Читать книгу Amelie - Nini Schlicht - Страница 12
Kapitel 7
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Wir stiegen die Steintreppen, die kreisförmig nach unten führten, hinab.
Die Stufen waren uneben, viele waren bereits durch häufiges Benutzen eingedellt. Ich musste aufpassen, dass ich nicht stolperte. Wir waren nicht lange gelaufen, als ich eine weitere Türe entdeckte. Adrian hielt mich sanft am Arm fest. Ich drehte mich zu ihm um und er bedeutete mir, hindurch zu gehen. Wir kamen auf einen Flur, der sich kaum von dem oberen unterschied. Auch hier lag der rote Teppich mit den goldenen Stickereien und es hingen Gemälde an der Wand. Allerdings zeigten diese Gemälde verschiedene Szenen aus dem Mittelalter. Ritter kämpften in Schlachten, oder Prinzessinnen tanzten auf einem Ball mit ihren Prinzen. Ich fragte mich, ob Adrian ein Kunstliebhaber war und diese Gemälde hier wohl wertvoll und teuer waren. Ich konnte ihnen jedenfalls nichts abgewinnen. Ich verstand ungefähr so viel von Kunst wie ein Metzger von veganem Essen. Adrian ging vor und ich folgte ihm. Auch von hinten sahen seine Haare vollkommen zerzaust aus. Es wirkte jedoch nicht ungepflegt, sondern eher so, als wäre es genauso gewollt. Wieder fiel mir auf, dass man seine Schritte kaum hören konnte, als würde er über die Flure schweben. Meine Schritte wirkten dagegen wie die eines großen und unbeholfenen Elefanten. Er steuerte auf einen Raum mit offenstehenden Schwingtüren zu. Als ich hineinsehen konnte, blieb mir der Mund offenstehen. Es war das Kaminzimmer, von dem er gesprochen hatte. Das Feuer knisterte in einem übergroßen Wandkamin. Er war an den Seiten auf antike Säulen gestützt und mit Schnörkeleien verziert. Es war angenehm warm und ich fühlte mich sofort wohl. Die Wände waren in einem weinrot gestrichen und überall hingen Kerzenhalter in denen Kerzen brannten. Vor dem Kamin standen zwei große und gemütlich wirkende Sessel, die einen kleinen Holztisch umrundeten.
Zwei Tassen mit dampfendem Inhalt standen auf dem Tisch und ich konnte auch eine Sahnehaube entdecken. Eine kleine Schale mit den Brownies stand daneben und ich bildete mir ein, ich könnte ihren Duft schon riechen. Es war perfekt. So etwas hätte ich mir selbst in meinen Träumen niemals vorstellen können. Jetzt fehlte nur noch, dass es draußen schneite. Ich war so versunken in diesen märchenhaften Anblick, dass ich gar nicht bemerkte, wie Adrian mich amüsiert ansah. Erst, als er sich räusperte wachte ich aus meiner Trance auf.
„Wie es aussieht gefällt es dir hier. Nimm doch bitte Platz und trink den Kakao bevor er kalt wird.“
Unwillkürlich fragte ich mich, ob Adrian den Kakao zuvor selber gemacht hatte, oder ob ihn jemand dort hingestellt hatte. Wie viele Menschen lebten und arbeiteten hier für ihn? Ob sie mir helfen konnten? Oder waren sie ihm so hörig, dass sie die Augen vor seinen Taten verschlossen. Ich setzte mich und nahm mir eine der Tassen. Adrian tat es mir gleich und trank auch sogleich von seinem Kakao. Als ich den ersten Schluck nahm, wurde mir klar, dass ich noch nie in meinem Leben so leckeren Kakao getrunken hatte.
„Mir tut das alles so schrecklich leid, Amelie. Ich wollte nicht das du dich fürchtest.“
Er sah ehrlich betroffen aus, als meinte er das ernst. Ich fühlte mich wie in einem falschen Film. Aus irgendeinem Grund glaubte ich ihm jedes Wort. Es war mehr so ein Gefühl, dass ihm traute. Mein Verstand hingegen schrie mich in einer Tour an, ich solle mich hüten.
