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7.

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Fay hätte ihrem Vater die dampfende Teetasse, die vor ihm stand, am liebsten in das fahle Gesicht geschüttet. Die Wanduhr im Flur zeigte halb acht am Morgen; Fay war frisch geduscht, trug von Natalia perfekt gebügelte Jeans und ihr Kaugummi schmeckte nach Zitrone. „Wir müssen reden“, fing sie an und Richard sah kurz auf.

„Worüber?“

Fay zog die mittlerweile zerknickten Mahnungen aus ihrer Tasche und warf sie auf den Küchentisch. „Wenn die Hypnose wenigstens geholfen hätte. Wenn es die 390 Dollar wenigstens wert gewesen wären.“

Ihr Vater schwieg und drehte die Rechnung eines Dr. Foulton gedankenverloren in den Händen.

„Wie sollen wir das bezahlen?“, wollte Fay wissen, obwohl sie keine Antwort darauf erhalten würde.

„Die Frau eines Kollegen war dort, sie hat gute Erfahrungen mit dem Arzt gemacht“, erklärte Richard lahm.

„Und was hatte die gute Frau? Akutes Selbstmitleid? Einen Anfall von Verleugnung der Tatsachen? Die Dosenbierkrankheit?“

„Sei nicht so verbittert, Fay“, wies ihr Vater sie zurecht. „Noch treffe ich meine Entscheidungen selbst.“

„Und ich bezahle deine Hypothek!“ Fay wurde von ihrer Wut überrollt, als sie doch nach der Tasse griff und sie auf den Fußboden schleuderte. Das Porzellan zerplatzte mit einem Knall auf den Fliesen und der Erkältungstee sickerte unter die Küchenschränke. Die Mäuse in den Wänden würden sich freuen.

„Ich stehe für fünf Dollar die Stunde in diesem Donutladen und wünsche den Kunden einen guten Appetit, während ich ihnen nur ins Gesicht kotzen möchte!“

„Hör auf, so zu tun, als ginge es dir schlecht!“, brüllte Richard plötzlich zurück. „Ohne mich und deine Mutter würdest du in keinem Haus der Welt wohnen! Und deine Designertaschen und das scheiß Handy könntest du vergessen!“

„Das ich mir von meinem Geld gekauft habe! Von dem Geld, für das ich früh morgens Donuts herumschiebe! Wohin gehst du früh morgens?“ Fays Herzschlag wurde so laut, dass der besudelte Boden zu beben schien.

„Ich bin krankgeschrieben“, erwiderte Richard ruhiger. „Wenn du einen perfekten Vater willst, geh los und such ihn dir.“

„Darum geht es doch überhaupt nicht!“, schrie Fay zurück. „Würde ich deine hirnrissigen Ideen hier nicht gleich bezahlen, wäre nächste Woche das Auto weg!“

„Dann wäre das eben so.“ Ihr Vater tat, als würde er den Tee aufwischen, indem er ein Küchentuch abriss und unbeholfen in den Fugen herumtupfte. Nicht einmal das konnte er. „Wir brauchen das Auto doch gar nicht. Du brauchst es, um fremde Männer herumzufahren und dich beeinflussen zu lassen.“

Gleich würde sie zerbersten, dachte Fay nur. Sie würde in eine Million Teile zerspringen, wie die billige Tasse, und an den Händen ihres Vaters würde endlich für alle sichtbar Blut kleben.

„Seit der hier ist“, fuhr Richard fort und wischte den Tee von einer Ecke in die nächste, „benimmst du dich unmöglich. Der hat dir einen Floh ins Ohr gesetzt. Hast dich bei ihm ausgekotzt über mich, stimmt’s? Über den bösen Dad, der überarbeitet ist und nicht mehr wie ein Motor für sein verzogenes Töchterchen weiterläuft. Du brauchst gar nicht heulen.“

Fay merkte erst jetzt, dass ihr die Tränen gekommen waren. Um was weinte sie hier eigentlich? Um diese himmelschreiende Ungerechtigkeit, die ihr widerfuhr? Um das Unrecht, das er ihr und sich selbst seit Jahren antat? Um die offenkundige Geringschätzung, die er Joel entgegenbrachte?

