Читать книгу Eine echt verrückte Story - Ned Vizzini - Страница 13
acht
Оглавление»Ey, Alter, was ist los? Bist du angenommen?!«
»Ja!«
»Guuut!«
»Saustaaark!«
»Geil!«
»Ge-nau!«
»Aber du hast gebüffelt. Und ich kein bisschen«, sagte er.
»Stimmt. Ich sollte mich glücklich schätzen, überhaupt mit dir zu reden. Du bist ja ein richtiger Herkules.«
»Ja, Augiasställe ausmisten und so. Ich schmeiß ne Party.«
»Wann? Heute Abend?«
»Genau. Meine Eltern sind nicht da. Ich hab sturmfrei. Du kommst doch, oder?«
»Eine richtige Party? Ohne Kuchen?«
»Absolut.«
»Aber immer!« Ich ging in die achte Klasse und war an der Highschool angenommen worden und würde zu einer Party gehen. Mein Leben lag vor mir!
»Kannst du was zu trinken mitbringen?«
»Du meinst, Alkohol?«
»Craig, Mann, ja doch. Kannst du was mitbringen?«
»Ich hab keinen Ausweis.«
»Craig, niemand von uns hat einen Ausweis! Ich meinte doch, kannst du bei deinen Eltern was mitgehen lassen?«
»Ich glaub nicht, dass sie so was ...« Aber ich wusste, dass das nicht stimmte.
»Irgendwas werden sie schon haben.«
Ich hielt die Hand über mein Handy, damit mich meine Mutter nicht hören konnte. »Scotch. Sie haben eine Flasche Scotch.«
»Was für welchen?«
»Woher soll ich das denn wissen.«
»Na ja, bring mit. Kannst du irgendwelche Mädchen einladen?«
Ich hatte ein Jahr lang in meinem Zimmer gelernt. »Nein.«
»In Ordnung, bring ich die Mädchen mit. Willst du mir wenigstens beim Vorbereiten helfen?«
»Klar!«
»Dann komm rüber.«
»Ich fahr zu Aaron«, sagte ich zu meiner Mutter und schaltete mein Telefon aus. Ich hatte immer noch das Willkommenspaket in der Hand, gab es ihr, damit sie es in mein Zimmer legte.
»Was willst du denn dort?«, fragte sie und strahlte erst die Unterlagen und dann mich an.
»Öh ... drüben schlafen.«
»Wollt ihr feiern? Denn feiern solltet ihr das schon.«
»He, ja!«
»Craig, ganz ehrlich, ich hab noch nie jemanden erlebt, der so hart wie du dafür gearbeitet hätte, an diese Schule zu kommen. Du hast dir eine kleine Pause verdient und kannst mit Recht stolz auf dich sein. Du bist begabt, und das merkt man auch. Das ist der erste Schritt auf einer erstaunlichen Reise –«
»Schon gut, Mom, bitte.« Ich umarmte sie.
Ich schnappte mir meinen Mantel, setzte mich an den Tisch und tat so, als schriebe ich eine SMS. Als Mom das Zimmer verließ, ging ich an den Schrank über der Spüle, holte die eine Flasche Scotch (Glenlivet) herunter und zog hinten aus dem Geschirrschrank die Thermoskanne hervor, in der ich während der Grundschulzeit mein Mittagessen mitgenommen hatte. Das würde bei einer Party richtig gut kommen. Ich füllte etwas von dem Scotch hinein und dann etwas Wasser in die Scotchflasche für den Fall, dass sie den Inhalt überprüften, und stopfte mir die Thermoskanne in die große Jackentasche, bevor ich das Haus verließ und Mom noch zurief, dass ich sie später anrufen würde.
Ich fuhr ohne ein Buch auf dem Schoß, in dem ich unterwegs hätte lesen können, mit der U-Bahn zu Aaron – das erste Mal seit einem Jahr. An seiner Haltestelle sprang ich die Treppen hoch auf die graue Straße, schlüpfte in sein Haus, nickte dem Wachmann zu, er solle mich oben anmelden, drückte den Daumen auf den Fahrstuhlknopf und zog ihn mit einer eleganten kleinen Drehung wieder weg. Im sechzehnten Stock stand Aaron, hatte die Wohnungstür schon geöffnet, Rapmusik über das Töten von Menschen im Hintergrund, und streckte mir seine Metallzigarette entgegen.
»Rauch. Zur Feier des Tages.«
Ich blieb stehen.
