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7. Ein Techtelmechtel in der Telefonzelle

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Es war etwa zweiundzwanzig Uhr, als ich aus dem Portal heraustrat. Der Himmel war schwarz und übersät mit glitzernden Sternen. Der Anblick war wunderschön und selten. Normalerweise hing der Smog wie eine undurchdringbare Glocke über der Stadt, die es verhinderte, so etwas Schönes dort oben zu sehen. Ich atmete tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Es war angenehm die kühle Aprilluft durch meine Lungen strömen zu spüren. Man merkte, dass der Winter noch nicht lange her war. Am Tage schien die Sonne und der Himmel war strahlend blau. Aber die Nächte waren immer noch kühl. Ich straffte mich noch einmal und lief dann für eine meiner Patrouillen in die Nacht hinaus.

Wer hätte ahnen können, dass es so ruhig zugehen würde. Stunde um Stunde verging und nichts, aber auch rein gar nichts, geschah. Ich hatte sogar Zeit, mir die Auslagen in den Schaufenstern anzusehen, an denen ich vorbeikam. Ich verspürte eine gewisse Frustration wegen der Zeitverschwendung. Wo steckten die Monster heute nur alle? Vielleicht hatten sie heute einen Feiertag, der es ihnen verbot, ihrer täglichen Arbeit nachzugehen?

Mit einem Seufzer gab ich mich geschlagen und machte mich auf den Heimweg. Ich ging eine etwas andere Strecke zurück und kam an einem Park vorbei. Sonst sprühte dieser am Tage nur so vor Leben. Aber jetzt in der Dunkelheit wirkte er wie tot und ausgestorben. Die wenigen Laternen, deren Licht in Kreisen auf den Boden fiel, konnten an der düsteren Erscheinung nichts ändern. Ich wandte mich von dem Park ab und lief über die Straße. Von Weitem sah ich an der Ecke eine Telefonzelle. Es war ein seltener Anblick. Heutzutage gab es nicht mehr viele von ihnen. Im Zeitalter der Mobiltelefone waren sie überflüssig geworden. Das Licht darin war hell, und mit Erstaunen stellte ich fest, dass in der Zelle jemand war. Und als ich näher kam, erkannte ich, dass es zwei Menschen waren. Zuerst dachte ich, es sei ein verliebtes Pärchen, dass es vor Leidenschaft nicht mehr bis nach Hause geschafft und die erstbeste Möglichkeit nach etwas Abgeschiedenheit genutzt hatte. Aber dann fiel mir ein Arm auf, der schlaff herunterhing, während die andere Person sich über ihren Partner hermachte. Als ich genauer hinsah, kniff ich meine Augen vor Anstrengung zusammen, und ich sah, wie etwas an dem leblosen Arm hinunterlief.

Es war Blut!

Sämtliche Alarmglocken begannen in meinem Kopf zu schrillen, denn ich hatte begriffen, was dort vor mir lag.

Oh Mann, ich hasse diese Viecher!

Mein Herz fing an zu rasen. In meinem Mund war nur noch Trockenheit. Ich versuchte, meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Diese Situation brauchte meine volle Konzentration. Langsam griff ich unter meinen Mantel und versuchte, so wenig Geräusche zu verursachen wie es ging. Ich zog die Pistole mit den Silberkugeln heraus und holte das Holzkruzifix hervor. Vorsichtig setzte ich einen Fuß neben den anderen und lief um die Telefonzelle herum. Ich musste eine gute Position finden, von wo aus ich dem Vampir die Silberkugeln in den untoten Leib jagen konnte. Plötzlich wirbelte er herum und starrte mich mit seinen roten Augen an. War ich auf etwas getreten, sodass er mich gehört hatte? Oder hatte er mit seinen übermenschlich geschärften Sinnen mein wild hämmerndes Herz gehört?

