Читать книгу Die Toten vom Eifelhof - Nicole Berwanger - Страница 11
ОглавлениеGleichzeitig in der „Guten Stube“ des Eifelhofes
Im Eifelhof saßen Edgar und Helene Funk am Küchentisch.
„Ich frage mich immer noch, ob es die richtige Entscheidung ist, den Hof zu verkaufen? Immerhin haben wir unser ganzes Leben hier verbracht. Und wer weiß, ob es wirklich so viel Geld bringt, wie diese Maklerin ausgerechnet hat?“ Zweifelnd sah Helene ihren Mann an.
Edgar wirkte nachdenklich. „Hm“, brummte er, „aber wir haben doch jetzt schon seit Monaten darüber gesprochen und ich dachte, der Entschluss steht fest. Willst du das jetzt alles über den Haufen werfen?“ Verärgert schaute er seine Frau an.
„Nein, du hast ja Recht. Aber der Gedanke, dass hier bald wildfremde Menschen durch unser Haus ziehen und unsere Privatsphäre durchstöbern, regt mich jetzt schon auf. Mir hat es bereits gereicht, dass diese Maklerin jeden Raum ausgemessen und alles fotografiert hat. Das ist mir gar nicht recht gewesen“, schimpfte Helene.
Edgar verdrehte die Augen. „Glaubst du etwa, du kannst das jemandem verkaufen, der es nicht mal vorher gesehen hat? Mein Gott, Helene, so ist das halt mal, wenn man eine Immobilie verkaufen will. Und die Maklerin hat dir doch erklärt, dass alle Kunden zuerst einmal die Bilder anschauen, die sie im Internet hat, und sich danach erst entscheiden, ob sie besichtigen und kaufen wollen“, belehrte Edgar seine Frau in einem etwas lauteren Ton. „Außerdem hat sie uns versprochen, dass sie immer dabei ist, wenn Kaufinteressenten besichtigen wollen, und sie hat gesagt, sie kommt mit niemandem, der nicht wirklich ernsthaftes Interesse hat. Ich glaube, sie macht ihre Arbeit gut. Ohne sie hätten wir keine Chance, das hier alles zu verkaufen. Und denk doch mal an das, was wir alles geplant haben. Eine Kreuzfahrt, die du dir ein Leben lang schon gewünscht hast. Eine altersgerechte Eigentumswohnung in der Stadt mit einer modernen Küche. Jedes Jahr einen schönen Urlaub, mal am Meer, mal in den Bergen oder ein kleines Wohnmobil, damit wir quer durch den Schwarzwald und nach Norddeutschland fahren können. Du hast doch selber so davon geschwärmt, oder etwa nicht?“, fragte er.
Helene verzog das Gesicht. In Wirklichkeit hatte Edgar immer davon gesprochen, nicht sie, aber sie hatte keine Lust, mit ihm darüber zu streiten. Sie blieb stumm, presste die Lippen aufeinander und starrte vor sich hin.
Edgar sah enttäuscht aus. Ihm war die Entscheidung nicht leichtgefallen, den Hof aufzugeben. Aber sie wurden immer älter, außer harter Arbeit hatten sie bisher nichts in ihrem Leben geschenkt bekommen. Seit ihr Sohn erwachsener war, war es für sie beide schon mal drin, einen Tag oder höchstens ein Wochenende in Kurzurlaub zu fahren. Edgar wusste, dass die landwirtschaftliche Arbeit Rainer kein bisschen Spaß machte, aber er traute sich nicht, seinem Vater zu widersprechen, wenn der ihm einen Auftrag gab. Der Hof warf keinen Gewinn mehr ab. Als sie vor vielen Jahren die Milchkühe abgeschafft hatten und nur Rinder für den Fleischkonsum züchteten, war das ein erster Schritt zur Verkleinerung der Landwirtschaft gewesen. Das Umstellen auf Biolandwirtschaft hatte ihnen nicht den erhofften Aufschwung und höhere Einnahmen gebracht. Es wurde immer anstrengender mit Mitte 60 die täglichen Arbeiten zu erledigen. Rainer kam erst nachmittags gegen 17.00 von seiner Arbeit in der Gärtnerei nach Hause. Zwar half er dann auf dem Hof mit, aber bis dahin waren Edgar und Helene alleine mit der ganzen Arbeit.
Rainer war ein Träumer. Er lebte am Wochenende gerne einfach in den Tag hinein. Ständig musste Edgar ihn auffordern, nie kam er von selbst auf die Idee, eine Mistgabel oder einen Besen in die Hand zu nehmen. Edgar schrie ihn oft wütend an: „Man könnte dir im Gehen die Schuhe besohlen!“ oder „Wird das heute noch was?“
Dass Rainer die Ausbildungsstelle als Gärtner bekommen hatte, verdankte er den Beziehungen seines Vaters. Mit seinen mäßigen Schulnoten und den fehlenden Fachkenntnissen hätte er die Stelle nicht erhalten. Man musste fairerweise sagen, dass er die Arbeit zufriedenstellend erledigte und bisher an keinem Tag gefehlt hatte. Es sah so aus, als ob Rainer langfristig in Anstellung bleiben würde, sofern die Gärtnerei nicht zumachte. Deshalb sorgten sich Edgar und Helene nicht, was die Zukunft ihres Sohnes anging. Der Junge hatte ja sein Auskommen und in der Gegend standen viele Wohnungen und Häuser leer.
„Wo steckt Rainer eigentlich?“, fragte Helene. „Der stand doch eben noch hinten am Holzschuppen, als die Maklerin da war.“ Fragend sah sie Edgar an. „Glaube der ist mit dem Wagen weg. Das Auto steht jedenfalls nicht mehr im Hof.“
„Er hätte sich ruhig mal abmelden können!“, brummte Edgar und verzog seine Miene zu einem grimmigen Gesicht. Niemand hatte mitbekommen, wie Rainer hinter der Hofeinfahrt auf Charlotte gewartet hatte.