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Übergriffe

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Vorgestern gab’s in der Hochschule einen Gastvortrag zum Thema Islam. Der Dozent fragte, wer von uns sich schon mit dem Koran auseinandergesetzt hätte. Ich meldete mich als Zweite. Danach brachte er die sexuellen Übergriffe, Diebstähle und Körperverletzungen auf Dutzende Frauen in der Silvesternacht 2015/16 zur Sprache. Die Vorfälle in Köln und Hamburg würden in der Gesellschaft heftigen Unmut gegenüber Asylbewerbern auslösen, weil es sich bei den Tatverdächtigen (die Zahlen steigen) um junge Männerbanden mit nordafrikanischem und arabischem Aussehen gehandelt haben soll. Wie so etwas passieren könne, wollte der Vorträger wissen. Dabei bemühte er sich zu betonen, aufgrund dieser Ereignisse nicht pauschalisieren zu dürfen, und erläuterte, dass der Koran durch seine vagen und widersprüchlichen Formulierungen viel Raum für Fehlinterpretationen biete, und nicht zuletzt in den Aussagen zur Geschlechtergleichberechtigung unterschiedlich ausgelegt werde. Genau darin bestehe die Gefahr. Zwar lasse sich aus Sure 33,35 ableiten, dass Mann und Frau vor Gott gleichwertig seien; gemäß Sure 4,34 stünden die Männer jedoch über den Frauen.

Diese Darlegung, die mir nicht neu war, sorgte wegen des letzten Verssatzes „... wenn ihr fürchtet, dass die Frauen sich auflehnen, dann ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie“ sofort für Irritation und Verärgerung in meiner Klasse. Mit süffisanter Miene beobachtete ich den Klamauk und dachte: Von nix ’n blassen Schimmer ... Hauptsache das Beil schwingen und mich zerstückeln, bis mir der Kragen platzte und ich an der Diskussion teilnahm. „Ist die Bibel etwa nicht von Frauenverachtung und -unterdrückung gekrönt? In jeder Religion sind mittelalterliche Traditionen verankert. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Mehrheit der Muslime, die mit dem Strom der Moderne schwimmt, genauso empört ist über das Festhalten einiger an eindimensionalen Denkweisen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass sich neben den Menschenrechtserklärungen im Islam durchaus nicht unwesentlich auf den Koran berufen wird. Die Schriften müssten daher gründlich überarbeitet, ergänzt und aktualisiert werden. Das passiert ja auch mit unserem Grundgesetz, in das die christlichen Werte einfließen, ohne von ihnen dominiert zu werden. Oder schlagt ihr die Bibel auf, wenn’s um Richtlinien geht?? Nein, denn Religion findet im unteren Rang Platz.“ Verpeiltes Gaffen. Kein Mucks. Eine Antwort hatte ich auch nicht erwartet. Zu sehr belastete mich, dass mit der Konfrontation die von mir abgekapselte, monatelange und anhaltende Ausgrenzung wieder aufkam. Meine Kameraden sollten sich schämen für das, was sie mir angekreidet und damit in Gang gebracht haben. Wenn die wüssten, wie sehr ich darunter leide, dass sie die Zeit meines Studiums kolossal und restlos verändern. Würden sie mich überhaupt begreifen oder sich gar entschuldigen? Das bezweifle ich ... Darüber hinaus wühlte mich aber noch eine ganz andere Erinnerung auf – ausgelöst durch die Berichte aus der Silvesternacht. Ich las von grob eingeführten Fingern im Genitalbereich und litt enorm mit den Opfern, weil ich die Ohnmacht, die sie empfunden haben müssen, ein Stück weit nachvollziehen kann. Als ich vierzehn Jahre alt war, ist mir das Gleiche widerfahren. Unter anderen Umständen ... was es für mich nicht besser macht. Ich paddelte mit meiner damals zwölfjährigen Freundin – ’n Hungerhaken, flach wie ’ne Flunder – auf einer Luftmatratze. Indessen näherte sich uns ’ne Gruppe von sechs ausländischen Männern zwischen achtzehn und Mitte zwanzig, die uns erst spielerisch, dann stetig aufdringlicher werdend