Der Mund des Vampirs war blutverschmiert. Mir drehte sich bei dem Anblick der Magen um. Hinter ihm sah ich, wie sein Opfer zu Boden sank und dort leblos liegen blieb. Plötzlich flog die Tür der Telefonzelle auf, und durch die schiere Kraft des Trittes wurde sie aus den Angeln gerissen und das Glas zersplitterte. Eine Windböe fegte vorbei und trieb mir eine Welle des kupferartigen Geruchs des Blutes des Opfers entgegen. Meine Nase kräuselte sich vor Ekel. Es war ein Duft, den ich noch mehr hasste als den von Rosenkohl mit Muskatnuss.

Ich hob den Arm mit dem Kreuz in der Hand und zeigte ihm, womit er es zu tun hatte. Der Vampir fauchte mich wütend an.

Ich wusste, ich würde schnell sein müssen. Sehr schnell. Ich verweigerte es mir sogar zu atmen, und meine Augen zwinkerten nicht mehr, weil sie wussten, wenn sie es täten, würden sie verpassen, was als nächstes kam.

Alles passierte zur selben Zeit.

Der Vampir setzte zum Sprung auf die Straße an. Er schwebte noch in der Luft, da schoss ich bereits. Ein direkter Schuss ins Herz.

Ich traf ihn einmal.

Zweimal.

Dreimal.

Die Pistole war leer.

Mit zitternden Händen lud ich sie nach und entleerte sie ein weiteres Mal. Sicher ist sicher, dachte ich.

Mit erhobenem Kruzifix trat ich näher an den bewegungslosen Körper, der auf dem Asphalt lag. Ich richtete die Waffe weiter auf ihn. Mein Fuß schubste ihn an. Aber es passierte nichts. Der Vampir sprang nicht auf und fiel mich an. Erleichtert atmete ich aus. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich die Luft immer noch vor Spannung angehalten hatte. Es tat gut, wieder zu atmen. Trotzdem blieb ich wachsam und hielt die Pistole auf ihn gerichtet. Ich ging in die Hocke, um ihm das Holzkreuz auf die Brust zu legen, und sah zu, wie sich seine Gestalt veränderte. Die bleiche Haut wurde grau, und man sah die Adern hervortreten. Langsam schrumpfte der tote Körper. Die Kleider fielen ohne Widerstand zusammen. Und plötzlich sah man nur noch graue Asche an Stelle eines Kopfes und Hände und Füße aus dem Stoff herausragen. Das war das einzig Gute an diesen Untoten. Ich brauchte kein Aufräumteam, das sich um die Überreste kümmerte.

Angewidert nahm ich die Kleider auf, aus denen die Asche herausrieselte. Ich brachte die Stoffe hinüber zu einem Mülleimer. Dort würden sie niemandem auffallen. Der graue Haufen auf dem Boden würde vom Wind verweht werden, und alles würde so aussehen, als wäre nichts gewesen. Bis auf die Leiche in der Telefonzelle, die ich zurücklassen musste. Sie war jetzt eine von vielen, die unter die Rubrik ungeklärte Todesfälle bei den Polizeiakten fallen würde.

Obwohl ich den Pater nicht hätte anrufen brauchen, tat ich es dennoch. Ich wollte einfach seine Stimme hören, die mich nach diesem kalten und grauenerregenden Vorfall wärmte. Meine Hände zitterten immer noch, während ich auf der Tastatur meines Mobiltelefons herumtippte. Als ich ihm davon erzählte, war er noch aufgeregter als sonst. Er wusste ganz genau, welche Gefahr von ihnen ausging. Wir hassten diese Kreaturen beide am meisten. Am liebsten wäre Pater Michael gleich losgerannt, um mich abzuholen. Ich musste ihn mehrmals davon abhalten und versichern, dass es mir wirklich, wirklich gut ging.

Dann wandte ich mich um und ging nach Hause. Ich wollte nur noch weg von diesem Schauplatz des Todes.

Die Jägerin - Die Anfänge (Band 1)

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