Читать книгу Firelove - Nola Nesbit - Страница 13
Diva
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„Der Auspuff hat ein Loch. Bin noch nicht dazu gekommen, es zuzuschweißen“, bemerkte Alex.
Ich fand es cool, sie mir mit Schweißerbrille und schwerem Gerät in Aktion vorzustellen. Alex konnte das. Es gab kaum etwas, das Alex nicht vermochte. Damit glich sie Ethan, obwohl die beiden doch so verschieden waren. Ich lauschte dem metallischen Knattern, wenn Alex das Gaspedal hinunterdrückte. Sie fuhr immer noch den alten Saab. Ich fand den Wagen wirklich schick und Alex am Steuer noch viel mehr. Sie fuhr nicht nur souverän, sondern schraubte selbst an allem herum, was auf Rädern fuhr.
Unter den Reifen knirschte der weiße Kies. Ethans Haus. Es war Montagabend. Alex hatte mich gegen zehn Uhr nach Chicago gebracht und am Abend von der Arbeit abgeholt. Ich schrieb als freie Mitarbeiterin Kulturartikel für das In & Out, ein Online-Stadtmagazin. Gelegentlich musste ich mich in der Redaktion auch zeigen. Regelmäßige Ressortsitzungen waren nur ein Teil dieser lästigen Pflicht.
Jetzt drosselte Alex den Motor, bis er erstarb. Sie legte die Hand auf meinen Sitz und betrachtete mich von der Seite. Eine Kaugummiblase zerplatzte vor ihren aufgeplusterten Backen. Durch ihre schwarze Brille glitzerten mich ihre Augen an. „So, Nia, das war’s. Endstation.“
„Ich will da noch nicht rein.“
„Sei keine Sissy und heb deinen süßen, kleinen Hintern hoch!“ Alex beugte sich zu mir hinüber.
Ich schloss die Augen, um mich von der Berührung ihrer Lippen überraschen zu lassen. „Hey. Was soll das?“
Alex zwinkerte. „Ein kleines Andenken von mir. Wer weiß, wann wir uns wiedersehen.“
Mit verzogenem Gesicht kaute ich ihren Kaugummi mit Mango- oder Papayageschmack, den sie einfach in meinen Mund geschoben hatte. „Beim nächsten Mal hätte ich lieber eine Erstausgabe“, bekannte ich säuerlich.
„Wie du siehst, hinterlasse ich hochwertigere Geschenke.“
Wir lachten.
Plötzlich öffnete sich meine Tür. Erschrocken sah ich auf zu ihm: Ethan. Ich hatte seine Annäherung wieder einmal nicht bemerkt.
„Hi.“
„Hi“, antwortete ich mit belegter Stimme.
„Ich bringe dir deine Frau zurück“, ließ Alex sich vernehmen.
„Sehr gut. Ich habe sie bereits vermisst.“ Ethans Stimme würde mir immer Schauer über den Rücken jagen. Es war die Stimme, die ich am meisten liebte, selbst wenn wir im Streit auseinandergingen.
„Sie dich auch“, gab Alex zurück.
„Ignoriert doch einfach weiterhin, dass ich hier sitze.“ Wie die beiden über mich sprachen, konnte man meinen, ich sei ein kleines Kind, dass zwischen den geschiedenen Eltern pendelte. Ich stieg aus.
„Sorry.“ Alex blickte mich zerknirscht an. Sie flüsterte: „Ich wollte nur den Weg für die Versöhnung bereiten.“
Und Ethan bemerkte: „Das habe ich genau gehört.“
Ich verdrehte die Augen und funkelte Alex danach ganz direkt an. „Wenn du nicht du wärest, wäre es schlicht und ergreifend nicht zum Aushalten mit dir.“
Ich schlug die Beifahrertür zu.
„Hey, Nia!“ Alex kurbelte die Scheibe runter.
Ich sah nochmals zu Alex in den Saab hinein. „Was?“
„Ich liebe dich“, flüsterte sie.
Ich lächelte. Ich dich auch, formte ich stumm, bewegte nur die Lippen.
Alex lachte kurz auf und ließ den Wagen wieder an. Ethan nahm mich an die Hand. Seine war kühl und trocken, der Griff fest und sanft zugleich. „Auch das habe ich genau gehört.“
„Was?“, fragte ich unschuldig.
