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Kapitel 8

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Ich lehnte mich von Innen gegen die Eingangstür.

Es war kein Geräusch zu hören, obwohl meine Eltern eigentlich zuhause sein müssten. Vor mir erstreckte sich der vertraute Anblick unseres Hausflures. Es war als wäre ich aus einem Traum erwacht und jetzt wieder in der Realität gelandet. Für einen Augenblick fragte ich mich tatsächlich, ob ich nicht vielleicht alles nur geträumt hatte. Bis eben war ich noch in Adrians Schloss gewesen. War das nun eine Entführung gewesen? Er hatte mich jetzt einfach gehen lassen nur, weil ich es so wollte. Außerdem hatte er mich ja vor diesem Typen im Wald gerettet. Dann war es doch keine Straftat, dass er mich danach einfach mit zu sich nach Hause genommen hatte, oder? War etwas dran an dem, was er gesagt hatte? Mein Kopf schwirrte. Das klang alles so surreal. Ich ging in die Küche und schenkte mir ein Glas Wasser ein. Meine Hände zitterten etwas und ich hatte Mühe das randvolle Wasserglas nicht zu verschütten. Die Stimme meines Vaters riss mich derart brutal in die Gegenwart zurück, dass ich mich fast verschluckt hätte.

„Ach, Amelie. Hast du letzte Nacht bei Anne übernachtet? Wieso hast du nichts gesagt, dann hätten wir dir ein paar der selbst gebackenen Kekse deiner Mutter mitgegeben.“

Mein Vater öffnete die Keksdose und nahm sich einen der besagten Kekse heraus. Er biss hinein und blickte mich so ruhig und gelassen an, als wäre nichts gewesen. Seine Brille hing ihm etwas schief auf der Nase und die Haare waren wie immer zerzaust.

„Hatte ich wohl vergessen zu erwähnen. Dann nehme ich für morgen eben ein paar mit.“

Wie von selbst waren mir diese Worte der Lüge über die Lippen gekommen. Ich hatte keine Ahnung, warum ich ihm nicht die Wahrheit erzählte. Warum ich ihm nicht weinend um den Hals fiel und ihm erzählte, dass seine Tochter nur knapp einem Gewaltverbrechen entgangen war und die Nacht bei einem Verrückten auf Marble Halls verbracht hatte. Offensichtlich stand ich unter Schock.

Mein Vater nickte mir nur zu und verließ die Küche wieder. Für ihn war alles in bester Ordnung.

Ich ging hoch in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir.

Mindestens zwanzig Minuten lang stand ich reglos in der Mitte meines Zimmers, unfähig auf die Geschehnisse klarzukommen. Mein Verstand weigerte sich einfach in den Verarbeitungsmodus zu springen. Es passierte ja nicht jeden Tag, dass man gewaltsam gepackt, betäubt und fast zum Opfer eines Verbrechens wurde, dann an einem fremden Ort aufwachte an dem man eingesperrt war und zwar von einem Kerl zu dem man sich vom ersten Augenblick an hingezogen fühlte. Dieser Kerl eröffnete einem dann, dass er einen bereits sein Leben lang kannte. Ich war in seinen Augen seine Seelenverwandte. Er ließ mir nun die Wahl, ob ich ihn kennenlernen wollte oder mein Leben weiterhin so führen wollte wie bisher.

War das überhaupt noch möglich? Würde ich dieses Erlebnis jemals verarbeiten können? Mir fielen all die Erzählungen von Menschen ein, die von sich selbst behaupteten, von Außerirdischen entführt worden zu sein. Denen glaubte das auch keiner. Aber vielleicht stimmte es ja. Mir würde das, was mir in den letzten Stunden passiert war, auch niemand glauben. Ich glaubte es ja selbst noch nicht. Mein Geist war so überanstrengt, dass ich mich todmüde auf mein Bett fallen ließ. Was nun? Wollte ich ihn kennenlernen? Der Geschichte auf den Grund gehen? Mehr erfahren und es vielleicht begreifen? Oder fürchtete ich mich zu sehr vor ihm? Nein, Angst hatte ich eigentlich überhaupt nicht. Nicht mehr.

Aber gruselig war das Ganze doch schon.

Vielleicht war das ja mein Schicksal.

Wäre ich nicht dumm, wenn ich das Schicksal ignorieren würde, wo es doch so heftig in mein Leben getreten war? Mir fielen die Augen zu. Das Letzte, an das ich denken konnte, waren seine grünen und so ausdrucksstarken Augen, die mich stets traurig und etwas schuldig angeblickt hatten.

Amelie

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