Читать книгу Im Schellenhemd - Nataly von Eschstruth - Страница 6
Vorwort.
ОглавлениеEs war vor Jahren. Der Novembersturm brauste um die Seehalde am Bodensee, und Meister Joseph Victor von Scheffel legte meine Erzählung „Wolfsburg“ aus der Hand und sprach: „Wissen Sie auch, Fräulein Nataly, dass Sie just für solche Schriften aus der guten alten Zeit eine ganz besondere Begabung haben? — Wie stehts mit einem neuen Stoff aus den Tagen der lieben Ahnherrn?“ — Der Stoff ist schon da, Meisterchen, aber ich habe keine Courage ihn zu bearbeiten!“ —
„Erzählen Sie!“ — Das tat ich mehr wie gern, rückte behaglich an den Ofen und kündete dem Meister die Geschichte vom Irregang! — Er hörte voll lebhaften Interesses zu. „Und warum wagen Sie sich nicht an diese prächtige Sache heran?“ — „Weil es für ein junges Mädchen eine schwierige, fast unlösliche Aufgabe ist, einen historischen Stoff fehlerfrei zu behandeln.“ Der Meister schüttelte lächelnd das Haupt. „Ganz recht, und weil dies die Welt weiss, wird man auch nicht einen historischen Roman im vollsten Sinne des Worts von Ihnen verlangen; erzählen Sie den Leuten frisch und harmlos die Schicksale des Irregang, dann werden sie einem jeden wohlgefallen und man wird um des Kernes willen nicht zu strengen Massstab an die Schale legen. Skizzieren Sie den Roman und lesen Sie ihn mir beim nächsten Wiedersehen in Karlsruhe vor.“ — —
Mit Feuereifer begab ich mich damals an die Arbeit, und als der Winterschnee zu schmelzen begann, lugten die ersten Kapitelköpfchen darunter hervor. In dem gastlichen Elternhause des Dichters Heinrich Vierordt zu Karlsruhe ward Joseph Victor von Scheffel der aufrichtige Freund des Irregang. Sowohl er, wie die geistig so hochbedeutende Mutter Vierordts, lebten sich mit mir völlig ein in jene Tage, wo noch das Schellenhemd die Brust des ehrlosen Mannes deckte, und Meister Scheffel reichte mir beide Hände und sprach: „Nun eine Bitte meine liebe Freundin: Der Irregang ist ein gar wackerer Gesell, der Ihren Namen einst in Ehren weit durch die Welt tragen wird, und darum dürfen Sie sich keine Mühe verdriessen lassen. Arbeiten Sie langsam an diesem Werk, wachsen Sie zusammen mit dem Irregang heran! Suchen Sie sich mehr und mehr in seine Zeit zu vertiefen, studieren, verbessern, feilen Sie, setzen Sie Ihre beste Kraft ein für den Irregang und er wird’s Ihnen Dank wissen; schaffen Sie in erster Linie einen guten Roman und die Welt wird es Ihnen gern verzeihen, wenn er als Zeitbild nicht völlig korrekt ist!“ —
Jahre sind vergangen, und ich habe nach des Meisters Wort getan. Der Irregang hat inzwischen das „Schellenhemd“ über sein geächtet Haupt gestreift, und ist getrost hinausgezogen in die Welt, denn wenn auch die lieben Augen, welche einst so freundlich über ihm gewacht, sich für ewig geschlossen haben, so geleitete ihn doch: Meister Scheffels getreuster Segenswunsch! — —