„Nat hat dir zwei Flaschen Gin gekauft, stehen in der Garage, damit sie keiner sieht. Verreck dran“, brachte sie noch heraus, dann floh sie aus diesem Haus, das niemand Geringerem als der Bank gehörte und das unter der Last von vier Hypotheken irgendwann zusammenbrechen würde. Da konnte sie noch so viele Stunden hinter der Theke stehen und Wünsche aussprechen.

„Das hättest du gerne, nicht wahr?“, rief ihr Vater Fay durch die offene Haustür hinterher. „Dann wäre endlich Ruhe!“

Auf dem Weg zu dem Donutladen in der Norwood Avenue, der gegenüber von Aidans Appartement lag, verlief ihre Mascara und sie musste so viel Make-up auflegen, dass ihr Gesicht spannte. Ihr Chef war einer der korrektesten Menschen, die Fay je kennengelernt hatte, doch sollte er merken, dass eine seiner Mitarbeiterinnen ihren Glanz verlor, war es vorbei mit dem Geld für SMS und Markenturnschuhe.

Der Einzige, den das noch täuschen konnte, war Joel.

Fay schloss den Laden auf, und während sie die Kaffeemaschine säuberte und den Ofen anstellte, empfand sie beinahe Mitleid mit ihm. Er sah das Himmelbett und ihre Parfümsammlung und glaubte, das wäre es gewesen. Flirten, Zigarettenrauch, Tattoos und ein Akzent, der Fay in die Knie zwang. Kein Wunder, dass er sie für eine Prinzessin hielt.

Du wolltest mich anrufen!, schrieb ihr Tanisha in der Mittagspause und bombardierte Fay mit einer Reihe von vorwurfsvoll dreinschauenden Smileys.

Kaum ertönte das Freizeichen, nahm Fays Freundin ab. „Hi, Verräterin“, begrüßte Tanisha Fay. „Was läuft so im Hause Ich-habe-jemanden-kennengelernt? Wo bleibt mein Foto?“

„Wir kennen uns erst ein paar Tage, für wie bescheuert hältst du mich?“

„Nach der Schlappe mit Justin sehr verständlich.“

„Es läuft ganz gut, denke ich.“ Dass Fay alle fünf Minuten auf ihr Handy spähte und ihr Bettlaken noch immer nach der ersten unschuldigen Nacht mit Joel roch, strafte diese Aussage Lügen.

„Was heißt das? Genauer bitte“, hakte Tanisha nach.

„Wir treffen uns ab und zu. Vielleicht lädt er mich mal ein.“

„Stellst du ihn mir denn mal vor? Wenn es weiterhin gut läuft, meine ich.“ Tanisha betonte das Wort „gut“ etwas zu lange.

„Klar, warum nicht?“

„Wie ist er denn so? Du musst doch mittlerweile wissen, wie er so tickt.“

„Ein wenig überheblich und planlos.“

„Ein Macho“, ergänzte Tanisha und Fay sah auf die Uhr.

„Ein bisschen. Aber sexy.“

„Gut erzogen?“

„Glaube schon.“ Fay dachte an die Zigaretten, die Joel ihr wiedergeben wollte.

„Und sonst? Wie geht’s meinem Mädchen?“

„Hab ein bisschen Stress mit Dad, nichts Schlimmes.“ Lüge Nummer eins für heute.

„Hat er wieder seine Phase?“ Tanisha war, anders als Aidan und Nat, in der bequemen Position, das häusliche Unglück der Sundeens aus sicherer Entfernung beobachten zu dürfen.

„Ja“, sagte Fay und ihre Kollegin Jess schaute durch die Tür zum Hinterhof.

„Komm“, formten ihre Lippen wortlos und sie winkte Fay zu sich.

„Ich muss aufhören, bin auf der Arbeit.“

„Du kannst immer bei mir anklopfen, hörst du? Lass dich nicht kleinkriegen, Babygirl.“

Fay war nie eines dieser weinerlichen Kinder gewesen, das mit einem aufgeschlagenen Knie und Blaulicht ins nächstgelegene Krankenhaus gekarrt werden musste. Doch als sie wieder hinter dem Tresen stand und Faltkartons mit Muffins und glasierten Kuchenstücken befüllte, hätte ein fehlendes „Auf Wiedersehen“ eines Kunden gereicht, um in Tränen auszubrechen.