„Also warst du gezwungen mich zu entführen? Musstest du das gegen deinen Willen tun, weil dich jemand unter Druck setzt?“ Ich sah ihn fragend an und hoffte, dass er nun endlich Klarheit in dieses ganze Chaos brachte. Adrian blickte verlegen ins Kaminfeuer und es dauerte sehr lange, bis er mir wieder den Blick zuwandte. Ich sah das Flackern des Feuers in seinen Augen, was ihm etwas Magisches verlieh.
„Amelie, ich habe dich nicht entführt. Ich war ebenfalls in dem Wald spazieren, durch den du gelaufen bist. Ich sah, wie dich ein Kerl packte und mit Chloroform betäubte. Ich konnte nicht zulassen, dass er dir etwas antat und so habe ich ihn überwältigt. Du warst bewusstlos und ich hätte dich in ein Krankenhaus bringen sollen. Doch ich brachte dich hierher auf mein Schloss. Das war falsch von mir. Aber ich würde dir niemals etwas antun.“
Adrian sah mich verzweifelt an und ich konnte spüren, dass dies noch nicht alles war. Er rang einige Sekunden mit sich, bevor er weitersprach.
„Es ist kompliziert und ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, ohne dass es dich noch mehr erschreckt.“
Mich hatte jemand angegriffen und Adrian hatte mich gerettet? Aus irgendeinem Grund legte sich eine Art Ruhe oder vielleicht auch Resignation über mich. Vielleicht war das ein Schutzmechanismus der bewirken sollte, dass mir nun alles egal war und mich nichts mehr treffen konnte. Ich seufzte einmal tief und sah ihm dann fest in die Augen.
„Erklär mir, warum du mich mitgenommen hast anstatt mich ins Krankenhaus zu bringen.“ Adrian sammelte sich und machte sich bereit mir die ganze Wahrheit zu erzählen.
„Ich kenne dich schon dein ganzes Leben lang. Ich habe dich all die fünfundzwanzig Jahre, in denen du lebst aus der Ferne beobachtet. Das heißt, ich stand nicht an deinem Fenster oder sowas. Ich habe allgemein verfolgt wie du dein Leben gestaltet hast. Daher habe ich auch mitbekommen, dass du an einem Wendepunkt stehst, an dem du nicht weißt, wie es weitergehen soll. Bleibst du hier und arbeitest weiter in dem Buchladen, oder ziehst du weg, raus aus Schottland. Ich musste mit dir in Kontakt treten, bevor du dich entscheidest. Ich wollte, dass du mich auch kennenlernst. Ich glaube daran, dass jeder Mensch auf dieser Erde ein Gegenstück hat. Nenn es Seelenpartner oder zweite Hälfte. Amelie, du bist meine zweite Hälfte. Nach dir habe ich mein ganzes Leben lang gesucht. Ich wollte dir das alles in Ruhe erklären, wie jetzt gerade in diesem Augenblick. Deshalb bin ich dir in den Wald gefolgt. Doch ich schwöre dir, ich habe dich nicht angegriffen und betäubt. Das war dieser furchtbare Kerl. Ich bin heilfroh, dass ich verhindern konnte, dass er dir etwas antut.“
Adrian atmete einmal aus und wirkte sehr erschöpft. Als hätte ihn dieses Geständnis viel Kraft gekostet. In meinem Kopf rasten die Gedanken umher wie ein Jack Russel Terrier auf Speed. Ich starrte Adrian noch eine ganze Weile lang unentschlossen an. Dann befahl mir mein Körper aufzustehen und mich zu bewegen. Um die angestauten Energien loszuwerden und um nicht durchzudrehen.
Ich stellte mich an den Kamin und starrte ins Feuer. Adrian wartete geduldig ab und sagte kein Wort. Er blieb in seinem Sessel sitzen, die Ellbogen auf die Lehnen gestützt und die Hände ineinander geschlungen vor dem Gesicht. Als sich wieder Worte in meinem zerwühlten Gehirn bilden konnten, drehte ich mich zu ihm herum. Er sah mir erwartungsvoll und vielleicht auch etwas ängstlich entgegen.
