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Der fernöstliche Wundersaft

25. März 1987

Außerdem erzählt mir die Kosmetikerin von einem Mittel, mit dem ein Freund von ihr – selbst Arzt – sein Asthma im Griff hat. Solange er es einnimmt, hat er keine Beschwerden. Amborum-Spezial F heißt das geheimnisvolle Mittel. Es ist ein Saft, dessen Ingredienzien ein indonesischer Arzt zusammengestellt hat. Der Mann sitzt in den USA und versendet den Saft, wenn man ihm vorher 240 Mark schickt.

„Aber dabei muss man sich an einen bestimmten Ablauf halten“, erklärt Frau Rubin, „Ich besorge Ihnen die Adresse und eine Kopie, wie man es machen muss.“

Ich schöpfe wieder Hoffnung. Wenn sogar ein Arzt diesen Saft nimmt, dann muss es eine gute Sache sein. Auch könnte ich mich sicher daran gewöhnen, täglich einen Löffel Natur zu schlucken, wenn dadurch das Asthma verschwunden bleibt. Ich gehe zur Post, zahle wie vorgeschrieben und warte voller Ungeduld. Nach drei Wochen halte ich den Wundersaft in Händen. Ein braunes Gebräu, dessen 20 Inhaltsstoffe auf der Plastikflasche angegeben sind. Von meinem Apotheker lasse ich mir alle entschlüsseln. Sie reichen von Aurum (Gold) bis zu Piper nigrum (schwarzer Pfeffer).

„Und das soll helfen?“, wundert sich der Apotheker. Es hilft tatsächlich ein wenig. Ein paar Monate später erfahre ich des Rätsels Lösung, als mir meine Akupunktur-Ärztin einen Artikel aus dem „Deutschen Ärzteblatt“ in die Hand drückt. „Erneute Warnung vor Amborum-Spezial F“ heißt die Überschrift, und es ist zu lesen, dass dem Mittel nach Untersuchungen des „Deutschen Arzneiprüfungsinstituts“ unterschiedliche Mengen Cortison beigemischt wurden!

Dieser läppische falsche Sirup war allerdings gar nichts im Vergleich mit jenem gigantischen Betrug, in den ich ein Jahr später geraten sollte ...

Trotzdem blieb ich weiterhin anfällig fürs Fernöstliche. Auf derselben Etage mit uns lebt Frau Dr. Williger, eine bekannte Sinologin. Sie hat ihre Wohnung in eine spartanische Kultstätte umgewandelt und versucht, ihre Schüler mit Bewegungsmeditation zu harmonisieren. Tai Chi nennt man das. Sollte der Schlüssel zu meiner Heilung direkt vor meiner Tür liegen? Ich kaufe mir ein Buch über Tai Chi, kann mich aber nicht entschließen, dem Kreis dieser Jünger beizutreten. Ihre Bewegungen, die ich vom Fenster aus beobachten kann, sind ja sooo langsam. Und das alles ohne Musik ... Außerdem ist Frau Dr. Williger Raucherin, dadurch also völlig unglaubwürdig.

Dass ich durch und durch Westler bin, macht auch mein Besuch in einer Yoga-Schule deutlich. Von vielen Seiten habe ich gehört, dass Yoga etwas wunderbar Entspannendes sei und für mich bestimmt das Richtige, weil dabei die Atmung im Mittelpunkt stehe. In einem unmöblierten Raum liegen wir jeweils zu zehnt auf einer Matte und sollen etwas über unseren Rücken lernen. Das kommt mir bei meinem Bandscheiben-Vorfall durchaus zupass. Doch mein Bemühen erhält einen Dämpfer.

„Sie sind zu schnell“, sagt der Lehrer, „bei jeder Übung sind Sie zu schnell.“

Ein Hustenanfall treibt mich aus der Horizontalen hoch und setzt weiteren Versuchen ein Ende. Der Lehrer will gern den Schulleiter fragen, ob es ein spezielles Yoga für Asthmatiker gibt, aber ich winke ab. Tiefe Deprimiertheit lähmt mich, für eine weitere Stunde zuzusagen.

Zu Hause flüchte ich mich in die schöne Welt der Edelsteine, die mir aus Büchern farbig entgegenleuchtet und neue Hoffnung aufschimmern lässt. Bernstein, so lese ich, erwärmt die Bronchien. Als ich bei meinen Eltern einen Wunsch frei habe, lasse ich mir eine Bernsteinkette schenken. Ich trage sie monatelang hautnah auf den Bronchien. Dabei kann ich Gelb nicht ausstehen ...

