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Man hätte mich mit verbundenen Augen in Kassel aussetzen können und ich hätte trotzdem nach Hause gefunden. Nach dem Treffen mit Riva Levin war ich jedoch derart in Gedanken versunken, dass ich beinahe in eine Versammlung dieser rot-weiß geringelten Lollies gerauscht wäre, die das Verkehrsamt gefühlt an jeder Straßenecke hatte aufstellen lassen. Ich hegte den Verdacht, dass sie diese Dinger in großen Mengen günstig erstanden hatten, und nun nicht wussten, wohin damit. Überall lungerten kleine Grüppchen dieser Blechkameraden und behinderten das Abbiegen. Um ihnen auszuweichen, war ich auf die falsche Spur gewechselt und fuhr auf dem Weg in die Innenstadt einen riesigen Umweg. Es war, als ob mein Hirn Zeit schinden wollte, um nachzudenken.

Während ich den Ford durch die Straßen lenkte, musste ich an das denken, was Riva Levin mir gezeigt hatte.

Sie hatte mich in das Arbeitszimmer ihres Mannes Roman geführt. Zunächst verstand ich nicht, worauf sie hinauswollte. Der Raum wurde dominiert von vollgestopften deckenhohen Regalen, deren Bretter sich unter schweren Buchrücken bogen. Dann fielen mir eine alte Schreibmaschine und ein von zerknüllten Seiten überquellender Papierkorb auf. Auf Levins Schreibtisch stand eine Flasche mit dem Rest einer dunkelbraunen Flüssigkeit, daneben ein Glas mit einem eingetrockneten Rand. Auf ihren Wink hin näherte ich mich dem Tisch. Ein Montblanc-Füller auf einer Kladde fiel mir ins Auge, die Zeilen darin dicht beschrieben, ohne Punkt und Komma; manisches Gekritzel. Ich bemerkte eine durchgesessene Stelle auf dem Schreibtischstuhl und einen speckig glattgewetzten Fleck am Schreibtisch, wo Stunde um Stunde der rechte Unterarm über das Holz gewischt hatte. Ich schaute nicht auf den Arbeitsplatz eines erfolgreichen Verlagsmanagers, ich starrte direkt in den Abgrund eines Getriebenen, der verzweifelt versucht haben musste, einen Dämon auf Abstand zu halten.

»Roman war oft allein in dem Ferienhaus am Edersee«, hatte sie gesagt. »Als ich von seinem Tod erfuhr, habe ich keine Sekunde an einem Selbstmord gezweifelt. Sie haben den gleichen Ausdruck in den Augen wie er. Sie erscheinen mir wie jemand, der vor sich selbst davonläuft.«

Wie betäubt war ich fast aus dem Haus getaumelt, ich hatte sogar meinen Mantel vergessen. Salvina war bis zum Tor hinter mir hergerannt.

Ich hatte zurückgeschaut und Riva Levin entdeckt, die oben im Fenster stand. Gegen das verspiegelte Glas war sie nur schemenhaft zu erkennen gewesen, dennoch wusste ich genau, mit welchem Blick sie mich bedacht hatte. Tausendmal hatte ich ihn bei meiner Exfrau gesehen, bis er eines Tages unerträglich geworden war.

Ich war mit dem Vorsatz in den alten Ford gesprungen, den direkten Weg zu Sharp zu nehmen. Ich würde ihm erklären, dass ich der Falsche sei, um sein Problem zu lösen. Schließlich war ich Anwalt und kein Privatermittler. Und ich war vielleicht nicht unbedingt ein erfolgreicher Rechtsverdreher, als Philip-Marlowe-Verschnitt hingegen hatte ich bereits beim ersten Auftritt auf ganzer Linie versagt.

Endstation Nordstadt

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