Читать книгу Die Toten vom Eifelhof - Nicole Berwanger - Страница 13

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Gründonnerstag, 13. April – 17.00 Uhr auf dem Eifelhof

Als Rainer in der Hofeinfahrt parkte, schlotterten ihm die Knie. Eine Weile war er mit dem Auto durch die Gegend gestreift und hatte versucht, einen klaren Kopf zu bekommen. Ihm war zum ersten Mal der Gedanke gekommen, sich bei der Polizei zu stellen.

Doch selbst dazu fehlte ihm der Mut. Zuerst versuchte er, unbemerkt an seinen Eltern vorbeikommen. Wie befürchtet, kam der Vater schon aus dem Schweinestall und rief ihm zu: „Hey, Junge, wo treibst du dich herum? Muss ich die ganze Arbeit alleine erledigen?“ Er blickte zornig zu Rainer. „Warum hast du nicht Bescheid gesagt, wenn du noch irgendwohin wolltest? Mutter hat dich schon gesucht. Sie hatte Kuchen gebacken und mit dem Kaffee auf dich gewartet.“ Seine Stimme wurde lauter. „Was sind denn das für neue Manieren? Einfach wegfahren, ohne Bescheid zu geben.“

„Ich bin direkt im Stall, gib mir fünf Minuten“, brachte Rainer hervor, dann lief er mit gesenktem Kopf die Sandsteintreppe hinauf zum Hauseingang. Auch die Mutter hatte ihn schon bemerkt. Sie stand, beide Armen in die Hüften gestemmt, im Hausgang, als er die Türklinke herunterdrückte.

„Woher kommst du denn jetzt erst?“ Auch sie war zornig. Das verrieten ihre Stimmlage und ihre leicht zusammengekniffenen Augen. Das war der Moment, vor dem Rainer sich am meisten gefürchtet hatte. Seine Mutter anlügen, das hatte noch nie geklappt. Rainer bekam schon glühende Ohren und setzte zu einer Erklärung an, da klingelte das Telefon.

Rainer fiel ein Stein vom Herzen, als er sah, dass seine Mutter sich abwandte und in Richtung Telefon verschwand. „Ich muss mich beeilen und zum Vater in den Stall“, rief er seiner Mutter nach. Er nutzte die Gelegenheit und stürmte davon.

„Ich hab schon gefüttert“, brummte sein Vater, als er in den Stall kam, „aber du musst noch ausmisten.“ Schweigend fuhr Rainer die quietschende Schubkarre in den Stall. Er versuchte, so wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen wie möglich. Er streifte sich seine Handschuhe über und nahm die Mistgabel von der Wand. Nun lud er den stinkenden Mist der Rinder in die Karre und fuhr sie zu dem Misthaufen hinter dem Stall.

„Wenn du da fertig bist, kannst du den Schweinestall misten“, rief ihm sein Vater hinterher, „ich hab da auch schon gefüttert, dann wären wir schon fast durch für heute Abend. Ich werde derweil ein bisschen Holz klein hacken und ins Haus bringen.“ Mit diesen Worten verschwand sein Vater aus dem Stall.

Rainer war erleichtert, als er weg war. Üblicherweise half Edgar ihm beim Ausmisten. Vermutlich versuchte sein Vater, ihn damit zu bestrafen, dass er ihn heute alleine schuften ließ. Edgar konnte ja nicht ahnen, dass Rainer sogar erleichtert darüber war. Als sein Vater außer Sichtweite war, füllten sich Rainers Augen mit Tränen. Er schluckte. Ihm wurde heiß und in seinem Kopf pochte es. Er stütze sich auf den Stiel der Gabel, bekam Probleme mit dem Kreislauf. Rasch setzte er sich auf einen kleinen Strohballen, der an der Stallwand lag. Immer wieder stellte er sich die Frage, wieso er in der Lage gewesen war, eine wehrlose Frau umzubringen? Eine Frau, die doch nur ihrem Job nachgegangen war. Alles um ihn herum drehte sich und er krallte sich an den Strohballen. Er befürchtete, gleich zu kollabieren. Doch es kam nicht dazu.

Er schrak zusammen, als er plötzlich vor dem Stall die Stimme seiner Mutter hörte. „Rainer, hör mal“, rief sie von draußen, „du sollst in den Reitstall der Maiers zwei Rundballen Heu mit dem Traktor hinüberfahren. Sie haben vorhin angerufen und gefragt, ob du das noch heute Abend erledigen kannst oder morgen früh direkt. Rainer?“

Er war so erschrocken, dass er kurz brauchte, um sich zu sammeln. „Ich erledige es später, Mutter“, rief er, „ruf sie bitte zurück und sag Bescheid, dass ich direkt nach dem Ausmisten zu ihnen rüber komme.“ Dann hörte er Helenes Schritte, wie sie über den Hof zurück zum Wohnhaus ging, und er atmete erleichtert auf.

Ursprünglich hatte er geplant, heute Abend zu Hause gemütlich einen Film im Fernsehen zu schauen, durch diese Futterlieferung aber, bot sich die Möglichkeit, den Eltern aus dem Weg gehen. Es würde ihn einige Zeit kosten, mit Auf- und Abladen und der Hin- und Rückfahrt zu den Maiers. Normalerweise hätte er sich geärgert, wenn er dafür samstagabends extra vom Hof musste, aber heute kam ihm das gelegen. Wenn er Glück hatte, kam er erst zurück, wenn seine Eltern schon vorm Fernseher saßen. Meist schliefen sie kurz nach den Nachrichten auf der Couch oder im Fernsehsessel ein, sodass er für den heutigen Abend nicht mehr groß in Erklärungsnot kam. Hoffentlich würde es ihm gelingen, sich leise an der elterlichen Wohnzimmertür vorbei zu schleichen, ohne sie zu wecken. Er nahm sich vor, in der kommenden Nacht einen Plan über seine weitere Vorgehensweise zu schmieden.

Er könnte sich der Polizei stellen oder versuchen, die ganze Sache zu vertuschen. Für den zweiten Fall blieb ihm nur wenig Zeit, denn es dauerte mit Sicherheit nicht lange, bis jemand die Maklerin vermissen würde. Vermutlich fand man schnell heraus, dass sie hier auf dem Hof gewesen war, und daher war es wichtig, jeglichen Verdacht von sich abzulenken. Es blieb ihm keine andere Wahl, als Spuren zu beseitigen. Er musste unbedingt die Leiche wegschaffen. Gedanken schossen ihm wie Gewitterblitze durch den Kopf. Sollte er sie im Wald vergraben, oder besser in einem Gewässer versenken, möglicherweise direkt im Weiher neben dem Wochenendhaus? Während er darüber nachdachte, wurde ihm klar, dass er sich nicht stellen würde.

Die Toten vom Eifelhof

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