„Du bist offensichtlich vollkommen durchgeknallt. Ein Verrückter. Und ich bin in deinem Schloss gefangen. Das sind ja rosige Aussichten.“
Ich sprach mehr zu mir als zu ihm. Doch meine Worte schienen ihn dennoch zu treffen, denn seine Augen verloren diesen Glanz den sie eben noch hatten, als er mich beobachtet hatte, wie ich das Kaminzimmer bestaunte. Nach einer Weile fragte ich ihn: „Willst du mich denn jetzt für alle Zeiten hier behalten, oder darf ich jetzt wieder nach Hause gehen?“ Adrians Blick wurde so tieftraurig, dass ich es fast bereute ihn gefragt zu haben. „Du kannst natürlich jederzeit gehen. Du bist hier nicht gefangen. Ich würde dir niemals etwas antun. Ich wollte nur, dass du mich kennenlernen kannst und ich wollte dich kennenlernen, mit dir sprechen und dafür sorgen, dass es dir gut geht. Aber wenn du gehen willst, bringe ich dich natürlich nach Hause.“
Wollte ich gehen? Ich drehte mich zum Kamin und sah ins Feuer. Wieso sollte ich hierbleiben wollen? Auch wenn Adrian mir nichts getan hatte, war er trotzdem ein Stalker. Ein Verrückter, war offenbar besessen von mir und hatte mich bereits so weit gebracht, ihn sympathisch zu finden und mich wohl in seiner Nähe zu fühlen. Doch ich musste jetzt rational denken. Ich brauchte eine vertraute Umgebung und musste erstmal raus hier.
„Ja, ich möchte nach Hause. Bitte bring mich dorthin.“
Ohne zu zögern stand Adrian auf und nickte mir zu. Er bedeutete mir ihm zu folgen und so liefen wir wieder den Flur entlang und die Treppen noch weiter hinunter. Ganz unten angekommen kamen wir in eine Art Garage.
Hier standen gleich mehrere Autos, die allesamt sehr teuer aussahen. Ich konnte einen Ferrari entdecken und einen Bugatti. Adrian steuerte einen schwarzen Ford Mustang an. Er öffnete mir die Beifahrertür und ich stieg ein. Der Wagen roch neu. Ich konnte das Leder riechen und alles glänzte. Seine Vorliebe für teure Autos stand im Gegensatz zu dem mittelalterlichen Schloss in dem er wohnte. Adrian stieg ebenfalls ein und fuhr los. Als wir aus der Schlossanlage auf eine öffentliche Straße abbogen fragte ich mich, wie viele Stunden wir jetzt hier in diesem Auto zusammen verbringen mussten. Ich erkannte die Umgebung in den ersten fünfzehn Minuten nicht. Doch dann kam mir nach und nach, das ein oder andere bekannt vor. Adrians Schloss lag nur circa eine Stunde von Watermark entfernt. Die ganze Fahrt über sprachen wir kein Wort. Erst als er in meine Straße einbog und kurz vor meinem Elternhaus hielt, drehte er sich zu mir um.
„Ich verspreche dir, dich nie wieder zu belästigen. Ich werde dich nicht weiter beobachten und mich komplett aus deinem Leben herausziehen. Aber falls du noch Fragen haben solltest oder mich kontaktieren willst, hier ist meine Nummer und die Adresse von Marble Halls.“
Er reichte mir einen Zettel auf dem seine Handschrift zu sehen war. Wir waren also auf Marble Halls gewesen. Ich hatte mal von diesem Schloss gehört. Es war eines der schönsten Anwesen in Schottland. Ich nahm den Zettel entgegen und machte Anstalten auszusteigen, als Adrian mich am Arm festhielt.
„Amelie, wenn du mich jetzt anzeigen willst, kann ich das verstehen. Ich habe dich schließlich einfach mitgenommen anstatt in ein Krankenhaus zu bringen als du bewusstlos warst. Ich würde dir das nicht übelnehmen und zu meinen Taten stehen. Für mich bist du etwas ganz Besonderes. Das wirst du auch immer bleiben.“
Er ließ mich los. Ich blieb noch einen Moment lang sitzen und sah ihm in seine grünen Augen. Es war, als würde ich ihn ebenfalls mein Leben lang kennen. Mich überkam ein seltsames Gefühl und ich wandte den Blick ab. Die Situation überforderte mich, also stieg ich wortlos aus. Adrian wartete bis ich durch die Eingangstür gegangen war und fuhr dann davon.