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Dauerstress und seine Folgen

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An manchen Tagen läuft das System immer weiter. Wir haben Stress am Morgen mit Kindern, die sich nicht selbstständig anziehen, Stress auf der Arbeit mit schwierigen Kollegen, Stress beim Abholen im Stau auf der Hauptstraße, Stress mit quengeligen Kinder auf dem Weg zum Schwimmkurs, Stress beim Feierabendstau auf dem Weg nach Hause, dann Stress mit hungrigen Kindern im Supermarkt und schließlich Stress, weil wir noch schnell Abendessen kochen, mit Oma telefonieren, Hausaufgaben betreuen oder Koffer packen müssen.

Bis die Kinder endlich im Bett sind, hat unser Mandelkern stundenlang gefeuert, unser Herz pocht wie wild. Wir fühlen uns völlig AUSGEBRANNT und können gleichzeitig auch auf der Couch kaum abschalten und entspannen.

Denn für solchen Dauerstress ist unser Gehirn NICHT GEMACHT. Wir beginnen, hinter jedem Busch einen Berglöwen zu vermuten, wir können kaum noch klar denken, wir wissen nicht, wie wir aus der Situation wieder herauskommen, wir sind ständig erschöpft und können nicht wirklich ABSCHALTEN.

Und es kommt noch schlimmer: Dauerstress erzeugt wieder mehr Stress. Teile unseres Gehirns gehen bei dieser Überlastung im Laufe der Zeit regelrecht »kaputt«. Stellen wir uns einen Motor vor, der ständig im roten Drehzahlbereich gefahren wird. Für uns Eltern ist es besonders interessant, hier genau hinzusehen.

Dauerstress schädigt unser Gehirn und damit die BEZIEHUNG zu uns selbst, unserem Partner und unseren Kindern. Vielleicht kennen Sie einige der folgenden stressinduzierten Gedanken:

»ICH KANN NICHT MEHR DENKEN.« – Je mehr Dauerstress wir haben, desto häufiger ist der präfrontale Cortex, also der Verstand, abgeschaltet. Er bleibt »unteraktiviert«. Analysieren, denken und planen fallen uns immer schwerer.

»ICH KOMME GAR NICHT MEHR RUNTER.« – Bei Dauerstress ist das ganze System irgendwann so überreizt, dass wir auch abends nicht mehr entspannen können, die Stressreaktion läuft dauerhaft weiter.

»DIE KINDER SIND UNMÖGLICH!« – Der Verstand bleibt auf Gefahr »programmiert«. Wir sehen daher die Kinder nachweislich negativer, als ein unbeteiligter Beobachter es tun würde, und übersehen die vielen »guten« Verhaltensweisen und Momente.

»WO SOLL DAS NUR HINFÜHREN?« – Durch die Überreizung wird der Mandelkern überaktiv und springt bei jeder Gelegenheit an. Wir bewerten zunehmend aus Wut und Angst heraus und sind unfähig, uns eine gute Zukunft vorzustellen.

»WO IST DER VERFLIXTE AUTOSCHLÜSSEL?« – Stress drosselt den Zwischenspeicher für Gedanken und Erinnerungen, unser Kurzzeitgedächtnis. Das führt dazu, dass uns unter Stress die Telefonnummer nicht einfällt, wir den Arzttermin vergessen oder den Autoschlüssel nicht finden, was uns zusätzlich stresst.

»JETZT STELL DICH NICHT SO AN!« – Unter Dauerstress bleibt unser System für Mitgefühl dauerhaft unteraktiviert. Es fällt uns schwerer, empathisch mit unseren Kindern zu sein, uns in sie einzufühlen. Wir verlangen mehr von ihnen, als sie leisten können.

»ES IST, WIE ES IST, WIR KÖNNEN ES NICHT ÄNDERN.« – Der dauerhaft unteraktivierte präfrontale Cortex kann nur noch schwer Ziele setzen, planen und positive Gefühle hervorbringen, wir haben das Gefühl, es gebe keinen Ausweg aus unserer Situation. Wenn der Dauerstress langfristig anhält, haben wir ein Problem. Denn es fällt uns immer schwerer, die Stressreaktion abzuschalten. Im schlimmsten Fall drohen dauerhafte Schäden am Hormonsystem und schließlich Burn-out und Depressionen.

Erziehen ohne Schimpfen

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