Das Telefonat mit Tanisha hatte nichts besser gemacht. Joel war höchstwahrscheinlich auf der angekündigten Jobsuche und Fay selbst kam hier vor dem Schichtwechsel um drei Uhr am Nachmittag nicht weg.

„Hey.“ Jess berührte sie kurz am Arm, als Fay zwei Tassen Cappuccino vorbereitete. „Geh spülen. Ich mach hier weiter.“

Fay sah nicht auf, als sie ein „Danke“ murmelte und in die Küche floh. Ihr Vater hatte es geschafft, in seinem Wahnsinn auch die letzte baufällige Fassade einzureißen, die sie gerade erst einparfümiert und frisch gepudert hatte.

Joel betrachtete gelangweilt die Aushänge der Arbeitsvermittlung am Promenade Circle, als sein Handy den Standardklingelton abspielte.

„Hi, Princesa.“

Fays Stimme klang belegt. „Was machst du?“, wollte sie wissen, und Joel las ein Stellengesuch, in dem ein gehbehinderter Ingenieur aus Chicago klassische Büroarbeit und Fachkenntnisse im Umgang mit Computern anbot. Gehaltsvorstellung: 20.000 Dollar im Jahr.

„Bin unterwegs. Irgendwo an der Interstate, Aidan hat mir ’ne Wegbeschreibung gemalt.“

„Mit Straßenschildern?“

„Schlaues Mädchen.“ Joel lächelte. „Irgendwo links von mir müsste ein Stoppschild mit ’ner Ampel stehen.“

Fay lachte kurz auf, doch es klang so bemüht, dass er Gänsehaut bekam. „Schon was gefunden?“, fragte sie dann.

„Nee. Bin wohl überqualifiziert.“ Im Lügen allemal. Zufrieden rieb Joel mit dem Daumen über die juckende Verbrennung an seiner Handfläche.

„Ich hab in einer Stunde Feierabend. Möchtest du herkommen?“

„Wohin?“

„Zum Donut-Store. Aidan wohnt direkt gegenüber, geh einfach über die Hauptstraße.“

„Alles okay?“ Joel hasste diese Frage, weil sie vor Scheinheiligkeit nur so triefte. Natürlich war Fay nicht okay. Ihre Stimme knisterte in seinem Ohr wie ein Schwelbrand, und er konnte die bleierne Mühe in ihrem Lachen beinahe schmecken. Bitter wie Aidans kalter Kaffee am Morgen.

„Ja“, antwortete Fay leiser. „Bis gleich.“

Joel musste sich zwischen Wut über ihre Lüge und Furcht vor der Wahrheit entscheiden und schleppte beide Möglichkeiten bis zur Norwood Avenue hinter sich her, ohne am Ende eine Wahl getroffen zu haben.

Fay wartete auf dem Parkplatz neben dem Pick-up. An ihrem Outfit stimmte wieder einmal alles. Sogar ihre Jeans waren millimetergenau über ihre Knöchel gekrempelt und bildeten den perfekten Abstand zwischen Joels verlorenen Chancen und Fays schmalen Sneakern. „Hi, schöner Mann“, sagte sie leise, lächelte und kam auf ihn zu. Sie legte ihre Arme um Joels Hüften und er zog sie so selbstverständlich an sich, als hätten sie hundert Jahre lang nichts anderes getan.

„Zu mir oder zu dir?“, fragte Joel, weil er Fay lachen hören wollte.

Ihre Schultern bebten kurz unter seinen Armen und die Bewegung ihrer Mundwinkel an seiner Brust verflüssigte sich in seinem Blutkreislauf.

„In Aidans Besenkammer?“, fragte Fay zurück und hob den Kopf. Ihre Augen waren gerötet und die Haut an ihren Wangen fleckig, und Joel war klar, dass das nichts mit gestrecktem Gras zu tun hatte.

„Damit kenn ich mich aus, kein Problem.“

„Oh Gott, okay.“ Sie lachte wieder und ließ ihn los. „Holen wir uns vorher einen Kaffee?“

„Ich hab immer noch keinen Job“, erinnerte Joel sie an seinen halbherzigen Start in etwas, das besser sein sollte als alles Dagewesene.

