Читать книгу Sarah Boils Bluterbe - Nicole Laue` - Страница 53
Tyrannus rex..ich bin ein Monster!
ОглавлениеAllerdings war dieses Vieh einige Meter groß, also nicht mit mir zu vergleichen und es war ausgestorben. Aber immerhin war es mal ein Jäger gewesen. Genauso wie die angeblichen Vampire.
Meine abschweifenden und nicht mehr ganz funktionierenden Gedanken wurden von der Ausführung meiner Mutter unterbrochen: „Du bist ein Mensch. Das verdankst du deinem Vater. Eines Nachts, die Wehen setzten gerade ein, da schlug jemand an unsere Türe. Drei seltsame Mönche in schwarzen Kutten tauchten vor unserem Haus auf. Diese hatten über einen ihrer Seher ein Zeichen erhalten. Sie teilten mir mit, mein Kind sei in dieser Vision aufgetaucht und es sei ein Kind des Satans und müsse sterben. Es sei ein Dämon, eine Geburt der Hölle, gezeugt von einem Untoten. Sie seien gekommen um das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse zu erhalten. Sie seien die Wächter zwischen den Welten. Die Wächter Gottes und sie müssten das Böse vernichten. Christopher starrte an diesem Abend die Mönche ungläubig an. Er wollte sie aus dem Haus jagen, doch sie waren durch eine Art Kraftquelle geschützt. Man prallte regelrecht an ihnen ab. So als wäre eine große, gläserne Glocke um ihre Körper gestülpt. Sie waren gekommen, um dich zu töten. Mein eigenes Kind wollte man mir nehmen. Der Schock löste bei mir die Wehen aus. Unter Stöhnen, krampfhafter Gestik wehrte ich ab, dass sie das nicht machen könnten. Christopher habe mir schließlich das Leben gerettet und er habe seine Seele dafür zurückbekommen. Er würde jede Nacht für seine Taten büßen, all die Albträume die ihn plagten, all das Leid, dass er den Menschen angetan hatte. Dass er kein Geschöpft des Bösen war.“
Sie hielt kurz inne und auch ich spürte, dass ich aufgehört hatte, zu atmen. Dann fuhr sie fort.
„Christopher hatte in jener Nacht geschwiegen, doch ich sah ihn das erste Mal weinen. Er sprach kaum hörbar mit gesenktem Kopf zu den Mönchen: „Ich würde alles tun für das Leben meines Kindes. Nehmt mich in den Tod, aber schenkt meinem Kind das Leben. Es ist auch das leibhaftige Kind meiner Frau. Einer Sterblichen. Ich bin bereit zu gehen, aber schenkt diesem unschuldigen Wesen das Leben. Wenn ihr die seid, die ihr behauptet zu sein, dann steht es in euer Macht. Wenn ihr die Mönchsboten seit, die das Gleichgewicht des Lebens erhalten, dann habt ihr die Möglichkeit dieses Kind zu retten. Die Mönche hatten ihn erstaunt angesehen. Einer der Männer beugte sich vor und konnte es nicht fassen, dass Christophers Augen fähig waren, Tränen zu produzieren. Sie hatten ihn gefragt, wie er das machen würde, da sie nur die toten Wesen kannten. Die kalten, gefühlslosen Nachtjäger. Die seelenlosen Dämonen, die Blutsauger und Feinde der Menschheit. Dein Vater hat nicht viel erwidert, er hat ihnen nur erklärt, dass es die Liebe sei, die ihm Macht gab, das zu sein, was er zu dem Zeitpunkt war. Ein liebender Ehemann und werdender Vater. Als dein Vater sie anflehte, sie mögen doch den Teil seiner Seele nehmen und mit deiner Verbinden, damit du leben darfst, als ganzes Wesen des Lichts, da waren die alten Männer irritiert.“
Die Stimme meiner Mutter wurde leise und jeder Laut verließ nur noch gequält ihre Lippen. Ich wusste, ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Ich brauchte es nicht zu sehen, um es zu spüren. Bevor sie langsam und erregt fortfuhr, rang sie hörbar nach Luft.
