Читать книгу Die Ankündigung - Nancy Mehl - Страница 10
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ОглавлениеMit einem Kopfschütteln legte Special Agent Solomon Slattery, der Leiter der FBI-Außenstelle St. Louis, den Hörer auf. Er sollte Kaely Quinn mittlerweile kennen, aber sie war immer wieder für eine Überraschung gut. In all den Jahren beim FBI hatte er noch nie mit jemandem wie ihr zusammengearbeitet. Sie hatte nicht nur ein unglaubliches Talent. Sie war für ihre Tätigkeit geboren. Irgendwie war sie in der Lage, den verdorbensten Kreaturen, die diese Erde je hervorgebracht hatte, in die Seele zu blicken. Aber es war nicht nur das. Es war noch viel mehr.
Schnell wählte er eine andere Nummer. »Erwischt! Habe ich mir’s doch gedacht, dass du noch im Büro bist«, witzelte Solomon, als er die Stimme seines Freundes aus Nashville hörte.
Ein tiefer Seufzer drang an sein Ohr. »Ich versuche immer noch, diesen Kerl zu finden. Hast du was Neues für mich?«
»Wie wär’s mit einem Namen?«
Für einen Augenblick war es still in der Leitung. »Einem Namen?«, erwiderte Phil Thompson, der Polizeichef von Nashville, ungläubig. »Ich verstehe das nicht. Ich hatte ein Profil erwartet.«
Solomon lachte. »Sie meint zu wissen, wer euer Unbekannter ist.«
»Das glaube ich dir nicht.«
»Was du glaubst, ist deine Sache. Ich bin lediglich der Überbringer der Nachricht. Aber ich würde mal lieber nicht gegen sie wetten.«
Phil zögerte einen Moment. »Okay, spuck’s schon aus!«
Die Skepsis, die Solomon aus der Stimme seines Freundes heraushörte, ließ ihn schmunzeln. »Der Name eures Täters könnte Charles Morgan sein.«
»Nun mal langsam! Charles Morgan? Der Kerl, den wir nach dem zweiten Mord im Park vernommen haben? Seid ihr wahnsinnig? Der Typ könnte buchstäblich keiner Fliege was zuleide tun. Er ist einer von diesen wohltätigen Tierfreunden. Und arbeitet sogar für eine Tierschutzorganisation. Niemals!«
»Kaely hat euren Unbekannten als jemanden beschrieben, der sich für unerwünschte und misshandelte Tiere einsetzt. Er ist Vegetarier. Absolut unauffällig. Niemand, den man unter normalen Umständen verdächtigen oder auch nur bemerken würde. Wenn ihr Morgans Familienverhältnisse unter die Lupe nehmt, findet ihr bestimmt heraus, dass er als Kind von einem oder auch beiden Elternteilen misshandelt wurde, aber vermutlich eine Katze oder einen Hund hatte. Sein Tier wurde seine Familie. Mit Menschen kann er nichts anfangen. Hat wohl keine engen, dauerhaften Beziehungen. Aber Tieren fühlt er sich verbunden und versteht die Leute nicht, die keine haben wollen. Er hält sie tatsächlich für Egoisten, die für die Tiere verantwortlich sind, die keiner aufnimmt und die schließlich eingeschläfert werden. Das macht ihn zornig und er will Rache üben.«
»Das ist ja verrückt! Wie um alles in der Welt …?«
»Erstens haben eure Opfer nichts gemeinsam.«
»Das stimmt allerdings. Wir konnten keine Verbindung feststellen.«
»Keiner davon hat ein Haustier«, stellte Solomon sachlich fest.
»Da bin ich mir allerdings nicht so sicher.«
»Dann prüft das bitte.«
»Machen wir.«
»Ihr müsst auch eine Erklärung für die Tierhaare finden.«
»Welche Tierhaare?«, fragte Phil.
