Читать книгу Die Amulettmagier - Natascha Honegger - Страница 12

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Alaista Karantan

Es war kein normaler Traum, jedenfalls keiner von der Art, wie ihn Isa jemals zuvor erlebt hatte. Alles schien so wirklich zu sein: die Umgebung, die Geräusche, selbst der Geruch …

Sie befand sich in einem ihr unbekannten Raum. Von den Wänden bröckelte bereits der Putz und der Schein mehrerer Fackeln ließ Licht und Schatten unruhig über das unebene Gestein tanzen. Es schien, als wären sie zu lebendigen Wesen erwacht, dazu verdammt, bis in alle Ewigkeit um die Vorherrschaft zu kämpfen.

Isa beobachtete dieses Spiel eine Weile länger, ehe sie sich von dem Anblick abwandte. Der Geruch nach Staub und Zerfall lag in der trockenen Luft und rief ein unangenehmes Durstgefühl in Isas Hals hervor. Sie schluckte und fuhr mit der Zunge über ihre spröden Lippen. Dann schaute sie sich vorsichtig um.

Das Gewölbe musste Jahrhunderte alt sein, wenn nicht noch älter. An den Wänden reihten sich mehrere schwarz getünchte Regale, in denen verschiedene Objekte standen. Da gab es alte, in Leder gebundene Bücher, verschiedene, mit gefährlich aussehenden Essenzen gefüllte Fläschchen und eine Auswahl von Tontöpfen unterschiedlicher Größe.

All dies wäre an sich schon beunruhigend genug gewesen, doch Isa spürte zu allem Überfluss auch noch die bedrohliche Präsenz eines Fremden in ihrer Nähe.

Sie hielt nach ihm Ausschau, konnte ihn jedoch erst entdecken, als sie sich einige Schritte weiter in den Raum hineinwagte.

Die Gestalt hatte Isalia den Rücken zugekehrt und beugte sich über einen eisernen Kessel. Ein dunkler Kapuzenmantel umhüllte sie und Isa konnte nur die langen, dürren Finger sehen, die aus den weiten Ärmeln hervorlugten.

Ein brodelndes Geräusch lenkte die Aufmerksamkeit des Mädchens auf den Kessel, der zur Hälfte mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt war. Isa vermutete, dass es Wasser war, doch sicher war sie sich nicht.

Die Gestalt griff nach einer Phiole, wog sie kurz in den Händen und schraubte schließlich den Deckel ab. Isa sah, wie sie daran roch und dann zufrieden nickte. Kurz darauf ergoss sich ein feines, dunkelrotes Rinnsal in den Kessel. Dunkelrot wie Blut …

Isa schreckte zurück und musste ein Stöhnen unterdrücken. War das wirklich Blut? Oder täuschte sie sich? Alle ihre Härchen stellten sich zu Berge und sie spürte, wie Übelkeit in ihr aufstieg. Halt suchend tastete sie nach der Wand und lehnte sich dagegen. Alles drehte sich in ihrem Kopf. Der Mann hatte Blut in den Trank geschüttet, da war sie sich sicher!

Das Geräusch von Flüssigkeit, die auf Flüssigkeit traf, ließ sie zusammenzucken. Ein Zischen erklang und roter Dampf erfüllte die Luft. Isa hatte Mühe, sich nicht von der Szene abzuwenden. Doch sie musste wissen, was hier vor sich ging! Wieder fasste die Gestalt, die zweifellos ein Magier war, in einen der Tontöpfe auf dem Regal. Dieses Mal brachte sie einige kleine schwarze Steine von der Größe einer Haselnuss zum Vorschein.

Das Mädchen sog scharf die Luft ein.

„Höllensteine!“, dachte es. Isa hatte von diesen sagenumwobenen Steinen schon oft gehört. Es wurde gesagt, dass sie großes Unglück über all jene bringen, die sie mit reinem Herzen berühren. Und wenn man einen von ihnen aufbreche, so trete eine schwarze Flüssigkeit heraus, die die Haut verbrenne.

