Читать книгу Teufelin wird zum Engelchen - Nico . - Страница 18
13.
Demontageversuch wird zum Rohrkrepierer
ОглавлениеZehn Minuten später saß sie in ihrem Arbeitszimmer und hatte sich schon wieder etwas gefangen. Durch die offene Tür zitierte sie ihn sehr laut im Befehlston in ihr Arbeitszimmer „Scarelli, kommen sie sofort zu mir …!“ Vor ihr lag eine seiner Wissenschaftlichen Arbeiten, die sie aufgeregt durchblätterte, als er das große Zimmer betrat. Ihre Tonlage verhieß nichts Gutes. Grußlos begann sie das Gespräch und sagte in messerscharfer Ausdrucksweise „Herr Dingsbums, ich hab mir das einmal angesehen, was sie da zusammengeschustert haben. Es ist leider wie erwartet, sie riesengroßer Wissenschaftler. Eine Leuchte sind sie ja nun nicht gerade. Was heißt Leuchte? Sie sind ein hochkarätiger Stümper und haben von Tuten und Blasen keine Ahnung. Herr Scarelli, sie sind eine Fehlinvestition. Jede Lire für sie ist rausgeschmissenes Geld. Ich frage mich nur, was mein Vater an ihnen gefunden hat. Das ist doch alles Mist, Plunder, Unsinn, Herr Scarelli. Was sie da zusammen gestottert haben, ist unbrauchbar, Schrott. Jetzt hören sie mir mal gut zu siiie, siiiie Möchte-gern-Historiker. Ich verlange gute Arbeit, zumindest brauchbare, und keine solchen blödsinnigen, unbrauchbaren Stümpereien. Was können sie eigentlich? Haben sie überhaupt studiert? Da habe ich große Zweifel …?“ Lauernd sah sie ihn mit hochherrschaftlichem, hochnäsigem Blick an, wie sie das betont unterkühlt und gelangweilt sagte und dabei die Unterlagen auf ihrem Schreibtisch ständig herumwarf.
Die Herzogin hatte nicht die geringste Ahnung, was gute Arbeit war. Silvio wusste, dass er top Arbeit lieferte. Der Herzog, ein geradezu genialer Kunstsachverständiger, hatte ihn immer auf das Höchste gelobt, und ihn als unersetzlich für sich und seine Sammlungen bezeichnet. Silvio arbeitete mit großer Begeisterung täglich vierzehn Stunden und noch mehr, sogar auch abends noch in seiner Wohnung, wo ihm der Herzog ein großes Arbeitszimmer eingerichtet hatte. Die Arbeit machte ihm sehr viel Freude und er fühlte sich, vor allem nach dem Besuch seiner Familie vom Vortag, glücklich und zufrieden.
Schon beim Tonfall und der Ausdrucksweise, wie sie ihn gerufen hatte, hatte er sich sofort gedacht, dass großes Unheil drohte. So rief man einen Knecht, einen Sklaven, das war keine Bitte, zu ihr zu kommen. Das war ein wütendes Herbeizitieren, ein herrischer Befehl. Einen Grund dafür konnte er sich nicht vorstellen. Am Vortag war sie doch so nett und freundlich, wie sonst auch immer. Das konnte nur mit seiner Arbeit zusammenhängen. Am Vortag hatte er sie für eine Sekunde am Fenster gesehen, wie er seine Schwestern und deren Kinder auf der anderen Straßenseite begrüßt hatte. Bald danach meinte er sie auch in der City gesehen zu haben, wie sie weit hinter ihnen ging und sich schließlich in ein Straßencafe setzte. Er war schließlich überzeugt, dass er sich getäuscht hatte. Viele Römerinnen hatten schwarze, schulterlange Haare und sahen so aus, wie die Herzogin. Erst so nach und nach stellte er in der Folgezeit die Querverbindungen her und alles ergab urplötzlich einen Sinn, den einen, den es dafür nur geben konnte.