„Die Männer hatten sich daraufhin eine Weile beraten. Dann trat der Älteste vor und erklärte uns, dass sie nicht wüssten, wie ein Kind von einem Untoten gezeugt werden konnte. Sie sprachen auf eine sehr seltsame und mir befremdete Weise, und meinten, sie wüssten wohl sehr viel, dennoch nicht alles. Aber sie seien die Hüter zwischen Gut und Böse. Alles habe von Anbeginn der Zeit seinen Sinn. Sie boten uns unerwartet einen Tausch an. Dein Vater sollte sich im Namen des Herren neu taufen lassen und das Kind sollte im selben Moment getauft werden, wie er. Sie würden mit dieser Taufe ein neues Glaubensbekenntnis fordern und gleichzeitig seine Seele mit deiner verbinden. Sodass du ein ganzes Kind Gottes sein würdest. Dafür müsste dein Vater jedoch diese Welt verlassen. Denn in dem Moment, wo er den Teil seiner Seele opfern würde, sein eigenes Dasein um dich zu retten, würde das Kind ein Geschöpf des Lichts sein. Er müsste sich jedoch freiwillig diesem Ritual unterziehen, denn nur wenn es sein eigener Wille sei, könnten sie das Kind auf die Seite des Lichts ziehen.“
Meine Mutter hielt einen Moment inne. Ihr fiel es schwer zu sprechen. Auch ich musste tief Luft holen, ich hatte die ganze Zeit immer wieder den Atem angehalten. Alles klang so verworren und unglaublich.
Mit weinerlicher Stimme und gepressten, teils mit Schmerz umwehten, teils mit Wut und unverständlichen Worten bekleideten Sätzen, fuhr sie fort.
„Dein Vater hatte eingewilligt um dein Leben zu schützen. Er hatte mich in den Arm genommen, mir leise ins Ohr geflüstert, es würde alles gut werden, ich solle ihm vertrauen. Und das tat ich. Das waren die letzten Worte, die ich je von ihm hören sollte. Ich schrie plötzlich vor Schmerzen, mein Herz brannte wie Feuer und mein Körper wurde durchzogen von Wehen. Dann ging alles sehr schnell. Kurz danach warst du da und erblicktest das Licht der Welt. Du warst so wunderschön. Dein Vater küsste dich und gab dich in die Arme der Mönche, die sogleich mit ihrer Weihe begannen. Über deinem kleinen Köpfchen bildetet sich ein helles Licht und strahlte durch den Raum, als wäre die Sonne mitten in der Nacht aufgegangen. Die Mönche sprachen eine mir fremde Sprache und der Körper deines Vaters begann langsam zu glühen. Er schrie nicht, kein Ton verließ seine Lippen, bis nur noch ein Häufchen Asche übrig blieb. Ich hatte in jener Nacht schweigend zugesehen, betäubt von den Dingen, die sich vor meinen Augen abgespielt hatten. Du aber warst ein Mensch. Vollkommen ein Mensch. Die Mönche verbeugten sich und verschwanden ohne viele Worte. Ich bin fort gegangen, um dich zu schützen. Ich habe Köln verlassen. Darum bist du in Berlin aufgewachsen. Allerdings hat es dich immer wieder an den Ort deiner Geburt zurück gezogen. An jenen Ort, an dem deine Geschichte begann. Du solltest nie erfahren was geschehen war. Sarah, ich habe dich in dem Glauben gelassen, dass dein Vater bei deiner Geburt verunglückt ist, damit du von all dem verschont bleibst. Ich wollte dass du ein freies und unbeschwertes Leben führst. Christopher hatte mir während der Schwangerschaft erklärt, was passieren kann. Dass eines Tages die Gesetze der Vampire gebrochen werden und du nicht mehr sicher sein würdest. Ich wusste, dass die Gefahr bestand. Wir hatten aber beide die ganze Zeit gehofft, dass dieser Moment nie eintreten würde.“
Ich stützte mich auf die Lehne des altdeutschen Küchenstuhls. Mir war heiß und schwindelig. Ich war also das Ergebnis einer Sterblichen und eines Monsters. Das alles hier musste einer meiner widerlichsten Träume sein. Ich kniff mir so fest ich konnte zitternd ins Bein. `Aua`…. es tat höllisch weh. Das mit dem Traum hatte sich wohl bis dahin erledigt. Zweite Möglichkeit, meine Mutter war völlig verrückt geworden, trank Alkohol und schmiss sich jeden Abend einen Trip ein. Aber auch das konnte ich eigentlich ausschließen.