„Ich weiß. Nimm’s an. Wer gibt, dem wird gegeben, sagt Natalia immer.“

Beinahe wäre Joel ein „Ich weiß“ rausgerutscht, doch die Begegnung im McDonald’s gehörte nicht zu den Dingen, die Fay in ihre filigranen Finger bekommen sollte. Diesen einen Moment, in dem man ihn nach zwei Jahren Zellenschluss um sechs Uhr am Abend mit Freundlichkeit schier überrollt hatte.

„Schlecht geschlafen?“, wollte er von Fay wissen, als sie beinahe über eine rote Ampel und vor ein vorbeifahrendes Auto gestolpert wäre. Das Hupen hallte als Echo an den Hauswänden wider und Joel legte erneut einen Arm um sie. „Oder was ist los?“

„Nein.“ Fay fiel das Lächeln fast aus dem Gesicht. „Hab nur gerade an was anderes gedacht.“

„An was?“

„Nichts Wichtiges.“

Dass sie ihn so abspeiste, verhagelte Joel die Stimmung. Er hatte keine Ahnung, zu welchem überteuerten Kaffeeladen sie diesmal wollte und wie lange er noch warten musste, bis einer von ihnen das Spiel gewann. „Du brauchst mir gar nichts vormachen“, setzte er deshalb an und hoffte, das würde genügen.

Fay warf ihm einen irritierten Blick zu. „Tue ich das?“

„Du warst schon am Telefon so abgefuckt.“

„Da musst du dich verhört haben“, konstatierte Fay, sah stur geradeaus und ihre Schritte wurden schneller.

Joel holte sie ein und neigte im Gehen seine Lippen an ihr Ohr, damit sie ihn diesmal verstand: „Wenn so ’ne schöne Frau so dermaßen scheiße aussieht, hatte sie entweder zu viel oder zu wenig Sex.“

Jetzt hatte er sie. Fay blieb stehen, und durch das Himmelblau, das Joel zu ertränken drohte, zuckten plötzlich Blitze. „Oder sie arbeitet, damit andere es nicht tun müssen.“

Ihre leisen Worte wurden wie durch einen Schalldämpfer direkt in Joels Brustbein gefeuert, wo sie sich ausdehnten und so viel Raum einnahmen, dass sie die schützende Blase direkt hinter seinem Herzen zum Platzen brachten.

Joel packte Fay grob am Handgelenk und zerrte sie hinter einen mannshohen Zaun, der eine Wohnanlage umschloss. Sie wollte sich auf offener Straße nicht die Blöße geben und ein Schmierentheater aus Geschrei und Protest veranstalten, deswegen biss Fay sich so fest auf die Unterlippe, dass sie Blut schmeckte.

„Du sagst mir jetzt sofort, was los ist“, befahl Joel leise. Seine Stimme vibrierte so stark auf ihrer Haut, dass Fay beinahe in die Knie gegangen wäre.

„Nichts“, gab sie ruhig zurück. Hätte er gewusst, dass ihr letzter Rest Beherrschung in genau zwei Minuten und achtzehn Sekunden aufgebraucht war, er hätte wenigstens ihren Arm losgelassen.

„Lüg mich nicht an.“ Das war keine Bitte. Fay versuchte noch zu begreifen, dass sie den zurückhaltenden, spöttischen Joel offensichtlich an der Ampel mit sich gerissen hatte, als er seinen Griff plötzlich lockerte. „Sag’s mir“, wiederholte er dann ruhiger und sein Blick fiel ins Bodenlose.

Fay rieb sich über das brennende Gesicht und ihr Handgelenk pochte. „Können wir das zu Hause besprechen?“, fragte sie dann, obwohl ihr die Zeit weglief. Eine Minute und zwanzig Sekunden.

„Nein.“

„Ich … Es gab Stress mit Dad, okay? Nichts Schlimmes.“ Die Lügen griffen wie Zahnrädchen ineinander.

„Hat er seinen Scheiß endlich bezahlt?“

Fay rechnete die Kraft, die es kosten würde, den Motor am Laufen zu halten, gegen die Schmach auf, vor Joel in Tränen auszubrechen. Letzteres würde sie ihm vielleicht irgendwann erklären können.

„Nein“, sagte Fay und schämte sich für diesen neunzig Kilogramm schweren Vater, der seine Schuld keinen Meter mehr tragen konnte.

„Warum nicht?“

„Er hat das Geld nicht.“ Achtunddreißig Sekunden.