»Wenn überhaupt, dann jetzt.«
Ich nickte.
»Komm rein, ich zeig’s dir.« Aaron nahm mich mit rein, ließ mich auf seine Couch und machte mir vor, wie ich die Zigarette halten sollte, damit ich mich nicht am Metall verbrannte. Er erklärte mir, dass man den Rauch in die Lunge bringen musste, nicht in den Bauch – »Nicht schlucken, Craig, so gehen Hits verloren« – und dass man so langsam, wie man konnte, den Rauch durch Mund oder Nase wieder rauslassen musste. Der Punkt war, den Rauch so lange es ging drinzubehalten. Zu lange aber auch wieder nicht. Dann musste man nämlich husten.
»Wie brenn ich die an?«, fragte ich.
»Mach ich dir«, sagte Aaron. Er kniete auf der Couch vor mir – und ich ließ den Blick durch sein Zimmer schweifen –, umzäunt von Bücherregalen, die vom Boden bis zur Decke reichten, vollgestellt mit einem Couchtisch, einem großen Standaschenbecher, einem Porzellanhund und einem kleinen Keyboard. Ich wollte mir alles einprägen für den Fall, dass es sich später veränderte. Bis jetzt hatte ich in meinem Leben bloß richtig wild geschaukelt – das einzige, von dem die Leute sagen, es sei ungefähr wie Kiffen –, doch Aaron hatte gemeint, wer immer das gesagt hatte, derjenige war bestimmt high, als er auf der Schaukel saß.
Die Gasflamme sprang auf.
Ich zog an der Metallzigarette, als hätte ein Arzt mich dazu aufgefordert.
Mein Mund füllte sich mit dem Geschmack, den ich aus Aarons Zimmer so gut kannte – einem Geschmack nach Chemie, wabernd und leicht. Mit aufgeblasenen Backen sah ich Aaron an. Er löschte die Flamme und lächelte.
»Nicht in die Backen!«, sagte er. »Du siehst ja aus wie Dizzie Gillespie! In die Lunge! Du musst es in die Lunge ziehen!«
Ich setzte andere Muskeln in Bewegung. Der Rauch in mir fühlte sich wie ein Lehmklumpen an.
»Genau, jetzt halten, halten ...«
Meine Augen tränten, wurden heiß.
»Halten, halten. Willst du noch mal?«
Entsetzt schüttelte ich den Kopf. Aaron lachte.
»Okay, Alter, du bist gut. Du bist gut, Alter!«
Pffffft. Ich pustete Aaron die ganze Ladung ins Gesicht.
»Mann, das war ein Ding, großer Gott!« Aaron zerwedelte die Wolke, die aus mir herauskam. »Bist du sicher, dass du das noch nie gemacht hast?«
Ich keuchte, atmete die Luft, in der immer noch meine Rauchwolke hing. »Was passiert jetzt?«, fragte ich.
»Vermutlich gar nichts«, sagte Aaron, nahm seine Zigarette wieder, legte sie auf dem großen Standascher ab. Dann griff er mit ausgestreckter Hand nach unten – ich rechnete damit, dass er mir die Hand schütteln wollte, doch er zog mich von der Couch. »Glückwunsch.«
Wir umarmten uns, Mund an Ohr. Es war eine Umarmung unter Kumpels, mit einem Schulterklopfen zum Abschluss. Ich richtete mich auf und packte ihn lächelnd an den Armen.
»Dir auch, Mann. Das wird richtig toll.«
»Ich sag dir, was richtig toll wird: diese Party!«, sagte Aaron und fing an, hin und her zu gehen und an den Fingern abzuzählen. »Du musst los und Wasser besorgen, für Gespritzte. Dann müssen wir die Bücher und die Schreibsachen meines Dads wegräumen, damit die nichts abkriegen. Drittens, ruf dieses Mädchen an; ihr Dad hat gedroht, er würde die Cops alarmieren, wenn ich noch mal anrufe; sag, du wärst bei Greenpeace.«
»Das kann ich mir nicht alles merken, mach mal langsam«, sagte ich und nahm mir eine Karteikarte von Aarons Couchtisch. Ich nummerierte sie gerade, bei eins beginnend, mit einem Sharpie, als das Marihuana bei mir ankam.
»U-ha. Wow!«
»Äh-uh«, sagte Aaron. Er sah hoch.
