Читать книгу Die Toten vom Eifelhof - Nicole Berwanger - Страница 16

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16. April – Ostersonntag - morgens auf dem Eifelhof

Rainer hatte kaum ein Auge zugetan. Immer wieder war er schweißnass aufgewacht. Zum Glück waren die Eltern gestern Abend tatsächlich im Wohnzimmer am Fernseher eingeschlafen. Daher war es ihm gelungen, unbemerkt durch den Flur in seine kleine Wohnung zu schleichen. Als er im Bett lag, kreisten die Gedanken einzig und allein um diese Maklerin, die er an der Hütte nach ihrer heftigen Auseinandersetzung so wuchtig gestoßen hatte, dass sie taumelte und sich den Kopf an der Kante des Außengeländers verletzt hatte. Als sie zu Boden fiel und er das Blut an ihrem Kopf sah, war er wie zu Eis erstarrt. Die Erinnerungen holten ihn ein und er sah wieder alles vor sich, als wäre es ein Kinofilm. Sie hatte sich nicht mehr gerührt, lag regungslos am Boden. Er war sich sicher, dass sie keinen Atemzug mehr machen würde. Ab da war er in einer Art Ausnahmezustand und agierte wie ferngesteuert. Er hatte sie getötet. Voller Panik durchwühlte er ihre Handtasche, nahm ihr Handy heraus und versenkte es im Weiher. Die Tasche warf er in den Wald. Dann zog er die reglose Frau ins Haus. Er war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Kurzentschlossen verließ er die Hütte, sperrte ab und rannte zum Auto. Ursprünglich hatte Rainer vorgehabt, dieser Maklerin klarzumachen, dass sie sein Erbe auf gar keinen Fall zum Kauf anbieten durfte. Er hatte sich überlegt, sie zuerst darum zu bitten, sollte sie aber uneinsichtig sein, würde er ihr drohen und sie notfalls in dem Wochenendhaus einsperren, und zwar so lange, bis sie zur Vernunft gekommen wäre. Keinesfalls hatte er vorgehabt, sie zu ermorden. Er war völlig verzweifelt darüber, dass die ganze Sache so aus dem Ruder gelaufen war.

In dieser fast schlaflosen Nacht hatte er sich überlegt, zurück zur Hütte zu fahren. Der Waldboden war weich genug, um ein großes Loch zu graben, und ihre Leiche darin zu vergraben. Er würde einige Gesteinsbrocken darüberlegen. Nicht mit der Absicht, dass es aussehen sollte wie ein Grab, sondern in erster Linie zum Schutz gegen wilde Tiere, damit sie die Leiche nicht ausgraben würden. Wenn es ihm nicht gelang, ein derart tiefes Loch zu graben, hatte er immer noch die Möglichkeit, sie im Fischweiher zu versenken.

Heute war Sonntag und seine Eltern gingen in der Regel morgens früh zur Kirche. Er musste in der Zeit die Tiere füttern. Es war Eile geboten. Er würde sich direkt danach auf den Weg zum Wochenendhaus machen. Wenn er schnell war, gelänge es ihm, den Hof zu verlassen, bevor seine Eltern aus der Kirche zurück waren. Falls es länger dauern würde, hatte er sich überlegt zu erzählen, er wäre die Ackerstücke und Wiesen aus ihrem Bestand abgefahren, um zu überblicken, wo man am besten den Kuhmist zur Düngung hinfahren könnte. Im Wald hätte er nach den Baumbeständen geschaut und überprüft, welche Bäume umgeknickt waren und demnächst zu Brennholz verarbeitet werden müssten. Mit dieser Erklärung wären seine Eltern äußerst zufrieden, da war er sich sicher.

Rainer legte eine Hacke und die große Schaufel ins Auto, genauso wie einen dicken Strick und eine alte Plastikplane, in die er die Leiche einwickeln wollte. Er legte ein paar Handschuhe dazu, damit er sich nicht die Finger an der blutverschmierten Frau verschmutzen würde. Beim Gedanken an die tote Frau wurde ihm wieder übel. Niemals im Leben war er mit einer Toten in Berührung gekommen. Selbstverständlich hatte er schon totgeborene Kälber oder Ziegen entsorgt, aber das hier war etwas völlig anderes. Ihm schlackerten die Knie, als er sich in sein Auto setzte. Am liebsten hätte er das ganze Vorhaben wieder fallen lassen. Er spürte, wie sein Puls in die Höhe schnellte und er feuchte Hände bekam. Ein unangenehmes Kribbeln durchdrang seinen gesamten Körper. Er musste sich jetzt einfach zusammenreißen. Es war reine Zeitverschwendung, noch länger abzuwarten. Die Leiche würde nicht von selbst verschwinden, und was, wenn seine Eltern eines Tages auf die Idee kämen, zum Wochenendhaus zu fahren, um zu grillen, oder bloß mal nach dem Rechten zu schauen?

Er nahm allen Mut zusammen und stellte den Motor seines Autos an. Auf dem Weg zum Wochenendhaus beruhigte er sich etwas. Im Auto dudelte entspannende Musik. Er öffnete das Fenster und spürte den frischen Fahrtwind. Es half einen klaren Kopf zu bekommen. Dann kam er an der Stelle vorbei, an der er die Immobilienmaklerin gebeten hatte, ihr Auto stehen zu lassen. Ihr Auto stand unberührt auf dem gleichen Platz. Auffallen würde es hier höchstens einem Wanderer, der sich auf diesen Weg verirrt hatte. Ansonsten kam hier nur selten ein Mensch vorbei. Je näher Rainer dem Waldhaus kam, umso größer wurde seine Nervosität. Plötzlich war sie wieder da, die Erinnerung an diese gemeinsame Autofahrt und ihre schwerwiegenden Folgen.

Die Toten vom Eifelhof

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