»Tierhaare auf den Kleidern der Opfer. Tierhaare bei ihnen zu Hause.«
»Wir haben nur ganz wenige gefunden. Bestimmt versehentlich dort eingeschleppt. Passiert andauernd. Freunde und Angehörige kommen zu Besuch und bringen ihre Tiere mit.«
»Kann sein, aber erklär mir mal die Hundehaare am Hals bei zwei Opfern.«
Solomon hörte, wie Phil Unterlagen durchblätterte. »Oh … okay.«
»Sie wurden mit einer Leine erwürgt. Einer Hundeleine.«
»Aber dieser Kerl … Ich meine …«
»Morgan ist stark genug, um jemanden von hinten zu erdrosseln, Phil. Vielleicht findet ihr bei den Opfern zu Hause eine Art Flugblatt. Du weißt schon – irgendeinen Spendenaufruf, zum Beispiel für ein Tierheim. Damit könnte er sich Zutritt verschafft haben. Selbst Leute, die keine eigenen Haustiere haben, können nur schwer Nein sagen, wenn jemand misshandelten Tieren helfen will.«
Diesmal sprach die Stille in der Leitung Bände.
»Ihr habt schon so was gefunden, stimmt’s?«
»Stimmt. Bei zwei Opfern in der Wohnung. Wir dachten, die seien in der Gegend verteilt worden.«
»Nein«, entgegnete Solomon. »Er hat sich damit Zugang verschafft. Weil er einen harmlosen Eindruck machte, haben die Leute ihn reingelassen.«
Phil schnaubte. »Jetzt warte mal. Die Opfer waren bereit, für den guten Zweck zu spenden, aber das war nicht genug?«
»Nicht für diesen Kerl. Vermutlich meint er, die wollen sich nur freikaufen.«
»Das ist doch Quatsch!«
»Oha … war das jetzt eine ernsthafte Bemerkung?«
»Nein. Also gut, wir sehen zu, dass wir ihn finden und noch einmal vernehmen. Ich halte dich auf dem Laufenden.«
»Ich bitte darum. Und … ach ja, dieser Kerl nimmt keine echten Trophäen mit, aber vielleicht entdeckt ihr ja leere Lebensmittelverpackungen aus den Wohnungen der Opfer. Ihr könntet sogar Spendengelder finden. Möglicherweise hat er sie noch nicht weitergeleitet, aber falls Schecks auftauchen …«
»Wir schauen. Und … Solomon …«
»Ja?«
»Ich danke euch. Es könnte sein, dass deine Agentin einen vierten Mord verhindert hat. Sie ist wirklich erstaunlich. Jemand wie sie ist mir noch nie begegnet.«
»Ich weiß. Und … übrigens, Phil, Special Agent Quinn ist sich durchaus bewusst, dass ihr es seid, die diese Fälle eigentlich lösen. Ohne Morgans Aussage in der Akte hätte sie diesem Kerl niemals auf die Spur kommen können.«
Vom anderen Ende der Leitung kam ein leises Lachen. »Ich weiß, dass sie Respekt vor uns hat, Solomon. Das ist einer der Gründe, warum wir sie so schätzen. Ich bin auch überhaupt nicht beleidigt. Nur sehr dankbar.«
»Seht einfach zu, dass ihr die nötigen Beweisstücke findet, um diesen Fall zu lösen, damit wir Kaely aus dem Spiel lassen können. In der Verhaltensanalyse sind ihre Alleingänge nicht so gern gesehen. Mach’s gut, Phil.«
»Du auch.«
Solomon legte auf und sah auf die Uhr. 20:30 Uhr. Eigentlich sollte er schon längst zu Hause sein, aber er war noch nicht fertig. Joyce, seine Frau, war in den letzten Monaten immer stiller geworden. Er wusste, wie sehr sie ihren Sohn Austin vermisste, der vor ein paar Monaten als letztes Kind das Haus verlassen hatte, um aufs College zu gehen. Ihre Tochter Teresa war nun im dritten Studienjahr und Hannah, ihre andere Tochter, schon verheiratet und lebte in Seattle. Das elterliche Nest war leer und Joyce fühlte sich verlassen und nutzlos. Er hatte gehofft, dass sie sich andere Beschäftigungen suchen und neue Interessen entwickeln würde. Aber bisher war das nicht geschehen. Sie schien so auf ihn fixiert und verlangte nach mehr Aufmerksamkeit, als er ihr geben konnte. Wenn er abends von der Arbeit kam, fühlte er sich körperlich und emotional ausgelaugt. Joyce wollte gern mit ihm auf eine zweiwöchige Kreuzfahrt in die Karibik gehen und lag ihm schon lange damit in den Ohren. Vielleicht würde es sich irgendwann machen lassen. Sein Stellvertreter konnte für eine Weile die Leitung übernehmen. Ron war zwar noch nicht lange da, aber er war eine hervorragende Vertretung. Und warum wehrte Solomon sich eigentlich innerlich gegen den Wunsch seiner Frau? Warum zog es ihn nicht nach Hause? Er griff zum Telefon und rief Joyce an, um ihr zu sagen, dass er nun endlich auf dem Weg sei. Sie klang bedrückt. Und er fühlte sich schuldig.
