Читать книгу Fälle und Lösungen zum StGB - Nils Neuwald - Страница 11

1.4.1 Tatbestand

Оглавление

Grundvoraussetzung für die Verwirklichung des Tatbestandes ist die Handlung. Diese kann in Form von aktivem Tun bei Begehungsdelikten oder in Form von Unterlassen bei Unterlassungsdelikten vorliegen.

Liegt keine Handlung im strafrechtlichen Sinne vor, erübrigt sich eine strafrechtliche Prüfung. Keine Handlungen sind z. B. alle Körperbewegungen, die nicht vom Willen getragen sind, wie Reflexe, Schlaf, Hypnose, Bewusstlosigkeit etc.

Die Tatbestandsmäßigkeit einer Handlung gibt an, dass durch das Tun oder Unterlassen des Täters die im jeweiligen Gesetz, in der Regel das Strafgesetzbuch, aufgeführten Merkmale erfüllt werden. Diese werden als sog. Tatbestandsmerkmale bezeichnet. Sie geben an, welches Verhalten vom Gesetzgeber unter Strafe gestellt wurde.

Die Prüfung des Tatbestandes beginnt mit einem im Konjunktiv formulierten Einleitungs- bzw. Obersatz. Dabei ist ein kurzer Bezug zur konkreten Tathandlung herzustellen, unter Angabe der gesetzlichen und im konkreten Sachverhalt in Betracht kommenden Tatbestandsmerkmale.

Formulierungsbeispiel für den objektiven Tatbestand

Der A müsste den objektiven Tatbestand der Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB verwirklicht haben, d. h. einen anderen Menschen körperlich misshandelt oder an der Gesundheit beschädigt haben.

In der Prüfung des Tatbestandes wird zwischen dem objektiven Tatbestand und dem subjektiven Tatbestand unterschieden.

Objektiver Tatbestand

In der strafrechtlichen Fallbearbeitung des objektiven Tatbestandes erfolgt ein Abgleich des vorliegenden Sachverhaltes mit den Tatbestandsmerkmalen der in Frage kommenden Strafnorm.

■ andere Person

■ körperlich misshandelt

oder

■ an der Gesundheit schädigt

Jedes Tatbestandmerkmal wird durch eine Definition genauer erklärt und erleichtert so den Abgleich mit dem vorliegenden Sachverhalt.

■ andere Person

„Eine andere Person ist jeder außer dem Täter selbst.“

■ körperlich misshandelt

„Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht ganz unerheblich beeinträchtigt wird.“

oder

■ an der Gesundheit schädigt

„Eine Gesundheitsschädigung ist die Hervorrufung oder Steigerung eines körperlichen oder seelischen Krankheitszustandes.“

Die Tatbestandsmerkmale variieren von Strafnorm zu Strafnorm. Die dazugehörigen Definitionen müssen vom Bearbeiter der Prüfung beherrscht werden, um eine schnelle und zügige Bearbeitung der Aufgabenstellung gewährleisten zu können.

Anhand der zu den Tatbestandsmerkmalen gehörenden Definitionen erfolgt die Subsumtion, d. h. der Abgleich zwischen Sachverhalt und Gesetz. Hierbei sollte jedes einzelne Tatbestandsmerkmal für sich allein betrachtet werden. Die Prüfung erfolgt optimalerweise im sog. 4er-Schritt. Dieser besteht aus:

1. Einleitungssatz/Obersatz (im Konjunktiv)

2. Definition (des Tatbestandmerkmales)

3. Subsumtion (Abgleich mit dem Sachverhalt)

4. Feststellung/Ergebnis

Formulierungsbeispiel für das Tatbestandsmerkmal „körperlich misshandelt“

A müsste einen Anderen körperlich misshandelt haben.

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht ganz unerheblich beeinträchtigt wird.

Der A schlägt dem B mit der Faust ins Gesicht, so dass dieser Schmerzen erleidet und sich ein Hämatom am Auge gebildet hat. Die körperliche Unversehrtheit und das körperliche Wohlbefinden des B wurden beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung ist nicht unerheblich.

Somit wurde der B körperlich misshandelt.

Es sind nicht alle Tatbestandsmerkmale gleich umfänglich zu bearbeiten. Offensichtliche und unproblematische Gegebenheiten können zusammengefasst werden. Ausnahmsweise kann die Prüfung einzelner Tatbestandsmerkmale auch im 3er-Schritt erfolgen (siehe Formulierungsbeispiel zu „eine andere Person“).

Formulierungsbeispiel für das Tatbestandsmerkmal „eine andere Person“

A müsste eine andere Person körperlich misshandelt haben.

Eine andere Person ist jeder außer dem Täter selbst.

B ist eine andere Person.