„Weswegen stresst er?“ Joels Fragen schlugen wie Kanonenkugeln in Fays Rückgrat. Sie konnte ihm doch unmöglich verraten, was ihr Vater über ihn dachte. Dreiundzwanzig. Gleich war es endlich vorbei.

„Wer sieht sich schon gern beim Versagen zu?“

„Wie armselig ist er, dass er das an dir auslässt? Wie blöd bist du, dass du dir das anhörst? Was seid ihr eigentlich?“

„Ich weiß nicht. Tut mir leid.“ Acht.

„Judas und sein beschissener Heiland?“

„Hör auf“, bat Fay, dann drehte sie sich weg und wartete auf den Krankenwagen und das Pflaster für eine Wunde, die sie in der Mitte auseinanderriss.

„Schau, was du angerichtet hast“, flüsterte die Stimme seiner Mutter alle Jahre wieder in Joels Hinterkopf. Ihr niedergeschlagener Ton erzeugte einen Druck in seinen Venen, den er am liebsten in Fetzen niedergebrannt hätte, doch da war nur Fay, die offensichtlich seinetwegen heulte. Ihr schmaler Rücken bebte bei jedem Atemzug und sie gab keinen einzigen Klagelaut von sich.

„Tut mir leid.“ Joel durchbrach damit das Vakuum, das zwischen ihnen entstanden war. „Hey, Prinzessin.“ Er berührte sie vorsichtig an den Schultern, und die Splitter in seinem Brustkorb zersetzten sich langsam zu Staub, der seine Lungen füllte.

Joel machte einen Schritt um Fay herum und griff mit beiden Händen in ihren Nacken. „Tut mir leid“, flüsterte er wieder. Fay hielt den Kopf gesenkt und weigerte sich, die Hände vom Gesicht zu nehmen, als Joel sie darum bat. „Du bist trotzdem schön, Prinzessin“, sagte er und seine Hilflosigkeit übertönte das vorwurfsvolle Säuseln in seinen Ohren. „Ich hab nur Scheiß erzählt vorhin. Du bist wahnsinnig schön, immer.“

„Darum geht’s doch gar nicht“, brachte Fay erstickt heraus und ließ kraftlos die Arme sinken.

„Ich weiß“, murmelte Joel und dachte noch immer an das Feuerzeug in seiner Jeanstasche. Er schob seine Daumen über die weiche Haut an ihrem Kieferknochen und lehnte stützend seine Stirn gegen Fays. „Ich mach das nicht mehr“, beschwor er sich dann vielmehr selbst. „Nie wieder, versprochen.“

„Warum warst du so wütend?“, fragte sie leise und wischte umständlich an ihren geschminkten Augenrändern herum. Ihre Mascara verlief trotzdem.

„Weiß ich nicht, Princesa.“ Joel wusste sehr wohl.

„Du bist ein beschissener Lügner“, entgegnete sie daraufhin und plötzlich lag ihr gesamtes Gewicht an Joels pochender Stirn.

„Weiß ich.“ Ging doch.

„Bitte fahr mit mir nach Hause“, bat Fay und Joel verbrannte sich langsam aber sicher die Finger an ihrer Haut. Er hätte sie eigentlich loslassen müssen, weil die Narben an seiner Handfläche warnend zu kribbeln begonnen hatten. Dann dachte er an das Feuerzeug in seiner Tasche und die schwere Stille in ihm, wenn die Haut aufriss, und stellte sich vor, wie es wäre, wenn sein gesamter Körper in Flammen stehen würde.

„Ich bezahl den Kaffee“, flüsterte Fay und schloss kurz die Augen. „Und dann essen wir das abgelaufene Eis aus der Kühltruhe. Und heute Abend gucken wir einen Film, Transformers, oder die zehnte Wiederholung von Oprah. Danach schlafen wir zehn Stunden und vergessen das hier.“ Sie blinzelte und Joel merkte, dass er derjenige war, der zu beben begonnen hatte.

„Das wird Daddy nicht freuen“, erwiderte er, um ganz sicher zu sein.

„Aber mich.“ Fays Fingerspitzen berührten die feinen Härchen auf seinem Unterarm.

„Nichts anderes will ich“, flüsterte er, dann zog er endlich die Hände weg, die Knochen taub vor Schmerz und blutleer. Nichts anderes wollte er fühlen.

Mercy Me

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