Kaely bremste vor dem Pförtnerhäuschen an der Einfahrt zu ihrem geschlossenen Wohnkomplex. Ernie Watts, der Wachmann, lächelte ihr zu und winkte sie durch. Als Polizist im Ruhestand sicherte er nun die Anlage, in der Kaely eine Eigentumswohnung hatte. Eigentlich hätte sie lieber auf dem Land gelebt, fernab der vielen Menschen. Aber Drohungen in der Vergangenheit machten einen gewissen Schutz unumgänglich.
Sie steuerte ihren Wagen auf ihren überdachten Parkplatz und stieg aus. Der Novemberwind blies ihr scharf ins Gesicht, als sie zu ihrer Eingangstür lief. Ihre Maisonettewohnung kam ihrem derzeitigen Lebensstil sehr entgegen. Sie war pflegeleicht und sicher, aber nicht mehr als ein Platz zum Schlafen und Arbeiten. Alex hatte oft gewitzelt, ihr Zuhause sei ungefähr so einladend wie ein Motelzimmer: schnörkellos, jedes Ding an seinem Ort, nichts, was nicht irgendwie funktional wäre. Aber genau so wollte Kaely es haben.
Sie schloss auf, trat ein und zog schnell die Tür hinter sich zu. Ihr erster Weg führte sie in die Küche, wo das Licht brannte. Ihre Freundin Georgie stand hinter der Küchentheke und lächelte sie an.
»Hallo«, begrüßte sie Kaely, als sie hereinkam. »Hast du Mr Hoover vergessen?«
Kaely seufzte. »Danke, dass du mich daran erinnerst. Eigentlich wollte ich gar nicht so spät kommen. Was wäre ich ohne dich?«
Ein Schmunzeln ging über Georgies freundliches, von braunen, welligen Haaren umrahmtes Gesicht. »Ich weiß nicht. Hoffentlich ist es okay für dich, dass ich mich reingelassen habe.«
»Klar. Du kommst immer genau zur richtigen Zeit.« Mr Hoover, Kaelys Kater, sprang auf die Anrichte und setzte sich. Ein schönes Kerlchen. Genau so hatte sie sich immer ihr erstes Haustier vorgestellt. Graue Streifen, eine weiße Nase und vier weiße Pfoten. Sie lächelte, als er anfing, laut zu schnurren.
»Bist du froh, dass du auf meinen Rat gehört und Mr Hoover in dein Leben gelassen hast?«, fragte Georgie.
»Ja. Du hattest recht. Er ist genial. Als Kinder durften wir keine Haustiere haben.«
»Ich weiß. Tut mir leid.« Ihre braunen Augen waren voller Mitgefühl.
»Danke, aber das ist schon okay. Vor allem jetzt, wo ich ihn habe.«
Der stattliche Kater schnurrte noch lauter, als habe er Kaelys Worte verstanden. Kaely hatte ihn richtig lieb gewonnen und sogar nach dem berüchtigten Direktor des FBI benannt. Bei ihren unregelmäßigen Arbeitszeiten und ihrer Eigenart, sich in Fälle zu verbeißen, war sie nicht so sicher gewesen, ob sie eine gute Haustierbesitzerin sein würde. Gut, dass Georgie immer in der Nähe war und sie daran erinnerte, was Mr Hoover brauchte. So war Kaely zuversichtlich, diesen Probelauf zu bestehen.