»U-a.«
»Spürst du’s?«
Fliegt dir gerade das Gehirn aus dem Schädel? dachte ich.
Ich schaute nach unten auf die Karteikarte, wo 1) Wasser holen stand, aber so zurückgebogen, als ob der Schriftzug vom Papier fallen wollte. Ich sah hoch zu Aarons Bücherregalen, aber die schienen mir unverändert. Doch als ich mich umdrehte, bewegten sie sich in den Rahmen. Es war nicht die Langsamkeit, die man wahrnimmt, wenn man unter Wasser ist; es war, als befände ich mich unter Luft, die mir nachkommen wollte. Und für High-Sein fühlte sie sich ziemlich schwer an.
»Spürst du’s?«, fragte Aaron noch einmal.
Ich sah mir seinen Standaschenbecher an, in dem zerdrückte Zigarettenkippen und diese eine gerade, glänzende Metallzigarette lagen.
»Als wär ich der König der Zigarettenstummel!«, sagte ich.
»Oh, Mann«, sagte Aaron. »Craig, was meinst du? Ob du fähig bist, die Sachen für die Party zu erledigen?«
Ob ich fähig war? Ich war zu allem fähig. Wenn ich hier schon so schlaue Sprüche wie den vom »König der Zigarettenstummel« machte, wozu war ich dann vielleicht noch fähig, wenn ich erst rausging?
»Was als Erstes?«, fragte ich.
Aaron gab mir ein paar Dollar für das Wasser, doch als ich die Tür öffnete, um in die Welt hinauszugehen, läutete genau in dem Moment seine Klingel.
»Das ist Nia«, sagte Aaron und rannte zur Sprechanlage in die Küche, die voll war mit Grapefruits und dunklen Holzschränken.
»Die kommt?«, fragte ich.
Nia ging in unsere Klasse; sie war halb Chinesin und halb Jüdin und immer gut angezogen. Jeden Tag hatte sie was anderes – eine Kette aus SpongeBob-Figuren von Burger King um den Hals, einen asymmetrischen, riesig großen roten Ohrreifen aus Plastik, schwarze Clownskreise auf den Wangen. Mit diesen Accessoires wollte sie, glaub ich, von ihrem zarten Luxuskörper und ihrem Puppengesicht ablenken. Wenn sie gar nichts gemacht und ihre Haare einfach hätte wehen lassen, wie es geschehen wäre, wäre Nia auf freiem Feld aufgewachsen, im Wind, hätten wir Jungs alle nicht an uns halten können.
»Nia ist ganz schön heiß, was?«, sagte Aaron und legte den Hörer auf.
»Sie ist okay.«
Wir setzten uns und starrten auf die Tür, als ob wir auf unsere Vogelmutter warteten, die uns das Futter brachte. Es klopfte.
»Heyyyy«, rief Aaron und boxte mich.
»Hi!«, sagte ich. Wir sausten zur Tür. Aaron sandte einen Blick aus, zog die Tür zu sich, und da stand Nia – in einem grünen Kleid mit einem Regenbogen aus flauschigen Ketten um einen Knöchel. Ihre Augen waren so groß und so dunkel, dass sie noch zarter und spilleriger wirkte als sonst auf ihren hochhackigen Schuhen, in denen sie nach vorn geschoben wurde, uns entgegen, und die ihr das Kleid an die kleinen Brüste drückten.
»Jungs«, sagte sie. »Hier hat doch einer Gras geraucht.«
»Ausgeschlossen«, sagte Aaron.
»Meine Freunde kommen. Wann fängt die Party an?«
»Vor fünf Minuten«, sagte Aaron. »Möchtest du Scrabble spielen?«
»Scrabble!« Nia stellte ihre Tasche ab – sie war wie ein Nilpferd geformt. »Wer spielt denn Scrabble?«
»Na, ich schon, und Craig auch«, – das tat ich nicht – »und wir sind schlaue Burschen, schließlich sind wir angenommen worden.«
»Das hab ich gehört!« Nia griff nach ihrer Nilpferdtasche und schlug Aaron damit. »Bin ich auch!« Als sei es ihr nachträglich eingefallen, schlug sie mich auch noch. »Glückwunsch!«
»Alle Mann umarmen!«, verkündete Aaron, und wir stellten uns zusammen – dreistöckig: Nias Kopf an meinem Kinn, mein Kopf an Aarons Kinn. Ich legte den Arm um Nias Taille und spürte, wie warm und schmächtig sie war. Ihre Hand umfasste meine Schulter. Wir rückten wie in einem Ballett unsere Körper zusammen. Nias Atem zog zwischen uns durch. Ich drehte den Kopf und schaute –
»Scrabble!«, sagte Aaron. Er ging ins Wohnzimmer hinüber, zog das Spiel aus einem der Bücherregale. Er legte es auf den Boden, und wir setzten uns, Aaron zwischen mir und Nia und der Standascher an der vierten Stelle.
