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Die drei Besucher

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Reb Benje saß auf dem Erdwall am Haus und schaute hinaus auf den Weg. Es war ein heller Abend in Weißrußland. Als er die Augen hob, sah er drei Männer nahen.

Er stand auf und ging ihnen ein Stück entgegen.

Drei in Pelze gehüllte bärtige Juden mit Rucksäcken kamen schweren Schrittes aus dem Wald.

Benje trat auf die Wanderer zu und grüßte, die Fremden erwiderten seinen Gruß mit einem Nicken, sie blickten ihn an und brummten heiser, sagten jedoch kein Wort.

(Es gibt Menschen, denen es bestimmt ist zu schweigen.)

Reb Benje geleitete die Fremden zu seinem Haus und öffnete ihnen die Tür.

Die Männer beugten sich beim Eintreten unter den Türbalken, denn sie waren breitschultrig und hochgewachsen.

Im Hause herrschte schon Nacht.

Die Besucher legten Rucksäcke und Stecken langsam zur Seite, ihre Sachen rochen nach Teer und dem Duft des Waldes.

Reb Benje betrachtete seine Gäste mit großer Neugier.

Sie ließen sich auf die breiten Bänke am Tisch nieder, ihre großen Gestalten ragten ins Dunkel wie Stümpfe alter Baumriesen.

Reb Benje fragte sie, woher sie kämen.

Der älteste Gast hob die Brauen, zog eine Tonpfeife aus der Tasche und sagte:

»Aus Weißrußland.«

Mehr hatte Benje nicht zu fragen, seine Gedanken waren ihm ins Fleisch gewachsen.

In der trüben Finsternis glommen die blauen Scheiben, und die Juden legten ihre Pelze auf die Bänke.

Reb Benje zündete einen Kienspan an. Die Gäste sahen sich im Zimmer um und warfen seltsame Schatten an die Wände. Und die Kuh im Stall ahnte wohl etwas, denn sie verließ ihr warmes Lager und steckte ihren Kopf durch das Fenster zur Stube. Sie lauschte.

Reb Benje setzte sich still zu seinen Gästen an den Tisch. Er schaute sie an und wollte über etwas nachdenken, doch es gelang ihm nicht, sosehr er sich auch mühte.

Dann wandte er sich unvermittelt an die Männer:

»Freunde, was soll ich tun?«

Die Gäste blickten ihn stumpfsinnig an, und nach einer Weile fragte der älteste von ihnen:

»Hast du zu essen?«

»Ja.«

»Tue gar nichts.«

»Wirklich? Und wo ist der Sinn?!«

»Es gibt keinen Sinn.«

»Es gibt keinen Sinn?!«

Und der älteste Gast, jener, der geantwortet hatte, kehrte ihm den Rücken, legte sich auf die harte Pritsche, bedeckte sich mit seinem Pelz und zog ihn bis über den Kopf. Die beiden anderen taten es ihm gleich. Sie wollten schlafen.

Reb Benje stand neben ihm.

Lange Zeit stand Benje neben dem ältesten Gast, dann verschränkte er die Hände auf dem Rücken und ging leise im Zimmer auf und ab. Die Kuh am Fenster schaute ihm dabei zu.

Plötzlich kam ihm ein Gedanke und es durchfuhr ihn heiß. Er trat an den ältesten Gast und zog ihn am Fuß:

»Und was kommt dann? Werde ich sterben?«

Der Gast suchte seinen Fuß mit aller Kraft zu befreien, doch Benje ließ nicht locker. Er rief nur noch lauter:

»Was ist? Werde ich sterben?«

Und er brach in Tränen aus.

»Sterben?«

Die Gäste erhoben sich auf den Bänken, und Benje jammerte, schlug an die Wände, rannte durchs Zimmer, riß sich keuchend die Kleider vom Leib und schrie. So weh tat es ihm.

Um Mitternacht standen die Gäste auf, wuschen die Hände und holten ihre Psalter hervor.

Zu viert setzten sie sich auf die Erde.

Der Lehmboden war kalt, denn es nahte ein kühler Morgen. Die Kuh stand noch immer am Fenster und fror. Es war kalt.

Die Juden sagten Psalmen, mit heiseren Stimmen und dunkler Leidenschaft.

Sie schlossen die Augen und schauten in eine andere Welt.

Sie lauschten nicht der Stimme, die sprach, sondern der finsteren Stille, die ihr Innerstes erfüllte und nicht nach außen drang:

Das Gebet eines armen Mannes, im Verborgenen, der sein Herz ausschüttet vor Gott …

Und in die Nacht züngelten die ersten Flammen eines neuen Tages.

Früh am Morgen hatte sich Benje ein wenig gefangen. Seine langen Hände baumelten herab, als gehörten sie ihm nicht, und deuteten knochig und kalt in die Psalter. Er betrachtete seine Gäste, beugte sich langsam zum Nächstsitzenden herab und fragte ihn leise ins Ohr:

»Was ist Eure Arbeit, mein Herr?«

»Wasserträger.«

»Und was seid Ihr?«

»Musiker.«

»Und Ihr?«

»Schornsteinfeger.«

Ihm gefielen die angesehenen Berufe.

Die Gäste hatten sich unterdessen erhoben und schickten sich an zu gehen.

Reb Benje strich um sie herum und wußte nicht, was er tun sollte.

Nacheinander küßten sie schweigend die Mesusa und traten hinaus ins purpurne Dunkel.

Die roten Beine angewinkelt, flatterte ein Storch vorbei, von einer Wiese zur nächsten. Mit seinen Flügeln streifte er fast ihre Köpfe.

Der dritte Gast, ein mürrischer Mann, der die Nacht hindurch geschwiegen hatte, redete sich nun in Hitze. Er war zornig auf Reb Benje, behauptete, daß jener nicht widerstehen würde, packte den überraschten Müller am Ärmel und wies auf den dürren Vogel in der Luft:

»Dieser Vogel ist ein Vogel«, knurrte er und starrte Benje tief in die Augen. »Und du bist ein Esel!«

Ja, er war boshaft. Wütend spie er aus und ging fort, ohne sich noch einmal umzudrehen. Reb Benje stand da wie vom Donner gerührt, er hatte nichts verstanden.

Da trat der älteste Gast auf ihn zu und meinte zum Abschied:

»Du wirst Versuchungen ausgesetzt sein, Benje!«

Und die drei Gäste folgten dem Weg zurück in den Wald.

Der Messias vom Stamme Efraim

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