anbaggerte und mich sogleich zur Flucht alarmierte. Zumal wir immer weiter aufs Meer hinaustrieben. Meine Freundin hingegen fühlte sich geschmeichelt, erkannte das Risiko nicht und wollte bleiben. Zu ihrem Unmut hatten’s die Typen auf meine Kurven abgesehen. Während ich mich schreiend, fischartig am Angelhaken zappelnd und windend zur Wehr setzte, rettete sie ihren eigenen Arsch und suchte das Weite. Ich wurde unter Wasser gedrückt, bekam keine Luft mehr. Hände überall. Schmerzhaftes Brüstegrapschen, Brennen zwischen den Beinen. Nach Sekunden des atemlosen Kampfes tauchte ich an der Oberfläche auf, stach den Kerlen in die Augäpfel und trat heftigst in ihre Weichteile. Auf diese Weise gelang es mir, mich aus den Fängen zu befreien und in Windeseile davonzukraulen. Ende der Geschichte: Meine Freundin mimte das Unschuldslamm, mein Vater glaubte kein Wort und meine Mutter war zutiefst bestürzt. Das Gefühl völliger Wehrlosigkeit gehört zu den schlimmsten Dingen, die ich mir ausmalen kann. Nun beschäftigt mich die Frage, ob die in Köln von den Männern ausgegangene Aggressivität und organisierte, sexualisierte Gewalt an Frauen Signale gegen Freizügigkeit setzen sollen, um Zwanglosigkeit, Unabhängigkeit und Lebensgenuss einzuschränken. Alias Bestrafung und Folter von Ungläubigen? In Ägypten und anderen Nationen des Nahen Ostens sind Belästigungen dieser Art weit verbreitet. Offenbar meint man dort, der Westen gebe in Musikvideos und in der Werbung sexuelle Freiheiten vor. Nämlich „leicht zu habende“ Mädchen, die dem Anschein nach in mancher Augen Frischfleisch oder Freiwild darstellen ... Vielleicht wäre das alles nicht passiert, wenn die Damen hierzulande verschleiert gewesen wären. Wohin soll das führen? Ob sich Muslimas wirklich freiwillig verhüllen – unter anderem zu ihrem Schutz – kann ich nicht beurteilen. Wenn der Hidschab oder die Burka aus religiöser Überzeugung getragen, sogar als eine Form der Emanzipation verstanden werden, und eben nicht zum Zeichen der politischen Ideologie des Islamismus, verstehe ich das. Die Kehrseite dessen, dass zahlreiche von ihnen zur Verschleierung und zum Verzicht auf ihre äußere Individualität gezwungen und unter dem Deckmantel der Ehre drangsaliert werden, findet bei mir wiederum keine Akzeptanz. Unter diesen Voraussetzungen möchte ich mir erlauben zu behaupten, dass weder das Kopftuch, die Ganzkörperverhüllung noch solche Männer, die sich vermessen, derart die weiblichen Entscheidungs- und Entfaltungsmöglichkeiten einzuschränken; Reinheit und Treue zu fordern; ihre Gattin zu Gehorsamkeit zu verpflichten; oder die körperliche Überlegenheit als Machtinstrument zu benutzen, nicht zu Deutschland passt. Es geht mich nichts an, und doch geht’s mich was an. Und zwar dann, wenn dieser Patriarchalismus nach Europa geschleppt wird. Zumal ich mich selbst für eine „relativ“ emanzipierte Frau halte, die sich von keinem Kerl herumkommandieren und bevormunden lässt. Meine Veranschaulichung mag einen einseitigen und kausalen Eindruck machen. Dennoch stütze ich mich nicht nur auf Hypothesen, sondern auch auf Erzählungen. Um mal ein Extrem-Beispiel zu nennen: Als Jugendliche führte ich eine unbeständige Affäre mit einer Neunzehnjährigen, die ihre Mutter häufig in Hamburg besuchte und bauchfrei auf Lesbenpartys tanzte, aber aus Liebe zu ihrem Vater, der sie zwangsverheiraten wollte, immer wieder zurück nach Saudi-Arabien kehrte. Trotz des Konflikts, ihre Homosexualität verleugnen und sich unter einer Nikab verstecken zu müssen. Und trotz ihrer Kritik an dem Auseinandergrätschen zwischen den westlichen und islamischen Rechten. Die Scharia, sagte sie, fuße nämlich auf den Gesetzen und Normen aus dem Koran und der Sunna (Überlieferungen von Taten und Aussprüchen des Propheten Mohammad), vermische