Ethan betrachtete mich ernst. „Ich akzeptiere das. Ich mache dir keine Vorschriften.“
„Gestern klang das noch ganz anders.“
„Gestern bist du fast mal wieder hopsgegangen. Verachte mich dafür, aber mich hat das wirklich fertig gemacht!“
Kies spritzte hinter Alex Reifen auf, die Kurve zur Hauptstraße nahm sie eng.
„Angeberin!“, knurrte Ethan.
Ich winkte der feinen Staubwolke nach, die Alex in der Luft hinterließ. Ich mochte diese Angeberin. Ethan auch. Das wusste ich.
„Lass uns reingehen“, schlug ich vor.
„Lass uns!“
Es war kühl und der Himmel voller Kumuluswolken. Wir schlenderten Hand in Hand, als wollten wir das Innere des Hauses eigentlich vermeiden.
„Frieden?“, erkundigte ich mich leise und wie nebenbei.
Ohne aufzuschauen, antwortete er: „Frieden. Denn einen Krieg mit dir kann ich ohnehin nicht gewinnen.“
Ethans Mob klingelte. Es war transparent und noch kleiner als das Alte, das wahrscheinlich wie meines im Le Feu's einem Wasserschaden erlegen war. Er meldete sich und lauschte, kurz gab er mir ein Zeichen mit der Hand und bedeutete mir, vorauszugehen. Ich kannte das. Es war wichtig, er würde mir gleich folgen.
Also griff ich nach der Tür, aber wieder einmal war jemand schneller als ich und öffnete sie für mich. Felix!, dachte ich und freute mich, aber vor mir stand die Antwort auf eine Frage, die ich Ethan immer noch nicht gestellt hatte: Venus. Sie thronte über mir wie eine Königin, die eine Untergebene hart bestrafen würde. In Venus’ Gegenwart fühlte ich mich immer wie ein benachteiligtes Gettokid. Sie war all das, was ich nicht war. Sie war wunderschön, hart und kalt wie ein zugefrorener See.
„Hi, Nia!“, sagte sie. Ihre Stimme klang tief und emotionslos. Sie sah wie immer fantastisch aus. Wie von einem anderen Stern, auf dem nur überirdisch gut aussehende Kreaturen lebten. Eine schwarze Hose, eng anliegend, der Aufschlag weit, einen roten Blazer, darunter eine weiße Bluse, weiß und frisch gestärkt mit einem übergroßen, spitzen Kragen. Wie automatisch verglich ich mich mit ihr: Meine alten Jeans, der blaue Schlabberpulli, und die alten Sneakers kamen wieder einmal nicht gut weg. Mein schwarzer Pagenschnitt war – ohne dass ich es mir durch einen Spiegelblick bestätigt hätte – wie immer schlecht gekämmt. Ihre blonden Haare hingegen lagen in großen Locken auf ihren Schultern, umrahmten ihre exquisiten, edlen Züge. Ich trug kein Make-up – Venus schminkte sich im perfekten Diva-Look. Sie hätte in jedem Firmenvorstand, in jeder Talkshow, auf jeder Charity-Veranstaltung eine gute Figur gemacht.
„Hi, Venus!“, entgegnete ich. „Lange nicht gesehen.“
Venus nickte. Als das Schloss einrastete, klang es wie das einer Gefängnistür. Wir standen vor all der asiatischen Kunst und beäugten uns wie alte Kontrahenten. Plötzlich schoss Venus’ Arm nach vorn, ihre Finger lagen an meinem Hals, den sie an die Tür pinnte.
Erschrocken griff ich nach ihr, röchelte etwas. Meine Augen weiteten sich, bis ich ihre Worte deutlich vernahm.
„Du hast ihn in Gefahr gebracht!“
„Wen?“, presste ich heraus. Venus’ Griff war kompromisslos und eisern, genau wie sie. „Ethan.“
Ich starrte sie an, etwas anderes blieb mir ohnehin nicht übrig, weil nur noch wenig Luft in meine Lungen gelangte. „Lass mich los, Venus! Bist du wahnsinnig geworden?!“ Ob sie mein verzweifeltes Hauchen überhaupt verstand?
Langsam lockerte sich ihr Griff, bis sie ihre Finger endlich löste. Ich rieb mir meinen Hals und hustete, saugte Luft tief ein. „Verdammt! Was ist los mit dir?“ Andere hießen sich per Handschlag willkommen, Venus erwürgte Menschen zur Begrüßung mit nur einer Hand. Als Leibwächterin war sie die perfekte Waffe: stets geladen und feuerbereit.
