Читать книгу Der Messias vom Stamme Efraim - Moische Kulbak - Страница 11
Erkenntnis
ОглавлениеDen ganzen nächsten Tag über lag der Müller auf dem Lehmhügel, der sich hinter der Mühle erhob. Er verstand allmählich den Lehm seines Körpers, sein Gesicht lag eingewühlt im Sand, und mit gekrümmten Fingern krallte er sich in die Wurzeln.
Reb Benje ging es sehr schlecht.
So lag er auf dem Berg und dachte, daß er jetzt ein Teil von ihm wäre und daß ein Grashalm, der unter ihm sprösse, nun durch seine Schultern wachsen müßte.
Und ihm war, als ob der Lehm atmete und sich zu Händen und Füßen formte, zu Köpfen und Brüsten und es keinen Unterschied mehr gab auf der Welt zwischen Benje und dem Lehm der Erde.
Eine ganze Woche lag er so auf dem Berg.
Die Kuh trottete allein über die Felder und stillte ihren Hunger an Stroh und süßem Nichtstun.
Benje hatte alles um sich vergessen und lag da wie tot.
Im Morgengrauen flog zuweilen eine Elster aus den Nebeln und ließ sich auf seinem Rücken nieder wie auf einem Schwein. Doch er achtete nicht darauf. Er lag in tiefem Schlaf, unfähig zu scheiden zwischen der Wirklichkeit und den Träumen, die ihm durchs Hirn gingen.
Und er wußte nicht mehr, ob er ein Mensch war oder ein Stein, der mit Flechten bewachsen am Wegrand lag.
Und eines Abends saß er kraftlos am Abhang des Hügels. Seine baumelnden Beine stießen gegen den Lehm, und er, Reb Benje, guckte, dachte an nichts, saß nur still da und guckte.
Er wußte nicht, was ihn in seinem Inneren zwang, alles zu schauen, doch es bereitete ihm großes Behagen. Allmählich erfüllte ihn ein Staunen, seine Augen wurden groß und rund, und für eine Weile vergaß er zu atmen.
Vor ihm erstreckte sich die Welt, weit und kalt, und Gott war in ihr.
Sie hallte wider wie eine blaue Eishöhle, und in dieser Höhle kroch er einsam herum wie ein schmutziger Bär.
Er stellte sich mit den Vordertatzen gegen die kalten Brocken und guckte und guckte. Er suchte IHN, Gott, der sich vor ihm verbarg.
Das funkelnde Eis der Höhle glitzerte blau.
Und da …
Da sah er IHN, Gott. Gleich darauf war er wieder verschwunden.
Aber er hatte Gott gesehen!
Und eine große Freude durchströmte seine Glieder, eine dünne und lichte Freude, er lächelte: Ein Joch war ihm vom Herzen abgefallen.
Reb Benje erhob sich, strahlend vor Freude und Güte, und plötzlich entrang sich seiner Brust ein Schrei, ein dumpfes Brüllen, wie das Brüllen seiner Kuh. Er stemmte die Hände in die Hüften, und die untergehende Sonne übergoß ihn mit Röte.
Reb Benje, der Müller, war geheiligt worden.
Im Westen standen im Licht der schwindenden Sonne gehäutete rote Ochsen, wie beim Berit bejn Habetarim – bei Gottes Opferbund mit Abraham.
Er verstand nun die Welt bis ins Mark seiner Knochen, bis in die brennende Haut seines Leibs. Lächelnd sah er auf die Kleider, die er trug: In Fetzen hingen sie an ihm herab, in Fetzen.
Reb Benje stieg den Hügel herab. Die alte Mühle war zugewachsen und älter geworden, und aus einer Wand sproß gar ein junger Baum.
Er ging zur Tür und wollte schon ins Zimmer treten, als ihm etwas Einhalt gebot: Er hörte eine Stimme voller Tränen und Freude.