Gesellschaft, Religion und Politik. Demzufolge würden nicht nur das gemeinschaftliche und private Leben (Riten, Ehepflicht, Scheidung etc.) sowie die Glaubenspraxis geregelt, sondern auch menschenverachtende, folternde Haft-, Prügel- und Todesstrafen (Steinigung usw.). Ich weiß noch, wie sehr ich mich in ihre Schönheit – schwarze dicke Locken, kleine, zierliche Statur – verknallt hatte. Und so wurden ihre Qualen schnell zu den meinen. Sie fürchtete sich entsetzlich vor den möglichen Konsequenzen (etwa Auspeitschung oder Verbannung), die ihr bevorstehen würden, wenn ich sie im Bett entjungfert hätte. Was aus ihr geworden ist ... keine Ahnung. Der Kontakt riss irgendwann ab. Wozu solche Gräueltaten? Weil Gott es will? Quatsch! Das Thema Religion ist jedoch grundsätzlich nicht mein Ding – ganz gleich, ob Christen-, Judentum oder Pipapo. Und erst recht keine Radikalisierungen – seien sie religiös, politisch oder sozial motiviert. Mir hat man nämlich, als ich klein war, eingebläut, Gott sehe alles. Infolgedessen beobachtete er mich auch dabei, wie ich mir die Schnauze meines Teddys zwischen die Oberschenkel presste, in eine Ecke meines Kinderzimmers kackte oder Frösche sezierte. So fangen vermutlich Psychosen und Wahnvorstellungen an. Denn Gott straft die Sündigen. Immerhin werden heute vermehrt seine Barmherzigkeit und Liebe betont, und es wird dem Teuflischen weniger Beachtung geschenkt. Der Herr wird’s schon richten – noch so ’ne Floskel, die etliche als Vorwand zur Abgabe der Verantwortung und Rechtfertigung ihres Fehlverhaltens missbrauchen. Aber nur, weil ich selbst nicht gläubig bin, mir zum Zeichen meiner Negation mit sechzehn ein umgedrehtes Kreuz ins linke Handgelenk schnitt (das mittlerweile übertätowiert ist) und provokativ als Grufti in den Konfirmandenunterricht stolzierte, da der Herr mich vor gor nix verschonte, heißt das nicht, dass ich keinen Respekt vor denen habe, die es tun und brauchen, um sich aufgehoben zu fühlen und Halt in der Einsamkeit zu finden. Nichtsdestotrotz erwarte ich den gleichen Respekt gegenüber meiner Entscheidung, mich nicht für das Göttliche auszusprechen, die zehn Gebote und Inhalte der Bibel zu hinterfragen, weil sie durch „stille Post“ übermittelt wurden, die ich nicht wörtlich nehmen kann. Mir ist unklar, warum es nur einen Gott geben darf, wo es von allem mehrere gibt. Wieso Gott zumeist männlich dargestellt wird, obwohl mir ein mütterlicher Schutzengel eher zusagen würde. Und aus welchem Grunde die Kirchen zu Spenden aufrufen ... Für den Fall, dass unsere Gebete nicht erhört werden? Warum ich dies oder das nicht tun und selbstlos agieren soll, wo doch jeder persönliches Wohl anstrebt, und die Sünde ein unausweichliches Laster der Natur ist. Man kann im Sinne des gesunden Egoismus auch an sich selbst denken, ohne dass einem die anderen egal sind. Nach und nach kommen weitere silvesterähnliche Fälle ans Tageslicht, bei denen die Herkunft der Täter erst mal verschwiegen wurde, um nicht als ausländerfeindlich zu gelten. Viel zu spät beginnt die Politik, ihr Gutmensch-Image zu überdenken. Gruselig, was auf unserer Welt vor sich geht ... Die Welt Die Welt und ihr ganzes Leid ... Was ist die Welt – voller Hass und Gewalt? Menschen, die nicht respektieren, Immer öfter einander ignorieren ... Gegenseitig verletzen, Trauer schaffen, Wehren nur mit Händen oder Waffen. Lieben auseinanderbrechen, Ständig über andre sprechen. Das Leben besteht aus Kummer und Sorgen, Man fühlt sich verloren, kaum geborgen. Doch die Hoffnung, die stirbt zuletzt, Hat schon einige in Frieden versetzt. So viel Schönes zum Genießen, Freuden durch die Adern fließen. Lachen übers kleinste Glück, Bringt Liebe in die Welt zurück ...

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