»Hausregeln«, sagte Aaron, als er die Steine umdrehte. »Wenn man keine Wörter zum Anlegen hat, kann man welche erfinden, sofern man eine Definition dafür im Kopf hat. Wenn diese Definition die anderen zum Lachen bringt, kriegt man die Punkte. Wenn nicht, verliert man die Punkte.«
»Wir können uns Wörter ausdenken?«, fragte ich. Da schwirrte einem ja der Kopf vor Möglichkeiten. Ich konnte zum Beispiel verniat bilden – Definition: wenn Nia einen berührt, wird man verniat. Da würde sie lachen. Oder auch nicht.
»Was ist mit chinesischen Wörtern?«, wollte Nia wissen.
»Wenn du weißt, was sie bedeuten, und es erklären kannst.«
»Oh. Das dürfte kein Problem sein.« Sie lächelte böse.
»Wer fängt an?«
»Dürfen wir rauchen?«
»So anspruchsvoll.« Aaron reichte ihr die Metallzigarette – ich lehnte diesmal ab; ich hatte genug.
Als erstes Wort legte Nia M-U-W-L-I.
»Was ist das?«, fragte ich.
»Ein chinesisches Wort.«
»Was soll das heißen?«
»Äh, Katze.«
»Das ist lächerlich. Woher sollen wir wissen, dass es Muwli wirklich gibt?«, sagte ich mit einem Blick zu Aaron.
Er zuckte die Achseln. »Im Zweifel ja?«
Nia streckte mir die Zunge heraus, und es war eine süße Zunge. Ist das ein Ring?, dachte ich. Das kann nicht sein. Schwups – schon war er wieder weg.
»Ich schwöre«, sagte sie. »›Komm her, kleine Muwli !‹ Seht ihr?«
»Beim nächsten Mal prüf ich deins nach«, sagte ich.
»Das Internet ist da drüben«, sagte Aaron.
»Aber solange du dransitzt, geben wir dir hier lauter Konsonanten.« Nia lächelte.
»Bin ich jetzt dran?« Ich legte M-O-P-P an ihr M-U-W-L-I an. Zehn Punkte.
Aaron machte mit K-L-E-P-S von M-O-P-P aus weiter. »Das ist eine Mischung aus einen Klaps geben und kleben. Ich kleps dir gleich eine.«
Nia lachte und ich lachte auch. Kicherte, obwohl ich das gar nicht wollte. Aaron bekam die Punkte.
Nia legte T-R-I-I-L-E-R.
»Was ist das?«, sagte ich.
»Ein Triller, weißt du, wie auf der Flöte, nur dass das erste L kleingeschrieben und das zweite großgeschrieben ist.«
»Da steht aber nicht Triller, sondern Tri-iler!«
»Na schön.« Sie vertauschte die Buchstaben. Jetzt stand T-R-I-L-I-E-R da.
»Tri-lier?! Was ist ein Tri-lier?«
»Etwas, worüber man nicht spricht.«
Aaron brüllte los, er schüttete sich so aus vor Lachen, dass er mit Nia in Berührung kommen, sich an ihre Schulter anlehnen musste. Sie schob ihn weg, kehrte ihm die Seite zu.
Mir war klar, wohin der Hase lief. Ich stellte Blickkontakt mit Nia her, und ihre Augen teilten mir Folgendes mit:
Craig, wir kommen alle auf dieselbe Schule. Ich werd einen Freund brauchen, der auch dahin geht und der mir ein bisschen Stabilität gibt, ein bisschen Rückhalt, verstehst du? Nichts Ernstes. Du bist cool, aber nicht so cool wie Aaron. Der hat Gras und er ist viel entspannter als du; du hast das ganze Jahr für diesen Test gebüffelt; er hat keinen Finger krummgemacht. Das heißt, er ist klüger als du. Nicht dass du nicht auch klug wärst, aber Intelligenz ist bei einem Jungen sehr wichtig – eigentlich sogar das Wichtigste, und dazu kommt noch Humor. Und Humor hat Aaron ja auch mehr als du. Dass er größer ist, tut nicht weh. Und sei nicht eifersüchtig. Das wäre für jeden von uns die reine Zeitverschwendung.