Kaely war sehr dankbar für Georgie. Eine Freundin, genau wie sie sie brauchte. Eine, mit der sie über alles reden konnte, die ihr aber andererseits nie zu nahetrat. Sie erinnerte Kaely an ihre beste Schulfreundin. Eine der vielen, die sie verloren hatte, nachdem ihr Vater festgenommen worden war.
»Was hattest du denn zum Abendessen?«, fragte Georgie.
Kaely goss sich ein Glas Eistee ein. »Den Nizzasalat mit Lachs. Er war ausgezeichnet, aber heute ist was schiefgelaufen.«
Georgie setzte sich auf einen der Stühle an Kaelys Küchentresen. »Wie meinst du das?«
»Ich war so in eine Akte vertieft, dass ich vergessen habe, wo ich war und ich … ich …«
»Du hast angefangen, mit jemandem zu reden, der gar nicht da war?«
Kaely nickte. »Ich kann das gar nicht glauben. Die Leute am Nachbartisch haben sich beschwert und Louis hat sie rausgeworfen. Das war mir vielleicht peinlich!« Kaely ließ sich auf den Stuhl neben Georgie fallen. Sie spürte die ersten Anzeichen von Spannungskopfschmerz und rieb sich die Schläfen. »Wie konnte ich bloß …? Vor allem nach dem, was in Quantico passiert ist …«
»Ach komm, meine Liebe, das war doch bloß ein Fehler. Sei nicht zu hart mit dir. Du verrennst dich so in deine Fälle, dass du manchmal vergisst, wo du bist.«
»Normalerweise nicht, aber Solomon hatte einen ganz dringenden Auftrag für mich. Und Louis besteht darauf, dass ich mich mindestens einmal im Monat zum Essen blicken lasse. Da dachte ich, ich könnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Offensichtlich war das keine gute Idee. Aber keine Angst: Ich nehme in Zukunft keine Akten mehr mit in die Öffentlichkeit.«
Georgie nickte. »Gut. Nimm sie lieber mit nach Hause. Hier hast du den idealen Ort, wo du sie in aller Ruhe studieren kannst.«
Georgie spielte auf Kaelys Arbeitszimmer im oberen Stock an. Dort waren an einer Wand ein großes Whiteboard und eine riesige Pinnwand aufgehängt, die sie benutzte, um Beweisstücke zu sortieren. Manchmal half ihr das, Verbindungen und Muster zu erkennen, aus denen ein stichhaltiges Profil entstehen konnte. Sie nannte diesen Raum ihre Einsatzzentrale. Hier setzte sie sich mit Leib und Seele im Kampf gegen das Böse ein. In einer Ecke hatte sie auch einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen aufgestellt. Gewöhnlich führte Kaely hier ihre »Vernehmungen« durch. Dieser Raum war der einzige in ihrer Wohnung, der ihr wirklich etwas bedeutete. Wenn sie nicht schlief, verbrachte sie die meiste Zeit hier in ihrer Einsatzzentrale, arbeitete an Fällen, dachte nach, war einfach sie selbst.