Bei bestimmten Sachverhalten kann es vorkommen, dass mehrere Tatalternativen gleichermaßen erfüllt sind. So sieht der Gesetzgeber beispielsweise bei der Körperverletzung die Tatalternativen „körperliche Misshandlung“ und „an der Gesundheit schädigen“ vor. Zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes reicht es aus, wenn lediglich eine Tatalternative verwirklicht wurde. Da gemäß Aufgabenstellung nur geprüft werden soll, „ob“ sich eine Person strafbar gemacht hat, brauchen nicht alle in Betracht kommenden Tatbestandsmerkmale geprüft zu werden.

In den Prüfungen des mittleren Dienstes reichte es aus, wenn nur eine der in Frage kommenden Tatbestandsalternativen/-varianten bzgl. der Strafbarkeit des Täters geprüft wird. Es wird empfohlen, die einschlägigere Tatalternative zu prüfen. Es ist zwar nicht falsch, mehrere in Betracht kommende Tatbestandsmerkmale zu prüfen, jedoch kostet dies wertvolle Bearbeitungszeit und man erhält keine zusätzlichen Punkte in der Bewertung.

Subjektiver Tatbestand

In der strafrechtlichen Fallbearbeitung des subjektiven Tatbestandes werden nur bestimmte Absichten, Motive oder Tendenzen des Täters als gesetzliche Tatbestandsmerkmale geprüft. Der Vorsatz selbst wird nach der kausalen Handlungslehre hingegen erst in der Schuld geprüft. Absichten und Motive des Täters kommen nur bei wenigen relevanten Strafnormen, wie z. B. beim Diebstahl (§ 242 StGB), dem Erschleichen von Leistungen (§ 265a StGB) oder der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) vor.

Ausgangssachverhalt

Sie bestreifen den Hamburger Hauptbahnhof, dabei beobachten Sie, wie der Jugendliche M eine Geldbörse aus der Handtasche der Reisenden D entwendet und die Geldbörse anschließend in seiner Jackentasche versteckt.

Aufgabe

Prüfen Sie, ob sich der M durch sein Verhalten strafbar gemacht haben könnte!

Nachdem die objektiven Tatbestandsmerkmale des Diebstahls (Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache) geprüft wurden, schließt sich beim Diebstahl die Prüfung des subjektiven Tatbestandes (Absicht der rechtswidrigen Zueignung) an. Die Prüfung des Vorsatzes (Handeln mit Wissen und Wollen) hingegen erfolgt erst in der Schuld.

Formulierungsbeispiel für das subjektive Tatbestandsmerkmal „in der Absicht der rechtswidrigen Zueignung“

Die Wegnahme müsste in der Absicht der Zueignung erfolgt sein.

Zueignungsabsicht ist die Absicht des Täters, den Eigentümer einer Sache zu enteignen und sich selbst oder einem Dritten die Sache anzueignen.

Es müsste also Enteignungswille und Aneignungsabsicht vorliegen.

Enteignungswille bedeutet, dass der Täter es zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Eigentümer auf Dauer von der Sache ausgeschlossen wird.

M beabsichtigt nicht, der D die Geldbörse zurückzugeben. Er nimmt in Kauf, dass die D dauerhaft von der Sache ausgeschlossen wird und nicht mehr darüber verfügen, d. h. die Sache selbst nutzen kann.

Aneignungsabsicht bedeutet, dass es dem Täter darauf ankommt, sich oder einem Dritten zumindest vorübergehend an die Position des Eigentümers zu setzen, um die Sache beliebig wirtschaftlich nutzen zu können.

Es war gerade das Ziel des M, die Geldbörse der D an sich zu nehmen, um diese wie ein Eigentümer nutzen zu können.

Somit handelte der M mit Enteignungswille und Aneignungsabsicht, insgesamt in der Absicht der Zueignung.

Es müsste die Rechtswidrigkeit der Zueignung vorliegen.

Die Zueignung ist rechtswidrig, wenn die Zueignung der materiellen Eigentumsordnung widerspricht und der Täter somit kein Recht zur Zueignung hat.

Der M hat keinen Rechtsanspruch auf die Geldbörse und damit keinen Anspruch auf Zueignung der Sache.

Die Zueignung war damit rechtswidrig.

M hat somit in der Absicht der rechtswidrigen Zueignung gehandelt.

Die Prüfung des Tatbestandes endet mit dem feststellenden Ergebnis, dass der Tatbestand erfüllt ist.

Formulierungsbeispiele für das Ergebnis der Tatbestandsprüfung:

Der A hat den Tatbestand der Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 1. Alt. StGB verwirklicht.

Der Tatbestand des Diebstahls gem. § 242 Abs. 1 StGB wurde durch M verwirklicht.

Fälle und Lösungen zum StGB

Подняться наверх