Читать книгу Fatalis - Nadja Christin - Страница 4
Das Monster
ОглавлениеLeichtfüßig geht es über das zugeschneite Feld, es berührt den Boden kaum, hinterlässt keine deutlichen Fußabdrücke.
Seinen langen, dünnen Cauda hat es sich locker um die Hüften gelegt, er müsste ihn sonst hinter sich her schleifen. Die pelzige Spitze wippt bei jedem seiner Schritte im Takt.
Aus einiger Entfernung könnte man meinen, es stapfe ein Mensch durch den Schnee.
Wenn sein Kopf nicht wäre, dieser stierartige Schädel mit langen Hörnern, die aus der breiten Stirn ragen. Die Nüstern blähen sich immer wieder, aber es entstehen keine Atemwolken vor dem Maul des Halbstieres. Die Luft aus den Lungen ist zu kalt, es ist nichts an ihr, das kondensieren könnte.
Sein breiter, muskulöser Oberkörper ist nackt, jeder Muskel, jede Sehne ist durch die rotbraune Haut sichtbar. Am Ende der starken Arme haben sich lange Krallen gebildet, mit ihnen kann das Monster seine Beute packen und festhalten.
Die schlangengleichen Augen glühen bernsteinfarben, nur wenn es bereit zum Angriff ist, dann leuchten sie glutrot. Jetzt wirken sie völlig normal, ja fast schon menschlich. Die Beine stecken in Jeans und an den Füßen trägt es Converse Chucks.
Von der Gürtellinie abwärts sieht es ganz so aus, wie ein Mensch, ein Mann.
Aber es ist ein Semibos, ein Halbstier, ein Monster, ein Biest und Menschenfresser.
Mit dem Kopf eines Stieres, dem Oberkörper eines muskulösen Mannes. Ein langer, peitschenartiger Schwanz, der Cauda. Der Rest von ihm ist menschlich.
Der Semibos bewegt sich ein wenig schneller, er beginnt zu laufen. Während er die Arme hochnimmt und pumpend die Luft aus seinem Körper stößt, verwandelt er sich zurück. Er nimmt eine Körperform an, die es ihm erlaubt, sich frei zu bewegen.
Damit er nicht so auffällt, in dieser Welt…
Aber seine wahre Gestalt ist noch vorhanden, sie ist nur verborgen. Würden wir den Semibos anblicken, sähen wir einen jungen Mann, mit kurzen, braunen Haaren und einem freundlichen Gesicht.
Nur die bernsteinfarbenen Augen wirken vielleicht zu starr, sein Körper, etwas zu perfekt.
Der Stierkopf, die Muskeln und der Cauda sind nur trübe, wie ein schwacher, dunstiger Schleier umgeben sie immer noch seinen Körper.
Sie sind nur sichtbar, für denjenigen, der es sehen will.
Aber, … wer will das schon.