Ornella wollte, musste ihn demütigen. Unentwegt rotierte es in ihrem Kopf „Dieser Betrüger … Lügner … dieser Saukerl … Casanova … dieser … muss büßen. Ich muss ihn dafür bestrafen, dass er diese Schlampen mehrfach unter meinen Augen in die Arme genommen und abgeknuscht hat. Der Kerl hat genau gesehen, dass ich oben am Fenster war und hat sie extra besonders zärtlich gleich mehrfach und besonders lange in den Arm genommen, um mich zu ärgern, das geile Schwein. Gleich zwei junge, hübsche Blondinen, das ist doch unglaublich. Eine reicht ihm wohl nicht. Von wegen hübsch. Diese Flittchen waren hässlich wie die Nacht. Bei diesen Huren ist er der leidenschaftliche, lachende Casanova. Und mir tritt er nur formvollendet, kühl, betont distanziert gegenüber. Ich bin für ihn praktisch nicht da, keine Frau. Mir zeigt er bei Allem nur die kalte Schulter, zeigt mir, dass er mich verschmäht. Der Mistkerl versucht ja nicht einmal zu flirten, schaut mich kaum an und beachtet mich ansonsten einfach nicht … Ich bin für ihn Luft … Luft … ja, einfach Luft … gar nicht da!“ Das war typisch weibliche Logik a la Ornella. Eine furchtbare Eifersucht nahm ihr jegliches objektives Denkvermögen. Der Unschuldige, das Opfer, wurde zum Schwerverbrecher gemacht, der in ihren Augen alles verschuldet hatte.
Tatsächlich sah es in Silvio ganz anders aus. Da war nichts mit Verschmähen, kalter Schulter und Luft zu sehen. Dort herrschte, wie man schon erfahren konnte, ein dem Verhalten Ornellas sehr ähnlicher Zustand, genau das Gegenteil, er liebte diese Frau unbeschreiblich, sehnte sich nach ihr, ihrem Anblick, ihrer Stimme, sie nur einmal berühren zu dürfen. Wenn sie in seiner Nähe war, konnte er nichts mehr arbeiten. Ununterbrochen suchten seine Augen dieses bezaubernde Wesen, das so natürlich und unkompliziert war, mädchenhafte Zuge an sich hatte, eine faszinierende Eva war, aber auch so dominierend und beherrschend sein konnte. Ihre großen, dunklen Augen, die sie so unnachahmlich schnell und raffiniert rollen konnte und dazu mit ihrem göttlichen Mund lächelte, war Verführung pur. Sie waren für ihn wie Magnete. Unentwegt überlegte er, was er Falsches getan oder gesagt haben konnte. Er war sich keinerlei Schuld bewusst.
Die Herzogin riss unentwegt an der vor ihr liegenden Heftung und blätterte hektisch darin. Zwischendurch tat sie so, als ob sie besonders fachkundig etwas prüfte, und schlug mehr als sie blätterte, die Seiten um und schüttelte den Kopf. Dabei schrie sie aufheulend „Was sind sie, ein Kunsthistoriker, ein Kunsthistoriker? Dass ich nicht lache. Ich habe selten so eine schlechte und unsinnige Arbeit gesehen, wie die hier von ihnen. Das ist doch alles einfach nur plemm-plemm … Mist … unbrauchbarer Schwachsinn … Mist … alles Schrott … Makulatur. Was soll ich mit dem Zeug? Mein Lieber, sie sollten etwas weniger mit zwielichtigen Frauen durch die Stadt ziehen und sich nicht mit den Putzlappen hier im Haus herumtreiben und dafür etwas mehr arbeiten, Herr Scarelli. Sie haben einen Vertrag mit mir und den sollten sie gefälligst auch erfüllen …!“ Hinter ihrem Schreibtisch stehend warf sie ihm die Heftung vor die Füße. Hasserfüllt schaute sie ihn hoheitsvoll an und sagte im scharfen Tonfall hörbar erbost „Hier haben sie ihren Schrott, sie Möchtegern-Kunsthistoriker. Haben sie das verstanden, Herr Scarelli. Ich fordere mehr Fleiß und sehr viel bessere Arbeit, vor allem brauchbare Arbeit und nicht solchen Mist. Herr Scarelli, das ist auf jeden Fall völlig unbrauchbar. Dafür bezahle ich sie schließlich auch …!“
Silvio war fassungslos. Das war kein Gewitter, was er hier erlebte. Das hatte die Gewalt eines Vulkanausbruches, das war eine gezielte Demontage, eine Exekution. Genau so kam er sich vor. So hatte er Ornella in den paar Wochen, wo er sie kannte, noch nie erlebt. Dieses Weib wollte ihn vernichten. Für Sekunden war er sehr betroffen und fassungslos, absolut handlungsunfähig und sprachlos.