Mit einem durchdringenden Zischen und der Bildung einer tiefschwarzen Dunstwolke versanken auch die Steine im Kessel.

Nun begann sich die Farbe der Substanz zu verdunkeln. Die Luft im Raum schien dicker zu werden und Isa konnte kaum noch atmen. Die Gläser auf den Regalen begannen, zu klimpern, und alles schwankte, als würde die Erde beben. Eine unerklärliche Panik ergriff von Isa Besitz.

Sie wollte, dass der Traum endete, wollte so schnell wie möglich von dieser Gestalt weg. Warum erwachte sie nicht?! War es vielleicht gar kein Traum? Aber wie sollte sie hierher gekommen sein, wenn nicht im Schlaf?

Der Magier ging weiter seinen dunklen Machenschaften nach, warf Zutaten in den Kessel und schien nichts um sich herum wahrzunehmen. Erste Gläser krachten klirrend zu Boden und zerbrachen in tausend Stücke. Steine lösten sich aus den Wänden und von der Decke.

Isa nährte sich dem Mann. Was machte er da bloß? Er begann, Worte in einer fremden Sprache zu murmeln. Es waren düstere, längst vergessene Worte. Zuerst so leise, dass man es kaum hören konnte, dann immer lauter und lauter, bis er schrie.

Vermutlich war es eine magische Formel, eine Beschwörung, ein Zauber. Die Stimme war kräftig und tief und voll unbändigem Hass, und all dies schienen die Worte wiederzugeben.

Dann gab es einen lauten Knall, der die letzten, heil gebliebenen Glasgefäße zerspringen ließ. Gelbe Wolken stiegen aus dem Kessel empor und wirbelten durcheinander.

Und dann sah Isa es zum ersten Mal im Dunst dieses teuflischen Ortes: das Dunkle Amulett, genannt Alaista Karantan, ein tiefschwarzer, magischer Gegenstand mit blutroten Steinen. Wie ein dunkles Omen schwebte es über dem Kessel und ließ Isa Böses erahnen.

Sie wich zurück und zwickte sich hysterisch in den Arm. Sie wollte endlich aus diesem Albtraum erwachen, doch es ging nicht.

Der Mann griff das Amulett aus der Luft und begann, schaurig zu lachen. „Dreißig Jahre hat es gedauert, um herauszufinden, wie ich dich erschaffen kann, doch jetzt gehörst du mir, Alaista Karantan, mir ganz alleine.“ In diesem Augenblick drehte er sich um und starrte das Mädchen mit seinen blutroten, erbarmungslosen Augen an, die selbst unter der Kapuze noch deutlich zu sehen waren. Isa erstarrte vor Schreck und wich dann langsam zurück.

Sie wusste, wer dieser Mann war! Bisher hatte sie erst von einem einzigen Menschen gehört, der rote Augen hatte: Arkamoor Salsar, seines Zeichens König von Aria.

Er war der Mann, der vor fast 13 Jahren das ganze Land in einem einzigen blutigen Feldzug unter seine Herrschaft gezwungen hatte und jegliche Anwendung von Magie mit dem Tode bestrafen ließ. Und das, obwohl er selbst ein Magier war! Er war blutrünstig, brutal und rücksichtslos.

Da schreckte Isa endlich aus dem Schlaf hoch. Sie lag schweißgebadet in ihrem Bett und ihre Hand klammerte sich so fest in ihre Decke, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Die ersten Sonnenstrahlen erhellten bereits das Zimmer und die meisten Betten waren schon leer, doch ihre Gedanken waren zu weit entfernt, um dies alles wahrzunehmen. Bruchstückhafte Erinnerungen an ihren Albtraum flatterten durch ihre Gedanken. Blut, ein dunkles Amulett, diese roten Augen …

Sie schauderte. Zum Glück hatte sich dies alles nur in ihrem Kopf abgespielt!


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