Читать книгу Atme oder stirb! - Monika Buttler - Страница 5
ОглавлениеEin Anthroposoph und ein Homöopath
24. September 1986
Mit Dr. Brockmann habe ich jetzt nur noch per Post Kontakt, um meine Rezepte für die lebensnotwendigen Medikamente zu erhalten. Es ist klar geworden, dass er mir weder die Ursachen nennen noch mich heilen kann. So startet meine große Ärztetournee – in sieben Jahren konsultiere ich 25 Mediziner – , beginnend mit dem ersten Ausflug in die Alternativ-Szene. Eine asthmakranke Architektin hatte mir von Dr. Fehrs erzählt, einem anthroposophischen Arzt, der ihr mit pflanzlichen Spritzen geholfen habe. Obwohl sie in der Krankenkasse ist, gibt sie vierteljährlich 600 Mark für diese Behandlung aus. „Inzwischen könnte ich ohne Dr. Fehrs gar nicht mehr existieren“, gesteht sie ohne Scham ihre Abhängigkeit. Selbstverständlich bin auch ich sofort bereit, monatlich mehrere Hunderter hinzublättern, um endlich von dieser widerlichen Krankheit befreit zu werden.
Dr. Fehrs empfängt mich, eingekeilt von Büchermassen. Obwohl ein paar Köpfe kleiner als ich, schafft er es doch, von seinem Schreibtisch aus in großer Distanz auf mich herunterzublicken. Unbewegt hört er sich meine Geschichte an, dann sagt er näselnd: „Mögen Sie sich da einmal hinlegen?“ Am Schluss der Untersuchung drückt er an meinem Rücken herum und stellt kranke Nieren fest (ich hatte noch nie etwas an den Nieren).
Ich habe den Eindruck, dass er Frauen nicht leiden kann; aber da er vielleicht der Einzige ist, der mir helfen kann, frage ich ihn nach den Kosten für die Behandlung. Hier möchte sich Dr. Fehrs aber in keiner Weise festlegen, und so gehen wir auseinander, ohne einen Termin festgemacht zu haben. Noch einmal wende ich mich mit einem dringlichen Brief an ihn, ich möchte gern ungefähr den Preis kennen. Doch statt einer Antwort erhalte ich eine Rechnung für unser Gespräch: 78 Mark. Später erfahre ich und nehme es verwundert zur Kenntnis, dass Dr. Fehrs als absoluter „Geheimtipp“ für chronische Krankheiten gilt.
Konnte die anthroposophische Medizin überhaupt eine Chance bieten? Rudolf-Steiner-Schule, Waldorf-Schule – ich wusste nicht viel darüber. Ich hatte mal ein Buch von Rudolf Steiner in die Hand genommen, meinen Leseversuch aber nach wenigen Kapiteln wieder aufgegeben. „Er kann einfach nicht gut schreiben“, äußerte ich respektlos in der Anthroposophischen Buchhandlung und erbat mir erstmal eine Einführung in sein Werk. Meine Freundin Ulli, Journalistin wie ich, die von einer anthroposophiegläubigen Bekannten missioniert werden sollte, hatte die gleichen Schwierigkeiten. Mit „Geistgestalt“ und „Lebensleib“ können wir beide bis heute nichts anfangen. Trotzdem hatte ich später nichts dagegen, als ich in zwei Krankenhäusern anthroposophisch behandelt werden sollte.
Während die Schulmedizin mit Symptom-Unterdrückung mein Überleben sichert, geht auf der nicht-allopathischen Schiene meine Suche weiter. Dr. Morgner, Kassenarzt für Naturheilverfahren, ist ein junger, cooler Typ. In seinem Wartezimmer umgibt mich Öko-Touch: Sisalboden, Grünlilie und abgerundetes Holzspielzeug signalisieren die Affinität zu natürlichen Heilwegen. Dr. Morgner geht homöopathisch vor. Während ich vor ihm sitze, studiert er dicke Arzneibücher, blättert und blättert und blättert. Endlich hat er ein paar Mittel mit den passenden Potenzen gefunden. Er überreicht mir das Rezept.
„Nehmen Sie diese Tropfen, wundern Sie sich aber nicht, wenn beim ersten Mal eine Bombe hochgeht.“
Unbehagen kriecht in mir hoch. Gemeint war, wie ich später erfuhr, die sogenannte „Erstverschlimmerung“ in der Homöopathie.
Wochenlang schlucke ich konsequent die verordneten Tropfen. Aber weder geht eine Bombe hoch, noch ändert sich irgendetwas an meinem Asthma. Es passiert einfach gar nichts. Bevor ich eine Entscheidung für oder gegen Dr. Morgner treffen kann, ist er in eine andere Stadt umgezogen.
Noch immer schwelt meine Sinusitis weiter. Mein HNO-Arzt, Herr Dr. Paulsen, der inzwischen alle Register seines Könnens gezogen hat, empfiehlt nun, mich in der HNO-Abteilung der Uni-Klinik untersuchen zu lassen. Nachdem ich dort einen Vormittag meiner Arbeitszeit versessen habe – Anmeldung gibt es nicht – , komme ich endlich an die Reihe. Wieder einmal werden meine Nebenhöhlen geröntgt. Angesichts der „beidseitigen Verschattung“ rät mir die dort tätige Ärztin dringend zu einer kompletten Nasenoperation. Ich sage, dass ich es mir überlegen werde, innerlich steht mein „Nein“ bereits fest. In diesem Fall, und nicht nur in diesem, berufe ich mich gern auf Manfred Köhnlechner und sein Buch „Vermeidbare Operationen“. Im Übrigen kenne ich eine Dame in meinem Alter, die schon 14 Nasenoperationen mitgemacht hat und ihr Asthma trotzdem nicht losgeworden ist.
Oft kommt mein Schwager zu Besuch und bringt mir Sprays und andere schulmedizinische Medikamente mit. Nader, der Bruder meines Mannes, ist Oberarzt in der Chirurgischen Abteilung eines Krankenhauses. Asthma ist nicht sein Gebiet, aber er fragt überall bei Kollegen herum, um Hilfe für mich zu finden.
„Die Sinusitis muss ausgeheilt werden, sonst hast du mit dem Asthma keine Chance“, meint auch Nader. „In den Nebenhöhlen kann sich eine Entzündung so einkapseln, dass auch ein Antibiotikum nicht heran kann.“
„Wozu haben wir überhaupt diese Höhlen?“
„Diese Höhlen tragen u.a. unseren Kopf“, erklärt Nader. „Ohne dieses System von Gewölben könnten wir unseren Kopf gar nicht halten.“ Trotzdem: An meine Nase lasse ich keinen heran.