Читать книгу Wenn die Idylle trügt - Monika Heil - Страница 13

2.

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Als sie endlich das Atelier im Stadtteil Ottenbeck verließen, war es draußen schon dunkel.

Zuerst gingen sie in ihr Lieblingslokal, mehr Kneipe als Restaurant. Gern hätten sie andere Lokale als ihr Lieblingsrestaurant bezeichnet, wären sie nicht so teuer. Und dann schauten sie noch in der Bar vorbei, in der Manuelas Freundin arbeitete. Heute Abend war die Bar gut besucht. Svenja hatte wenig Zeit. Sie begrüßte Manuela mit einer flüchtigen Umarmung. Bruno nickte sie freundlich zu.

»Nehmt hier in der Ecke Platz. Ich komme gleich zu euch.«

Routiniert mixte sie die Getränke, lächelte geschäftsmäßig ihren Gästen zu. Die beiden Japaner wirkten auf den Barhockern größer, als sie tatsächlich waren. Und irgendwie erwachsener. Sie unterhielten sich in einer Sprache, die Svenja nicht verstand. Sie kümmerte sich nicht länger um die beiden. Ihre Gläser waren noch gut gefüllt. Daneben saß eine auffallend große Blondine. Sie redete lebhaft auf einen etwa gleichaltrigen Mann ein, der halb hinter ihr stand, ein Bierglas in der Hand.

»Du darfst den Gören eben nicht jeden Wunsch erfüllen«, zischte sie ihn an. »Du zahlst genug Unterhalt für deine Familie. Das muss doch reichen.«

Das unerschöpfliche Thema Geld und Liebe. Svenja wandte sich dem nächsten Gast zu.

»Noch einen Whisky?«

»Bitte, ja.« Dieser Sven war wieder da. Sie war sicher, dass er den Namen erfunden hatte, als sie ihren genannt hatte.

Lächelnd stellte sie das Glas vor ihn hin. Als er danach griff, berührten sich ihre Finger. Schnell zog sie ihre Hand zurück. Sie fing seinen Blick auf.

»Schon wieder Kummer?«, fragte sie leise.

Er schüttelte den Kopf.

»So würde ich es nicht nennen. Mein Katzenjammer von letzter Woche ist vorbei. Ich denke gerade darüber nach, was ich meiner Frau zum Geburtstag schenke. Das ist das Problem. Haben Sie nicht eine Idee?«

Svenja sah ihn überrascht an.

»Ich kenne Ihre Frau doch gar nicht. Wie kann ich da einen Rat geben, Herr …«

»Sven, haben Sie das vergessen?«

»Nein, natürlich nicht.«

Sie nannte ihre Gäste ungern beim Vornamen.

Neben Sven saßen zwei Herren, die sich nicht kannten und einträchtig miteinander schwiegen.

Was mache ich hier eigentlich?, fragte sich Svenja nicht zum ersten Mal. Geld verdienen. Ja klar. Das Paar stritt noch immer wegen irgendwelcher Kinder. Dieser Sven sprach von seiner Frau. Und ich? Schlage mich allein durchs Leben. Überzeugter Single war sie nicht. Vielmehr sehnte sie sich nach einer intakten Partnerschaft, hätte gern Kinder gehabt. Doch der Richtige war nicht in Sicht.

Vor mehr als einem Jahr hatte sie Karlshamn und ihr Elternhaus verlassen, war vor ihren Gefühlen geflüchtet und in Stade, der deutschen Partnerstadt gelandet. Das erste Mal war sie mit dem Lucia-Chor in die Hansestadt gekommen, hatte auf dem Weihnachtsmarkt gesungen und sich sogleich in die heimelige Atmosphäre der Stadt verliebt. Später hatte sie an mehreren kulturellen Austauschprogrammen teilgenommen und Freundschaften mit jungen Leuten aus Stade geschlossen. Die große Liebe war nicht dabei. Trotzdem fühlte sie sich inzwischen hier wohl. Im Gegensatz zu ihrer spanischen Freundin Manuela Gonzales, die sich gern über die Kleinstadtatmosphäre mokierte.

Endlich wandte sich Svenja ihrer Freundin zu.