Mehrere Schulmediziner hatten mich mit dem Wort „unheilbar“ konfrontiert. Fragte ich nach Ursachen, drucksten sie herum und wichen aus; gab ich jedoch zu verstehen, dass ich in Kürze meine Heilung erwartete, verrieten ihre skeptischen Mienen und ihr Köpfewiegen, dass ich meine Lage offenbar völlig falsch einschätzte. Ja, sie war hoffnungslos, und doch wollte ich sie einfach nicht akzeptieren. Ihr könnt gucken, wie ihr wollt, dachte ich, ich kriege das wieder weg. Allerdings hatten es mir einige Ärzte schriftlich gegeben: „Kann Asthma derzeit geheilt werden? – Die Antwort muss leider ‚nein’ lauten“, lese ich in einer der zahlreichen Pharma-Broschüren, die man mir mit auf den Weg gibt. Professor Arthur Jores, der berühmte Psychosomatiker, lastet die Situation seinen Kollegen an, wenn er schreibt: „Man zieht auch Klima-Allergene in Betracht, um sich selbst und die Patienten vor der beschämenden Erkenntnis der Unwissenheit über die Ursache einer so häufigen Erkrankung zu bewahren.“ Und einer so alten, könnte man hinzufügen. Die Krankheit war schon in der Antike bekannt; das Wort „Asthma“ ist griechisch und bedeutet „keuchendes Atmen“.

Ich hatte Krankheit immer nur als Blockierung betrachtet, als kurzfristiges Hindernis, das meinen gewohnten Tagesablauf oder auch interessante Aktivitäten unterbrach und deshalb schnell eliminiert werden musste. Obwohl ich schon zwischen meinem dreißigsten und meinem vierzigsten Lebensjahr eine Serie von Krankheitssituationen durchzumachen hatte und fast jedes Jahr in eine Klinik musste, nahm ich nach einer solchen Zwangspause meine Ziele, vor allem die beruflichen, ungerührt wieder auf.

Im Alter von 36 Jahren wurde ich einmal von einer 48-jährigen Malerin, bei der ich einige Tage zu Gast war, wegen meiner Jugend, meiner Verehrer, meiner Stellung als Redakteurin und meiner scheinbar sorglos-naiven Attraktivität offen beneidet. Als sie dann aber von der „Krankheitsbilanz“ meines bisherigen Lebens erfuhr, wirkte sie sichtlich erschüttert und hörte mit ihren spitzen Bemerkungen auf. Und diese Bilanz sah so aus: Nach der Bandscheiben-Operation ließ ich mir den Bauch aufschneiden, um meine Gebärmutter-Knickung beseitigen zu lassen. Klar, ein freiwilliger Entschluss. Aber aus meiner Sicht nötig, denn sonst hätte es mit der Empfängnis nicht geklappt. Und ich hatte mich – ich ging auf Mitte dreißig zu – entschieden, ein Kind zu bekommen. Mein damaliger Mann war allerdings von diesem Gedanken nicht begeistert. Ich weiß noch, wie er mit mir schimpfte, als ich mich ins Krankenhaus begab. „Das ist doch pervers, nur um Kinder zu kriegen, eine solche Operation auf sich zu nehmen.“

Immerhin gab er meinem Kinderwunsch nach – ich habe nichts gegen seinen Willen getan. Doch zum Glück für ihn und von heute aus betrachtet für uns alle, ging die Sache schief: Ich erlitt meine erste Fehlgeburt. Ich erwartete männliche Zwillinge, hatte nach Auskunft des Arztes aber keine Chance, sie zu behalten, da sich der Mutterkuchen an der Seite statt oben in der Gebärmutter angesiedelt hatte. Der Arzt wollte mich deshalb von den Zwillingen „befreien“, aber ich lehnte ab. „Dann gehen Sie mal eine Stunde lang spazieren, danach wird es aus sein“, prophezeite er. Und so war es. Mich erfasste ein Schüttelfrost, der nur durch eine Spritze zu stoppen war; im Kreißsaal fühlte ich überall Blut unter mir, dann kamen unter Schmerzen zwei blutverschmierte Wesen aus mir heraus, die sofort weggetragen wurden.

Ein Jahr später die zweite Fehlgeburt, diesmal war das Geschlecht noch nicht erkennbar. Eine Ursache konnte man nicht finden. Mein damaliger Mann und ich ließen unser Erbgut untersuchen – es war alles in Ordnung.

Diese Erlebnisse hatten mich traurig gemacht, gewiss. Aber doch nicht untröstlich. Ich hatte die Signale meines Körpers verstanden und hätte eine dritte Schwangerschaft nicht riskiert. Kurz danach kam die Scheidung, und ich war froh, nicht allein mit zwei Kleinkindern dazustehen. Manchmal rechne ich nach, wie alt die Zwillinge jetzt wären ... Als Erinnerung blieb mir nur ein „Mutterpass“.

Habe ich noch etwas vergessen? Ja, die Gehirnerschütterung, mit der ich im Krankenhaus landete, nachdem mich ein Tänzer bei der Rock’n Roll-„Butterwaage“ hatte fallen lassen ...

Fünf Krankheitsereignisse in sechs Jahren – das war die Bilanz. Und doch fühlte ich mich damals in meiner Lebensqualität nicht beeinträchtigt. Ich war eine fröhliche Stehauffrau.

Atme oder stirb!

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