“ Er tat einen Schritt auf ihn zu. „Du hättest bei der Bruderschaft bleiben sollen, Elias. Wir packen das Übel an der Wurzel und reißen es heraus. Vollständig.“

„Aidan, eure Ziele mögen ehrenhaft sein, eure Methoden sind es nicht. Ihr lebt in einer Schattenwelt, eure Regeln sind alttestamentarisch …“, stieß Elias hervor und unterdrückte den Impuls zurückzuweichen.

„Wir sind nur konsequent.“

„Aidan …“ Elias ließ zu, dass ein Gefühl der Trauer seine Gedanken umspülte. „Ihr habt jeglichen Blick für die Realität verloren“, murmelte er.

Aidans schrilles Lachen traf ihn wie ein Peitschenhieb. „Du hast jeglichen Blick für die Realität verloren, Elias! Die Welt da draußen ist durch und durch verdorben. Du hast das Elend in den Tunneln doch mit eigenen Augen gesehen. Sie sind schlimmer als Tiere! Denen ist nichts heilig.“

Elias, der an Louann dachte, zog schweigend die Augenbrauen zusammen. Aidan achtete nicht darauf und schäumte weiter. Seine schwarzen Augen sahen durch ihn hindurch.

„Hanseapolis wurde auf den Prinzipien von Stärke und Gerechtigkeit gegründet. Und was ist davon geblieben? Nada. Nichts! Das einzige, was die Menschen antreibt, ist Geld und Macht. Die Offiziellen sind dabei die schlimmsten von allen …“

„Hör auf, Aidan!“ Elias hatte genug von den Litaneien. „Ich habe vor zwanzig Jahren meine Entscheidung getroffen. Sie ist unumkehrbar.“

„Ich habe dich geliebt …“ Aidans Stimme war nur noch ein Flüstern.

Elias schaute ihn an. Ein Riss in der Fassade. Beide schwiegen. Trauer und Bitterkeit lagen in der Luft. Ein kurzer Ruck im Boden ließ sie leicht wanken. Das zwanzigste Beben, seitdem Elias seinen Fuß auf den Mond gesetzt hatte. Er holte tief Luft.

„Was kannst du mir zum Verbleib von Sahil Karesh erzählen?“

Aidans Gekicher ließ ihn frösteln. „Das kann nicht dein Ernst sein, Elias!“ Er schaute ihn eiskalt an und wandte sich ab. „Von uns darfst du keine Hilfe erwarten. Von mir am allerwenigsten.“

Elias ließ sich nicht beirren. Offenbar war Aidan nicht ganz über ihn hinweg. Es war einen Versuch wert. „Was steckt wirklich hinter dem Mord an der Prostituierten? Was wollte Sahil vertuschen?“

Asimov …

„Was?“ Elias’ Herz schlug schneller. Hatte Aidan laut gesprochen oder hatte er einen seiner Gedanken erhaschen können? Vorsichtig trat er auf den schwarzhaarigen Mann zu, doch bevor er seine Hand auf dessen Schulter legen konnte, wirbelte dieser herum. „Verschwinde hier! Hau ab!“ Seine Stimme überschlug sich, Verletzlichkeit schwang mit. Er hatte Elias mehr offenbart, als ihm lieb war.

„Aidan“, sprach Elias sanft. Sein ehemaliger Waffenbruder wusste etwas, und er musste unbedingt herausfinden, was!

„Nein, Elias. Geh! Dich hierher kommen zu lassen, war ein Fehler. Ich werde mich gegenüber der Bruderschaft dafür rechtfertigen müssen.“ Aidan schaute auf, seine dunklen Augen waren leer. „Geh bitte …“, bat er noch einmal, dann drehte er den entstellten Kopf zur Seite.

Kurz starrte Elias ihn an, bevor er sich abwandte und den Raum verließ. Wie ein kalter Windhauch spürte er die Anwesenheit der beiden Wächter im Nacken, als sie ihn passieren ließen.

Elias’ Gesicht war schweißüberströmt, als er sein eigenes Habitat wieder betrat. Mit letzter Kraft lief er zum Fäkalbecken und übergab sich. Spasmen schüttelten seinen Körper. Seine Furcht zu unterdrücken und vollends aus seinem Geist zu verbannen, hatte ihn ungemein viel Energie gekostet. Hätte Aidan auch nur erahnt, wie viel Abscheu er ihm gegenüber empfand, er wäre nicht lebend aus dessen Quartier herausgekommen.

„Alles in Ordnung?“, fragte eine jugendliche Stimme in seinem Rücken.

„Milo … halte dich in Zukunft fern von Galerie 96.“ Mehr brachte Elias nicht heraus, bevor es ihn wieder schüttelte. Nur wenige Augenblicke später verließ er fluchtartig das Habitat und bestieg das nächste Shuttle zurück nach Hanseapolis. Er machte sich nicht einmal mehr die Mühe, Francis Soundso zu informieren.

Sektion 3|Hanseapolis / Sektion 3|Hanseapolis - Schattenspiele

Подняться наверх