Читать книгу Die Jägerin - Die Anfänge (Band 1) - Nadja Losbohm - Страница 5
2. Das Interview
ОглавлениеKlopf, klopf.
„Ist das Teil an? Okay, dann fangen wir mal an“, sagte der Reporter und sah mich erwartungsvoll an.
Es war fünfzehn Uhr nachmittags, und ich saß auf einer unbequemen Holzbank im Mittelschiff der Kirche. Mir gegenüber der Reporter Dan Meyers. Er war einer von diesen Schickimicki-Typen, die ich nicht leiden konnte. Seine braunen Haare glänzten von dem Gel, das er sich heute Morgen hinein geschmiert hatte. Seine Zähne blendeten mich, so weiß waren sie durch unzählige Bleaching-Sessions bei seinem Privatzahnarzt. Das Gesicht war glatt rasiert, und seine Haut war dunkelbraun von unendlichen Solarium-Besuchen. Ich hatte nie verstanden, wie sich die Leute so etwas antun konnten. Aber zum Glück liegen die Schönheitsideale bei jedem Menschen anders. Hätte man mich gebeten, sein Alter einzuschätzen, hätte ich es nicht gekonnt. Aber durch meine Recherchen wusste ich, dass er dreiundvierzig Jahre alt war und krampfhaft versuchte, sich jünger erscheinen zu lassen.
„Und wie soll ich anfangen?“, wollte ich wissen.
Er legte den Kopf schief. „Vielleicht sagen Sie als erstes einfach, wie Sie heißen, wie alt Sie sind und was Sie beruflich machen.“
Ich nickte und rutschte nervös auf meiner Bank herum. Ich fühlte mich wie in einer Selbsthilfegruppe, in der ich mich an meinem ersten Tag outete. „Also gut. Nun, ich heiße Ada Pearce, bin vierundzwanzig Jahre alt und arbeite als Vampirjägerin und Monsterschreck.“ Als die letzte Silbe in dem Raum verklungen war, glotzte mich der Reporter durch seine Brille erstaunt an. Was hatte er erwartet, was er hier hören würde? Ein Märchen von guten Feen, die in einem rosa Wunderland herumschwirren und nur mit ihrem Feenstab etwas fuchteln müssen und schon ist alles wieder in Ordnung? Blödsinn! So etwas gibt es nicht! Aber ich kann erzählen, was es wirklich gibt. Gruselige Missgeburten, mit zwei Köpfen, mehr als dem üblichen Augenpaar, deren Haut übersät mit Pocken ist und stinkt wie mein Hausmüll, wenn der bei 30 Grad Celsius im Schatten in seiner Plastiktüte vor sich hin fault. Es gibt Vampire in dieser Stadt, die im Schutz der Dunkelheit nach Beute jagen. Auch hinter mir sind sie her.
Ich machte eine bedeutungsschwangere Pause, damit der Reporter diese Neuigkeit erst einmal verdauen konnte. Er glotzte mich aber nur weiter ungläubig an. Ich rutschte erneut nervös auf der Bank herum und fügte dann mit einem unsicheren Lächeln hinzu: „Na ja und dann sind da noch die üblichen Verrückten, die sich für eben solche Geschöpfe der Hölle halten.“
Der Reporter lachte kurz auf, wurde aber sofort wieder ernst und lehnte sich nach vorn. „Also, ehrlich, Miss Pearce. Glauben Sie im Ernst, ich nehme Ihnen irgendetwas davon ab? Ich bitte Sie! Pockenmonster und Vampire? Zuletzt habe ich darüber in einem Buch gelesen, das meiner vierzehnjährigen Nichte gehörte.“
Ich konnte nicht anders und ahmte diesen schmierigen Kerl nach. Auch ich lehnte mich nach vorn und lächelte ihn süffisant an. „Also ehrlich, Mister Meyers. Können Sie wirklich so dumm sein und nicht daran glauben? Was denken Sie wohl, woher die Autoren ihre Ideen herhaben, mhh? In jeder Legende steckt immer ein Funken Wahrheit. Oh, ich liebe diesen Spruch“, seufzte ich und fasste mir theatralisch ans Herz. Nach einer kurzen Schwärm-Phase für Pater Michaels Zitat, blickte ich den Mann mir gegenüber an. „Seien Sie nicht blöde, Mann! Wenn Sie etwas noch nie gesehen haben, bedeutet es nicht, dass es nicht da ist! Ich habe Ihre Artikel gelesen, in denen Sie sich über die Monster unter Kinderbetten und in Schränken ausgelassen haben. Ich weiß, dass Sie sich oft über diese Ammenmärchen lustig gemacht haben, und genau deshalb habe ich Sie für dieses Projekt ausgewählt“, sagte ich und deutete mit einem abgebrochenem Fingernagel auf ihn. „Es wird Zeit, dass die Bevölkerung von der Gefahr erfährt, die in unseren Straßen lauert!“ Ich setzte mich wieder zurück und suchte nach einem Anzeichen dafür, dass der Reporter die Flucht ergreifen wollte. Er zuckte mit den Schultern und lehnte sich erwartungsvoll zurück.
Ich nickte nur kurz und sagte: „Ich erzähle Ihnen meine Geschichte. Und wenn Sie mir dann immer noch nicht glauben, nehme ich Sie gern einmal mit auf eine meiner Touren und zeige Ihnen, was sich unter den Steinen unter unseren Füßen befindet.“ Mein Gesicht verzog sich bei diesen Worten zu einem diabolischen Grinsen. Und ich war zufrieden, als ich sah, wie der Reporter mit großen Augen auf den grauen Stein unter uns blickte und angsterfüllt an seinem Kragen herumfingerte, um den Knoten seiner Krawatte zu lockern.