„Was zum Henker ist eigentlich los hier? Warum hast du mir das vorher nie erzählt?“
Tausende Fragen rasten wild und hektisch durch meinen Kopf. Natürlich war es eine völlig blöde und überzogen Frage, aber mir fehlte jeglicher klare Gedanke, um präziser zu hinterfragen ,was ich eigentlich zuerst wissen wollte.
„Und was will dieser Lionel von mir?“
Wie benommen sank ich zusammen, die Hände stützten unwillkürlich meinen Kopf. Meine Mutter fuhr fort: „ Lionel war einer der Vampire, die dein Vater erschaffen hatte. In der Zeit als die Vampire noch jagten, war er sein Gefährte auf Streifzügen. Als jedoch alle Vampire verbannt wurden und das Tor sich schloss, blieb Lionel ebenso zurück wie dein Vater. Beide flüchteten und sie wussten, dass es ihr Untergang war, wenn man sie entdeckte. Die Menschen würden erst Ruhe geben, wenn sie jeden einzelnen ausgerottet hätten. Damals war Macht und Magie, sowie das Hexenhandwerk stärker vertreten als heute. Die Menschen haben im Laufe der Jahrhunderte den Glauben verloren und so ging ein Teil ihrer Gaben einfach mit der Zeit verloren. Lionel passte sich wie dein Vater der Welt an und lernte schnell menschliche Züge zu zeigen. Er zügelte seine Blutgier, dämmte seinen Zorn ein, lernte sich zu kontrollieren. Ab und zu tauchte er bei uns auf, versuchte deinen Vater davon zu überzeugen, dass es Zeit war, die alte Leidenschaft zu wecken. Wieder jagen zu gehen. Dein Vater gab sich redlich Mühe, das Böse in ihm zu überwinden. Er gab ihm die Aufgabe, Köln zu überwachen. Doch Lionel war labil, er kippte ständig in seiner Meinung wieder um. Es wäre nun mal seine Natur, menschliches Blut zu trinken, er hätte es satt, ständig nur das schmutzige Blut irgendwelcher Tiere zu sich zu nehmen oder auf Spenden angewiesen zu sein. Schließlich wäre der Kreis der Hexen längst verstorben. Die Menschen hätten vergessen, dass es Vampire gab. Er war sehr überzeugend. Doch dein Vater hat sich darauf nicht eingelassen. Manchmal habe ich mich gefragt, warum er ihn nicht einfach beiseite geschafft hat. Nachdem dein Vater aber tot war, habe ich Lionel nie wieder gesehen.“
Ihre Stimme klang rau und verletzt, alte Wunden waren aufgerissen.
Leise fügte sie kaum hörbar ins Telefon: „Dein Vater war kein Monster mehr.“
Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich musste raus. Einfach nur raus. Meine Kehle war zugeschnürt und ich stand kurz davor zu ersticken. Ich rang nach Luft: „ Mom, was will dieser Lionel von mir?“
„Sarah, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass er nie ohne Grund kommen würde. Er ist zwar der Wärter in eurer Stadt und seine Aufgabe ist es, die Stadt sauber zu halten, damit keiner der Altvampire durchdreht und Menschen anfällt. Lionel kann nicht so dumm sein, sich dort anzuschießen, denn dann würden die Menschen in früher oder später auch wieder jagen. Aber ich traue ihm nicht über den Weg. Wenn er auftaucht, dann will er grundsätzlich nichts Gutes. Lionel war nicht wie dein Vater. Er hat einen Verstand, aber keine Seele. Er fühlt nichts. Du musst dich von ihm fern halten.“