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Simche Plachte

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Unweit der Mühle, ein paar Werst entfernt, wohnte ein Jude im Wald: Reb Simche Plachte.

Er hatte hart gearbeitet und sich gesagt: Hart ist das Leben so oder so, also lebe ich besser im Wald.

Er hatte sich ein Häuschen aus Zweigen und Gras gebaut und die Wände innen und außen mit Lehm verschmiert. Reb Simche Plachte war ein fröhlicher Mann, er nährte sich von Gemüse, trank Wasser und rauchte ein Kraut, das er selbst zubereitete.

Reb Simche hielt Hühner und Tauben. Hühner hielt er, weil sie Eier legten, die zum Essen taugten, und Tauben, weil sie Eier legten, die nicht zum Essen taugten.

Reb Simche traf sich mit niemandem, er war auch so glücklich.

Er lächelte ständig – rauchte seine Pfeife, schloß halb die Augen und lächelte: Zu wem, das wußte man nicht. Er redete laut mit sich selbst, denn er war immer allein.

Im Winter saß er in seiner Hütte und erzählte sich Anekdoten, im Sommer suchte er frische Wiesen und Waldlichtungen auf und vollführte dort allerlei Tänze.

Er war ein großartiger Tänzer!

Und der Frühling machte ihn vollkommen trunken: Als Sechzigjähriger stieg er dann auf die Bäume mit der Gewandtheit eines Buben.

Er betrug sich, als er wäre er nicht ganz bei Sinnen.

Reb Simche aß gerne die Blütenknospen der Bäume. Er kletterte durchs Zweiggeflecht und sang wie ein Kanarienvogel.

So lebte er dort im Wald.

Ja, Reb Simche sah aus wie ein Goi, auf dem Kopf trug er einen Strohhut und an den Füßen Schuhe aus Birkenbast, aber er hatte einen Bart, einen gewaltigen jüdischen Bart von lichtem Grau.

Sein Bart war wunderschön!

Als junger Mann war Reb Simche Wasserträger gewesen, in späteren Jahren wurde er dann ein chassidischer Rabbi, der bekanntlich einen frommen Tisch führt und ein großes Gefolge hat. Doch das Leben unter den Menschen war ihm gar zu beschwerlich. So ging er fort und ließ sich nieder im Wald.

Als Eremit.

Und wenn der Wind über Baumkronen bläst und Zweige abbricht, was tut Simche Plachte dann?

Mit der Pfeife im Mund sitzt er auf einem entwurzelten Stamm im Unterholz und lauscht und lauscht:

Die Nester fallen aus den Bäumen.

Angstvoll fliegen die Vogelmütter zur Erde hinab, doch ihre geschlüpften Küken sind schon tot. Nur da und dort regt sich noch ein nackter Flügel.

Ein Klagen hebt an.

Dann sitzt Reb Simche im Dickicht, er lauscht und lauscht, alle Haare am Körper sträuben sich ihm und zittern. Seine Zähne leuchten durch das Unterholz, und die Augen brennen vom Sturm.

Und wenn ein langer blauer Blitz in den Wald fährt und mit brennender Peitsche über die Bäume schlägt, was tut Simche Plachte dann?

Er richtet sich auf, die Hände zum Himmel gestreckt, und will ihn packen, den Blitz in seinem Lauf, und sein Bart ist zerzaust, und von seiner zottigen Brust steigt der Wasserdampf.

Simche Plachte war selber ein Wald!

Aber wenn es still wird.

Wenn der klare nasse Wald die Rufe der Kuckucksvögel erwidert und die Walderdbeeren wie Blutspritzer im Grase liegen.

Ja, dann!

Dann geht Simche Plachte durch den hallenden Wald, die Hände auf dem Rücken verschränkt, den Kopf hoch erhoben.

Und er trällert.

Und er schnalzt mit der Zunge

Und er schwingt seine Füße.

Tirili und tirila!

Er kannte kein Schamgefühl.

So lebte er allein im Wald.

Es war ein lieblicher Sommertag.

Reb Simche Plachte trat aus dem Wald und stellte sich auf die Landstraße. Er schlug einen Feldweg ein.

Nach ein paar Schritten stieß Simche Plachte auf eine Senke und sah eine Kuh grasen. Wie kam eine Kuh hierher?

Als er weiter hinunterging, sah er einen Juden im Morast sitzen, mitten im Dreck, einen Mann mit großem, geschwollenem Kopf und langen Armen, die ihm bis zu den Knöcheln reichten. Er hielt ein Psalmenbuch in der Hand, betete, wiegte seinen Oberkörper und war schwarz wie ein Stück Kohle.

Was bedeutete das?

Er blieb stehen und fragte:

»Wieso hast du dich hierher gesetzt?«

Der Jude gab schnaufend zur Antwort:

»Wo soll ich sonst sitzen?«

»Wo du sitzen sollst? Im Himmel, mein Lieber!«

Der Mann im Dreck erzählte ihm, warum und wieso: Es war Benje, der Müller.

Und Reb Benje erhob sich, schaute ihn mit flehenden Augen an und sagte:

»Hilf mir, mein Freund!«

Doch Reb Simches Gedanken waren schon woanders. Er fragte Reb Benje nach der Kuh:

»Gibt sie Milch?«

»Sicher gibt sie Milch.«

»Kann man ein wenig von der Milch probieren?«

Reb Benje meinte, daß er keinen Melkeimer hätte.

»Wozu einen Eimer?! Wer braucht schon einen Eimer?«

Und Reb Simche Plachte trat an die Kuh heran, kroch auf allen vieren unter sie wie ein Kalb und sog mit gierigen Schlucken die Milch aus ihrem Euter.

Er lief rot an, und Schweiß trat ihm auf die Stirn.

Der Messias vom Stamme Efraim

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