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2. Kapitel 1.

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Bruno Meiser war zufrieden. Er hatte einen erfolgreichen Tag hinter sich gebracht. Als Manuela gegen Abend sein Atelier betrat, hörte sie ihn laut und falsch pfeifen.

»Der Künstler ist gut aufgelegt. Sag nur, du hast das Bild verkauft?«

Bruno warf die Pinsel beiseite, die er zwischen zwei Fingern balancierte und breitete seine Arme aus. Mit schnellen, katzenhaften Bewegungen lief sie auf ihn zu und warf sich mit einem kleinen Jauchzer an seine Brust. Er presste sie an sich.

»Au, du tust mir weh!«

Bruno lockerte sofort den Griff. Er vergaß immer wieder, wie schmal und zart sie war.

»Schätzchen, ich habe den ´Wintermarkt` verkauft.«

Die gute Nachricht! Sie küsste ihn überschwänglich. Seine schmalen Künstlerhände glitten über ihren Rücken. Erneut zog er sie an sich.

»Nicht jetzt, Bruno.«

Sie löste sich rasch aus seinen Armen.

»Erzähle!«

Sie übersah seine begehrlichen Blicke, registrierte die flüchtige Enttäuschung. Er setzte sich auf den einzigen freien Stuhl im Zimmer. Manuela glitt mit geschmeidigen Bewegungen auf seine Knie.

»Die Galerie in Rotenburg hat den ´Wintermarkt` gekauft.«

Er fischte einen Scheck aus dem Papierwust auf seinem Schreibtisch und wedelte damit vor ihrer Nase hin und her. Mit beiden Händen hielt sie seinen Arm fest, um die Summe lesen zu können.

»Eintausendzweihundert Euro!«

Entrüstet sprang sie auf. »Das Bild ist viel mehr wert!«, behauptete sie theatralisch, obwohl sie genau wusste, dass das nicht stimmte.

»Aber Schätzchen, die müssen doch ihre Handelsspanne dazu rechnen.«

Mit einem Schlag war seine gute Laune verschwunden. Hatte er nicht am Morgen genau so reagiert? Und genau mit diesem Argument war er abgespeist worden. Natürlich erzählte er ihr das nicht. Die junge Frau spürte den Stimmungswechsel sofort. Nur das nicht! Sie schmiegte sich wieder in seine Arme.

»Ach Bruno, ich finde, es ist ein schöner Erfolg, dass du das Bild so schnell verkauft hast. Ich freue mich mit dir.« Ihr Kuss war Lockung. »Das müssen wir feiern. Ist Sekt da?«

»Aber klar. Steht im Kühlschrank.«

Sie holte Gläser von einem Wandbord. Einen Schrank gab es in diesem Riesenraum nicht.

Bruno Meiser konnte Möbel nicht ausstehen. Er brauchte Platz für seine Werke und Luft für seine Gedanken. Freiräume! Besonders, da sein Atelier im Souterrain eines kleinen Fabrikgebäudes lag. Ein flüchtiger Bekannter, der in Ottenbeck einen Handwerksbetrieb führte, hatte ihm den ungenutzten unteren Teil des Hauses zur Verfügung gestellt.

Ein kleiner Schreibtisch aus billigen Hartfaserplatten, überwuchert mit Zeitungsausschnitten, unbezahlten Rechnungen, Notizzetteln mit Telefonnummern, deren Inhaber er oft nicht mehr zuordnen konnte. Ein heller Korbstuhl. Dahinter ein zusammengeklappter Tapeziertisch, der bei Bedarf Ess- oder Arbeitsplatte darstellen konnte. Ein paar Schritte weiter und mitten im Raum ein silberglänzender Bistrotisch mit drei Stahlstühlen. Eine nüchterne Insel. An der langen, weißgetünchten Wand stapelweise teils gerahmte, teils ungerahmte Bilder unter einer schmalen Fensterfront – Oberlichter wäre der richtigere Ausdruck. Gegenüber eine breite Schlafcouch mit einem wackeligen Teakholzhocker, lange schmale Wandborde, zwei Meter Kleiderstange mit ein paar unordentlich aufgehängten Kleidungsstücken und mehreren leeren Bügeln. Und ein alter, überdimensionierter Kühlschrank. Das alles war auf einer Fläche von ca. fünfzig Quadratmetern verteilt. Raum für Kunst, nicht für unwichtigen Alltagskram.

Die Staffelei stand an dem gardinenlosen Lichtband an der Schmalseite des Zimmers, vis-a-vis der Tür. Sie war umgeben von Scheinwerfern verschiedener Intensität. Es wirkte eher wie der Arbeitsplatz eines Fotografen, denn eines Malers, wäre da nicht diese Ansammlung von gemalten Bildern. Bilder, Bilder, wohin man schaute.