»Irgendwann muss ich mal anfangen, mich wie andere Ermittler zu benehmen. Niemand sonst kommt auf so seltsame Ideen.«
»Na ja, du bist eben nicht wie jeder andere. Und deine Methode leuchtet absolut ein, wenn man bedenkt, wie du erzogen wurdest.«
»Dir vielleicht, aber anderen nicht. Zumindest nicht in Quantico.«
»Ach, vergiss doch Quantico! Du bist jetzt in St. Louis und dein Chef, dieser Special Agent Slattery, hält dich für genial. Gib einfach dein Bestes hier. Dann ist alles gut.«
Kaely lächelte. »Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne dich tun sollte, Georgie. Du schaffst es immer, mich wieder aufzubauen. Das weißt du doch, oder?«
Georgie nickte. »Ja, dafür bin ich schließlich da.« Die Stirn in Falten gelegt, blickte sie Kaely einen Augenblick lang besorgt an. »Wie geht es dir denn wirklich? Ich meine, jetzt, wo Alex weg ist?«
Kaely nahm noch einen Schluck Eistee und zuckte mit den Schultern. »Ich habe kein Problem damit. Es war seine Entscheidung.«
Georgie lächelte. »Okay, also noch einmal von vorne. Und diesmal sagst du mir die Wahrheit.«
Kaely blickte ihrer Freundin in die Augen. »Ich vermisse ihn«, gestand sie leise. »Aber ich musste ihn gehen lassen. Er wollte … mehr. Das konnte ich ihm nicht geben. Verstehst du das?«
»Schon. Aber weißt du, irgendwann musst du jemanden in dein Leben lassen. Das ist gesund. Ich sehe, dass du versuchst, dich selbst zu schützen. Deine Arbeit hat oberste Priorität für dich. Aber Menschen brauchen Liebe, Kaely. Du bist jetzt vierunddreißig. Willst du einmal heiraten? Kinder haben?«
»Ich weiß nicht. Eigentlich vermisse ich gar nichts.« Sie lächelte Georgie an. »Ich habe doch dich und Richard. Das reicht mir.«
»Das reicht nicht, Kaely, und das weißt du ganz genau.«
Kaely trank ihren Tee aus und stand auf. »Nein. Richard ist extra aus Des Moines hergezogen, damit ich nicht so alleine bin. Er ist für mich der Vater, den ich niemals hatte. Ich kann gar nicht sagen, wie viel mir das bedeutet.«
»Na ja, der gruselige Reporter ist dir auch aus Des Moines hierher gefolgt. Das hat dir ganz bestimmt nicht geholfen.«
»Aber Richard ist nicht Acosta. Das sollte dir doch klar sein.«
Dr. Richard Barton war ein langjähriger Freund der Familie. Er und seine Frau Bella hatten Kaelys Eltern sehr nahegestanden. Sie waren damals am Boden zerstört gewesen, als Kaelys Vater sich als der »Lumpenmann« entpuppte. Vor allem, weil Richard Familientherapeut war. Er machte sich solche Vorwürfe, dass er Kaelys Vater nicht durchschaut hatte. Nach Bellas Tod folgte Richard Kaely nach Virginia, um sie zu unterstützen. Als sie dann nach St. Louis versetzt wurde, zog auch er noch einmal um. Er und Georgie waren die einzigen Menschen, denen Kaely vollkommen vertraute. Wann immer sie Mitgefühl, ein offenes Ohr oder ein ermutigendes Wort nötig hatte, war Richard für sie da. Sie wusste tatsächlich nicht, was sie ohne ihn tun sollte. Und Georgie konnte sie Dinge anvertrauen, die sie nicht einmal Richard sagen würde.
»Ich mag Richard auch, aber er ist schon fast 60. Und auch nicht so richtig dein Typ.« Georgie lachte. »Du warst tatsächlich noch nie verliebt. Reizt es dich gar nicht, zu wissen, wie das ist?«
»Nicht jede Frau braucht einen Mann, um sich als vollwertig zu empfinden, Georgie.« Kaely deutete zur Tür. »So sehr ich dich mag, aber bitte geh jetzt. Ich brauche ein bisschen Schlaf.«
Sonst verabschiedete Georgie sich immer sofort, wenn Kaely bereit war, allein zu sein – aber heute rührte sie sich aus irgendeinem Grund nicht vom Fleck.
»Was ist denn los?«, fragte Kaely.
»Weißt du noch, als wir mal über … ein Gefühl geredet haben? Dieses Gefühl, dass was nicht stimmt? Als ob bald irgendetwas Schlimmes geschehen würde?«
Kaely schmunzelte. »Du meinst, so eine dunkle Vorahnung wie im Star-Wars-Film, den wir neulich gesehen haben?«
Georgie stand auf und sah Kaely in die Augen – todernst. »Irgendetwas braut sich zusammen, Kaely. Ich weiß zwar nicht, was, aber ich spüre es. Du nicht?«
Kaely schwieg, als Georgie ging, aber sie musste zugeben, dass auch sie dieses Bauchgefühl schon seit Tagen mit sich herumschleppte. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie löschte die Lichter. Während sie im Dunkeln dastand, versuchte sie, die vage Befürchtung drohender Gefahr abzuschütteln. Irgendetwas lauerte im Verborgenen und nahm sie ins Visier.