»Na ihr zwei, wie geht es?«

»Prächtig, Bruno hat heute ein Bild verkauft.«

»Gratuliere! Was trinkt ihr? Darauf gebe ich einen aus.«

»Schampus«, reagierte Manuela prompt. Bruno hatte den Arm um ihre Taille gelegt und nickte bekräftigend. Svenja holte zwei langstielige Gläser und schenkte die Hausmarke ein. Sekt natürlich. Sie mochte die beiden. Manuela war lebhaft, liebenswürdig und Brunos Charme war mitreißend. Jedenfalls so lange er nicht zu viel getrunken hatte, was in letzter Zeit leider immer wieder vorkam. Ihm stand seine weiße Künstlermähne zu dem dunklen, fast südländisch wirkenden Teint. Auch wenn der nicht naturgebräunt sondern sportstudio-erworben war. Und seine strahlenden hellen Augen mit den vielen Lachfalten drumherum. Und sein weißes Löwengebiss. Und seine schmalen Künstlerhände, und, und … Alles an dem Mann sah einfach gut aus, wenn auch nicht alles echt war.

Svenja hatte eine Idee und fragte Bruno:

»Malst du auch Portraits?«

»Wenn´s genug einbringt, alles. Dann porträtiere ich auch des Teufels Großmutter.«

»Kennst du die denn?«

Verblüfft über ihre Schlagfertigkeit lachte er auf.

Svenja ging zu Sven zurück, der noch immer trübsinnig in sein nun schon wieder fast leeres Glas schaute.

»Was darf es denn kosten, Ihr Geburtstagsgeschenk?«, nahm sie den Faden wieder auf.

»Egal, Hauptsache, die Idee ist gut. Schmuck wäre keine.

Felia hat einen sogenannten runden Geburtstag und außerdem habe ich einiges gut zu machen.«

Das scheint mir auch so, dachte Svenja. Laut setzte sie hinzu:

»Was halten Sie von einem Portrait? Da drüben sitzt ein Freund von mir. Der ist ein begabter Künstler. Er malt auch nach Fotos.«

»Svenja, Sie sind ein Schatz. Die Idee ist gut!«

Über den Preis machte er sich keine Gedanken.

»Soll ich Sie miteinander bekannt machen?«

Gemeinsam gingen sie zu Bruno und Manuela. Svenja stellte Sven vor und erklärte, dass dieser eventuell an einem Bild von Bruno interessiert sei. Dann ließ sie die drei allein, und ging zu ihrem Tresen zurück, denn sie hatte zu tun. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie die Unterhaltung lebhafter wurde, sah, wie Sven ein Foto aus seiner Brieftasche fischte. Allerdings registrierte sie auch Manuelas flackernden Blick. Sie kannte dieses Anzeichen, sah, wie sie die Wattzahl ihres Lächelns immer stärker erhöhte.

„Svenja, bringen Sie mir bitte auch ein Glas und eine Flasche Sekt«, rief Sven ihr zu. Sie tat, wie geheißen, schenkte die drei Gläser ein. Dabei warf sie einen Blick auf das Foto, das auf dem Tisch lag. Schwarzes, halblanges glattes Haar umspielte ein schmales Gesicht, intelligente Augen blickten ernst. Das Kinn war selbstbewusst vorgeschoben, die Lippen geschlossen.

»Sie können sich gern in meinem Atelier umsehen«, bot Bruno gerade an.

»Das interessiert mich wirklich«, erwiderte Sven. »Wann würde es Ihnen passen? Abends könnte ich mich eine Stunde frei machen. Am Tag bin ich zu beschäftigt.«

Bruno, dem klar war, dass er den Auftrag nur erhielt, wenn er diesen Fremden von seinen Fähigkeiten überzeugen konnte, stimmte dem Vorschlag sofort zu. Sie einigten sich auf den nächsten Abend. Er überreichte Sven eine Visitenkarte.

Kunstmaler und Projektkünstler – Sven musste schmunzeln. Eine Adresse in Ottenbeck. Die Straße kannte er.

»Gut, dann bis morgen Abend gegen acht Uhr. Ich bin sehr gespannt.« Mit einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr erklärte er, es sei höchste Zeit für ihn, zahlte und verschwand.

»Mann, wenn das klappt, Bruno, dann war das heute wirklich dein Glückstag.« Manuela strahlte. »Morgen komme ich aufräumen.«

»Untersteh´ dich. Ich bin Künstler und kein Bilderverkäufer. Ein Genie braucht sein Chaos.«

Sie tranken die Flasche leer.

»Komm, der Käse wartet.«

In bester Stimmung verließen sie das Lokal. Am nächsten Morgen wachte jeder in seinem eigenen Bett auf.

Anders im Hause Lewandowski. Felia, die lesend auf der Couch saß, freute sich, als Sven nach Hause kam und sagte es ihm auch. Kurz darauf gingen sie gemeinsam schlafen. Frieden, wie schön, dachte Sven. Nur, wie lange würde er diesmal anhalten?

Wenn die Idylle trügt

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