„Felix hat mir erzählt, was gestern im Le Feu's passiert ist.“
„Würgst du da nicht die falsche Frau? Ich wiederhole mich nur ungern, aber ich bin hier das Opfer.“
„Da irrst du dich vielleicht. Ethan war das Ziel.“
„Was?“ In meinem Gesichtsausdruck teilten sich Verwunderung und Unverständnis viel zu wenig Platz.
„Ich war verreist.“
„Ja. Ich wollte dich ohnehin schon fragen: Wohin?“
Mit einer ruckartigen Handbewegung schnitt sie mir das Wort ab. „Ich sollte das nicht sagen … Ich darf es eigentlich nicht.“ Sie sah sich um, als fürchte sie, überwacht zu werden. Fürchtete sogar Venus den Einfluss des Schwarms? Dann flüsterte sie: „Die Dinge haben sich geändert. Die Revolutionäre werden die heimlichen Verwandlungen nicht länger dulden. Sie wollen zurückschlagen und werden es auch tun.“
Ihre Worte sickerten ein. Was hatte sie da gesagt? Es schockierte mich. Vorausgesetzt, Venus hatte recht. „Hast du das Ethan schon erzählt?“
„Nein. Natürlich nicht.“
„Aber Ethan ist auf ihrer Seite“, stammelte ich.
„Das weiß Levent, das wissen du und ich, aber für alle anderen Revolutionäre ist er der ehemalige Anführer der Wasserwesen, der die Menschen langsam aber sicher ausrotten wird.“
„Woher hast du diese Neuigkeiten, Venus?“
„Ich habe Levent besucht. Und noch zahlreiche andere, die die Sache der Menschen vertreten.“
Levent. Schon allein der Name ließ mich plötzlich positiv denken. Viel zu lange hatte ich ihn nicht gehört oder gesehen. „Wie geht es ihm?“
„Wie soll es ihm schon gehen? Gut, wie immer, zumindest als ich ihn verließ.“
Venus und Levent waren alte Freunde und vor langer Zeit auch ein Paar gewesen. Die Vorstellung an sich war absurd, weil Levent so gar nicht zu Venus passen wollte. Levent war natürlich, herzlich und großmütig. Es lag ihm nichts an Eleganz oder Konsum. Seit meiner Rückkehr aus Costa Rica dachte ich immer wieder an ihn. In seinem Refugium fand ich damals Schutz und bei Levent Trost, der weit über eine reine Pflichtübung an einem der letzten Menschen hinausging. Einer der letzten Menschen: Das war ich zweifellos immer noch. Was vormals als Entführung anfing, stellte sich als meine Rettung heraus. Ich schätzte Levent wirklich sehr. Ich mochte ihn mehr, als ich mir eingestehen wollte. „Du musst bei Ethan kündigen!“, entfleuchte es mir abrupt.
„Warum sollte ich?“, schnappte Venus zurück.
„Du bist hier, um ihn zu schützen. Wenn du weißt, dass jemand Ethan nach dem Leben trachtet, ohne es ihm zu sagen, ohne etwas dagegen zu unternehmen, bist du ein Sicherheitsrisiko.“
„Das Sicherheitsrisiko bist du, mein Schatz!“ Ihr Sarkasmus war ätzend. Zumindest inhaltlich wollte ich nicht, dass sie recht behielt.
„Du musst Ethan die Wahrheit sagen!“
„Du solltest besser ausziehen!“
Wütend betrachteten wir uns. Patt. Hier würde keine als Gewinnerin vom Platz gehen. Plötzlich wurde Venus’ Gesichtsausdruck weich und für einen kurzen Moment leuchtete etwas Menschliches in ihren Zügen auf, das ich vielleicht liebenswert finden konnte. Loyalität gegenüber dem Schwarm und Verständnis für die letzten Menschen rangen auch in ihr miteinander.
„Hör zu, Nia! Es gibt noch mehr Menschen, als du denkst. Ethan weiß nichts davon. Er glaubt, wir hätten die Menschheit fast vollständig unterwandert. Aber das ist nicht so. Nichts ist so, wie es scheint. Die, die noch leben, werden sich wehren! Die Schonzeit ist vorbei. Und wenn sie Widerstand leisten, wird es viele Opfer geben. Ethan wird das erste sein, denn er ist der König, der symbolisch fallen soll!“