Wir spielten weiter. Aaron und Nia rückten immer näher, bis sich ihre Knie schließlich berührten, und ich konnte bloß versuchen, mir vorzustellen, was für eine Energie durch diese Knie floss. Vielleicht, dachte ich, beugen sie sich gleich vor zu ihrem ersten Kuss (oder gar dem zweiten? Nein, das hätte Aaron mir gesagt), egal, ob ich auch da bin. Doch da klingelte es wieder.
Es war Nias Freundin Cookie. Sie hatte einige Flaschen Bier mitgebracht. Wir brauchten zehn Minuten, um sie zu öffnen, und schlugen sie schließlich gegen die Kante der Arbeitsplatte in Aarons Küche, um die Verschlüsse abzukriegen. Dann sagte Nia, Cookie hätte sich welche mit Abdrehern geben lassen sollen, und Cookie fragte, was denn Abdreher wären, und wir lachten alle. Cookie hatte blonde Haare und überall am Nacken Flitter. Sie ging nicht auf die Executive Pre-Professional, aber das war okay, weil sie in Kanada auf die Highschool gehen würde. Der Mensch in dem kleinen Laden hatte ihr das Bier verkauft, nachdem sie sich über den Tresen gebeugt hatte – Cookie war schon frühreif und hatte üppige, reizvolle Brüste, die gegen den Rhythmus wippten, wenn sie ging.
Wir packten das Scrabble weg – niemand hatte gewonnen. Die Rapmusik schien mit einer Art internetfähigen Abspielliste verkoppelt zu sein und lief immer weiter, ohne sich je zu wiederholen, während nach und nach noch mehr Gäste kamen. Da war Anna – sie nahm Ritalin und schnupfte es vor Tests von ihrem kleinen Kosmetikspiegel; Paul – er stand auf der landesweiten Liste von Halo 2 und trainierte fünf Stunden pro Tag mit seinem »Team« in Seattle (das wollte er bei seinen Bewerbungen fürs College angeben); Mika – sein Vater war bei der Behörde für Taxi- und Limousinenlizenzen ein höheres Tier und hatte irgendeinen Ausweis, mit dem er jederzeit und überall umsonst Taxi fahren konnte. Mit der Zeit kamen Leute, bei denen ich keine Ahnung hatte, wer die waren, zum Beispiel ein gedrungener Weißer in einem Eight-Ball-Jackett, das – wie er gleich beim Reinkommen verkündete – in den Neunzigern so populär war, dass man gleich abgestochen wurde, wenn man eins hatte, und keiner hatte so viel alte Sachen wie er.
Es kam sogar einer mit Batman-Maske – unfassbar! Sein Name war Race.
Ein kleiner, streitsüchtiger Kerl, der einen Schnurrbart hatte, brachte einen ganzen Rucksack voller Pot mit und machte im Wohnzimmer seinen Laden auf.
Ein Mädchen mit Hanf-Armbändern in verschiedenen feinen Farbabstufungen verkündete, wir müssten uns Sublimes 40oz. to Freedom anhören. Als Aaron nicht wollte, fing sie an, sich wie ein Derwisch im Kreis zu drehen und belegte Aaron mit einem Fluch. »Diablo Tantunka«, sagte sie, die Finger wie kleine Hörnchen an den Kopf gehalten, und: »Fffffft! Ffffff!«
Ich rauchte noch mehr Gras. Die Party war wie ein Film – sie hätte ein Film sein sollen. Es war nämlich der beste Film, den ich je gesehen hatte – wo sonst bekam man das alles auf einmal geboten: splitterndes Glas, jemanden, der in einem Wohnzimmer breakdancen wollte, ein Wörterbuch, das auf eine Kakerlake geschmissen wurde, einen Jungen, der seinen Kopf in den Eisschrank steckte, weil man davon angeblich high wurde, oranges Erbrochenes, das in einem Halbkreis in der Spüle klebte, Leute, die im Chor zum Fenster hinausriefen, »Scheiß Schule«, Rapmusik, in der es hieß »Ich will Bier trinken und Shit rauchen«, und einen armen Kerl, der sich einen Pixie Stik reinzog und hinterher lila Staub ins Klo spie ...? Nirgends.