Читать книгу Atme oder stirb! - Monika Buttler - Страница 11
ОглавлениеMit Hypnose alles wegzaubern?
30. September 1987
Zufällig – zufällig? – lese ich in der bekannten, lauten Boulevard-Zeitung von Dr. Roquette. Ein richtiger Dr. med., der Hypnose macht. Sicher, das Blatt ist keine gute Empfehlung, aber dennoch ... Ich spreche bei Dr. Roquette auf Band, jeden Tag neu, und erhalte endlich einen Gesprächstermin. Sein Haus liegt im teuersten Schickeria-Viertel der Stadt, es öffnet mir eine Art Sekretär und bittet mich, zu warten. Ich sehe mich um: keine Zeitschriften, dafür ein paar Schallplatten, besungen von Dr. Roquette! Aber das muss ja nichts Schlechtes sein. Als ich ins Sprechzimmer trete, ziehen mich gleich zwei große graue Augen in ihren Bann. Das ist ja wie im Film! Ein Peter-van-Eyck-Typ von Anfang fünfzig, mit einer erotischen Dämonie im Blick, wie sie für einen Hypnotiseur nicht passender hätte sein können. Ich konzentriere mich auf die Wiedergabe meiner üblichen Geschichte und erfahre, dass die Chancen einer Heilung bei achtzig Prozent liegen. Etwas Sorgen bereiten mir die hohen Kosten von 400 Mark pro Sitzung. Aber so etwas scheint ja nach Ansicht des Arztes lösbar zu sein.
„Ich hatte eine Asthma-Patientin, die hat ihr Haus verkauft, um mein Honorar bezahlen zu können“, erzählt Dr. Roquette nicht ohne Stolz. Wir legen alle zehn Termine fest, beim ersten Mal soll ich die Gesamtsumme 4000 Mark mitbringen. Die Gesprächsstunde neigt sich dem Ende zu. Schon mehrmals hat Dr. Roquette die Hand über den Tisch gestreckt – endlich verstumme ich und lasse meinen 200 Mark-Scheck los.
Ich habe alle Termine bei Dr. Roquette telefonisch abgesagt! Sicher, ich bin seelisch am Ende, aber mein Kopf funktioniert hoffentlich noch. „Jeder Kranke gerät an den Therapeuten, für den er reif ist – und umgekehrt“, schreiben Dethlefsen/Dahlke. Wir, Dr. Roquette und ich, waren wohl nicht füreinander bestimmt. Bleibt nachzutragen, dass seine Lebensgefährtin ihr Geld als Wahrsagerin verdient.
Noch immer bin ich bei Frau Dr. von Schacht, der Lungenfachärztin. Sie ist eine ältere Dame und jene „Also, Kindchen“-Ärztin, von der ich anfangs berichtet habe. Abgesehen davon, dass Frau Dr. von Schacht meine insistierenden Fragen nach „Ursachen“ und „Heilung“ nicht hören will, ist sie ganz in Ordnung, hat mir sogar, für den Notfall, ihre private Telefonnummer gegeben. Sie wohne in der Nähe und würde herüberkommen, wenn ich in Gefahr wäre. Diese Gefahr ist bald da. Ich liege schon die ganze Nacht wach, kann fast nicht mehr ausatmen und schaufele immer mehr bronchialerweiternde Mittel in mich hinein. Einen Notarzt rufen? Ach, ich schaffe es schon, es ist doch gleich Morgen, dann kann ich sofort in die Praxis von Frau Dr. von Schacht. Mein Zittern und Herzrasen, verursacht durch die Medikamente, wird immer schlimmer, der Spasmus immer bedrohlicher. Mit letzter Kraft quäle ich mich, gezogen von meinem Mann, die Treppen zur Praxis hoch. „Mir ist so übel, ich glaube, ich sacke gleich weg“, bringe ich lallend hervor.
Frau Dr. von Schacht erkennt sofort die Lage – der Blutdruck ist total abgefallen! Mit bewundernswerter Ruhe und Präzision vollbringt die Ärztin jetzt ein kleines Meisterwerk: In einem genau austarierten Wechselspiel setzt sie blutdrucksteigernde und cortisonhaltige Spritzen und schafft es, zusammen mit ihrer Assistentin, mich langsam, langsam in die „Normalität“ zurückzuholen. „Meine Güte, das war aber letzte Eisenbahn“, meint Frau Dr. von Schacht, als ich mich wieder gefangen habe.
Trotz dieser rettenden medizinischen Leistung werde ich Frau Dr. von Schacht verlassen müssen. Unheilbar krank soll ich sein? Nein danke, nicht mit mir. „Sie sind ein freier Mensch“, sagt die Ärztin ohne Groll, als ich mich für immer von ihr verabschiede.