Manuela stieg über ein paar Farbtöpfe und öffnete den Kühlschrank. Der Anblick war – wie so oft – deprimierend. Eine Flasche billiger Sekt, der unvermeidliche Rotwein, ein Stück alter Käse. Mehr gab es nicht. Als sie sich bückte, stand Bruno schon wieder hinter ihr.

»Komm ins Bett«, flüsterte er mit rauer Stimme.

»Wüstling«, lachte sie. »Was willst du nun, trinken, oder …«

»Beides.«

Als sei sie eine Feder, hob er die junge Frau hoch und trug sie zur Couch.

Später lag sie entspannt an seiner Seite. Die Augen geschlossen, versuchte sie, den Dämmerzustand zwischen Wachen und Schlafen noch ein Weilchen festzuhalten. Bruno beobachtete sie. Er konnte sich nicht satt sehen an ihrer bronzefarbenen Haut, den Linien ihrer schmalen Glieder. Bruno Meiser war siebenundfünfzig Jahre alt, dreißig Jahre älter als seine Geliebte.

Vor drei Jahren im Urlaub waren sie sich begegnet. In Spanien an einem FKK-Strand hatte er sie eines Morgens zum ersten Mal gesehen. Sie saß mit ein paar Freundinnen plaudernd und lachend im feinen, weißen Sand. Sein Künstlerauge hatte sie entdeckt. Damals war es Liebe auf den ersten Blick. Heute würde er den Ausdruck Liebe nicht mehr verwenden. Begehren, ja. Was Manuela für ihn empfand, hatte er nie genau ergründen können und er fand, das hatte seinen Reiz. Sie war eine zärtliche und wilde Geliebte, launisch, unberechenbar. Immerhin war sie ihm nach Deutschland gefolgt. Und, obwohl sie Stade vom ersten Tag an spießbürgerlich fand, war sie geblieben. Ob aus Liebe oder anderen Beweggründen, war ihm nach drei Jahren Zweisamkeit nicht mehr wichtig. Sie lebte mit ihm zusammen, aber sie wohnte nicht bei ihm. Manuela hatte eine eigene kleine Wohnung gemietet und beharrte auf ihrer Selbständigkeit. Ihren Lebensunterhalt bestritt sie als Friseuse und Kosmetikerin in einem Salon in der Innenstadt.

Svenja Olufsson war ihre engste Vertraute. Die Schwedin und die Spanierin. Ein spannender Kontrast, der Brunos Künstlerauge immer wieder anregte. Außer Sport verbanden die beiden Frauen viele gemeinsame Interessen. Sie hatten sich in der Volkshochschule bei einem Nähkurs kennengelernt, hatten in der Tanzschule Hillmann einen Tangokurs besucht, und trafen sich oft und gern zum Shoppen, Bummeln oder einfach nur zum Quatschen.

Sanft strich er über ihre Schenkel. Manuela öffnete die Augen.

»Ich habe Hunger.«

»Ich auch. Nach dir.«

»Nein, auf Steaks und Salat. Du bist doch heute reich. Lädst du mich zum Essen ein?«

»Die Bank hat schon zu. Ich kann den Scheck jetzt nicht mehr einlösen. Darüber hinaus bin ich völlig blank. Mein letztes Geld liegt im Kühlschrank. Oder jedenfalls das, was man dafür bekommen kann.«

»Ich lade dich ein.«

»Ich habe noch Käse.«

»Den essen wir, wenn wir nach Hause kommen. Als Dessert.«

Sie wand sich aus seinem forderndem Griff, las die im Raum verteilte Unterwäsche zusammen und verschwand im angrenzenden Bad.

Seufzend stieg Bruno aus den Kissen. Er brauchte nichts zu essen. Sein chronischer Geldmangel hatte ihn zum Hungerkünstler werden lassen. Gerade als Manuela die Dusche aufdrehte, kam auch er ins Bad, dem einzigen abgeschlossenen Teil in diesem unteren Keller-Wohnbereich. Außer der Miniküche natürlich. Übermütig hielt sie den Wasserstrahl auf seinen erhitzten, sehnigen Körper. Mit schnellem Griff entwendete er ihr die Brause und ließ den warmen Strahl über ihren Körper gleiten. Sie griff nach der Seife. Ihre Hände machten sich selbständig, strichen über seine festen Lenden, hinterließen eine weiße sahnige Spur. Seine Bewegungen wurden fordernd. Noch einmal liebten sie sich.

Wenn die Idylle trügt

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