Читать книгу Firelove - Nola Nesbit - Страница 8

Kunst

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Etwas nahm mir die Luft. Ich schreckte hoch, aber mein Körper kam nicht nach. Die Schwere des Schlafes hielt mich in den Untiefen meiner Albträume fest. Das ist nicht echt! Es ist nur ein Traum. Aber das Gefühl, soeben einer Katastrophe beigewohnt zu haben, blieb bestehen. Meine Fingerspitzen tasteten nach ihm. Nach seinem Körper, seiner warmen Haut. Ethan.

Tatsächlich war allein sein Name in der Lage, meinem Herzen leichte elektrische Stromschläge zu versetzen. Ich drehte mich zur Seite. Das war die Realität: Ethan lag neben mir, die Bettdecke zwischen die Beine geklemmt. In seinem Gesicht erkannte ich die Entspannung tiefen Schlafs, seine blonden Haare standen in alle Richtungen ab, eine Hand steckte unter dem Kissen, die andere mit den langen, delikaten Fingern berührte mich beinahe. Das quälende Gefühl des Albtraums verließ mich zögerlich. Zu oft träumte ich noch davon, dass Menschen unter Wasser starben.

Wir schliefen in seinem Bett, das eigens von einem italienischen Schreiner angefertigt worden war, in seinem Schlafzimmer, das eher einem Ballsaal glich, in seinem Haus, das schon als Aufmacher für zahlreiche Architekturzeitschriften hergehalten hatte. Und ich, Nia Petit, teilte sein Bett und mein Leben mit ihm. Ich, Nia Petit, fünfundzwanzig, Journalistin, seit Jahren eingefleischter Single, war verliebt in den „sexiest man alive“, in Ethan Waterman, Industriemagnat, Mr. DNA und Milliardär. Und das Verrückteste daran war: Er liebte mich ebenfalls.

Weil Ethan noch schlief, kniff ich mich selbst in den Arm, nur, um sicherzugehen, dass ich wirklich nicht mehr träumte. Das milde Morgenlicht schien durch die Jalousien herein. Es war der 18. April 2035. Ethan und ich kannten uns jetzt genau seit einem Jahr.

Ich wollte ihn küssen, berühren, aber um ihn nicht zu wecken, wisperte ich nur: „Ich liebe dich!“, und verließ das Bett. Auf Zehenspitzen durchquerte ich den Raum, schloss die Tür lautlos hinter mir.

Im Bad betrachtete ich mich im Spiegel, strich mir die schwarzen Haare aus dem Gesicht, pickte ein Körnchen Schlaf aus meinem Augenwinkel. Ich schenkte mir ein Lächeln, zog ein paar alberne Grimassen. Die Ellbogen auf die Knie gestützt lauschte ich auf der Toilette dem Plätschern, das noch lauter als mein Gähnen war. Mein Urin würde durch die Filteranlage sofort recycelt werden. Was nur die Astronauten früher im Weltraum erleben mussten, prägte nun unser aller Realität, in welcher jeder Tropfen Wasser als wichtig und unverzichtbar galt.

Ich betrachtete die Finger meiner rechten Hand, spreizte sie und machte wieder eine Faust. Jede Bewegung tat noch weh, aber hey, ich lebte noch. Die Brüche waren gut verheilt, nur die alte Beweglichkeit kam nicht zurück. Die Narben am Handgelenk erinnerten mich daran, dass ich den Tod in die Flucht geschlagen hatte. Die Verwandlung und den Tod. Ich war immer noch ich, wider alle Wahrscheinlichkeit. Zuversicht durchströmte mich. Ich wies die Gespenster der Vergangenheit einfach zurück, die in meinem Kopf stets spukten.

Ich wusch mir die Hände, das Gesicht und staunte erneut, dass Ethans Filtertechnologie so viel leiser als die in meiner Wohnung arbeitete.

Wenn ich bei Ethan übernachtete, folgte ich meinem üblichen Morgenritual. Obwohl es immer noch unwirklich erschien: Mein Freund besaß sein eigenes Museum. Bevor ich dem Verlangen nach Kaffee nachgab, suchte ich barfuß den riesigen Saal auf, öffnete die Schiebetür zum Mirror Lake und atmete die noch kühle Morgenluft ein. Sandy Hills lag hinter uns. Es war still, stiller noch als sonst. So ruhig, wie es an einem Samstagmorgen nur sein konnte. Früher konnte man morgens noch die Vögel singen hören. Jetzt nicht mehr. Die Vegetation und das frische Wasser, das sie benötigten, gab es hier nicht mehr. Ich fröstelte kurz in meinem hellblauen T-Shirt und startete meinen Rundgang.

Ethans Kunstsammlung nahm mir wie jedes Mal den Atem. Sie ganz allein betrachten zu dürfen, schenkte mir ein erhabenes Gefühl. Der Schwerpunkt lag auf Asiatischer Kunst. Alles, was Rang und Namen besaß, hing hier in diesem Raum. Großformatige Bilder, Skulpturen, einige Installationen. Ich liebte jedes Stück. Niemand hinderte mich daran, über das Material zu streichen, mit den Fingerkuppen die Oberflächenstrukturen zu erkunden. Als einzige Besucherin besaß ich Sonderrechte.

Eine meiner Lieblingsinstallationen bestand aus Hockern, unzähligen Holzhockern, zu einem wilden Gebilde zusammengefügt. Sie hielten sich selbst, stützten sich mit ihren dürren Streben zu einer absolut unglaublichen Konstruktion, die jeden Augenblick zusammenfallen konnte, es aber doch nicht tat. Nicht erst seit letztem Jahr erschien mir dieses Kunstwerk mehr denn je als ein Sinnbild für mein eigenes Leben. Voller Bewunderung starrte ich auf den Wald aus gedrechseltem Holz, der sich weit über meinen Kopf erhob.

Zwei Hände legten sich auf meine Schultern. „Ai Weiwei. Als ich ihn kaufte, kannten wir uns noch nicht.“ Ich erschauderte, nur weil Ethans Stimme etwas in mir klingen ließ. Ich hatte nicht gehört, wie er den Raum betrat.

„Er ist fantastisch.“

„Nicht so fantastisch wie du“, flüsterte Ethan in mein Ohr. Seine Lippen fanden meinen Hals. Er küsste mich, sein Atem streifte mich. Ethans Hände wanderten auf meine Hüften hinab. Sein Körper presste sich an mich.

„Ich … ich besuche gerade eine Ausstellung“, stotterte ich hilflos, weil meine Knie langsam weich wurden und das, obwohl wir uns nun schon so lange kannten.

„Ich befürchte, Sie haben keine Eintrittskarte.“ Ethan hob mein T-Shirt an, zog es über meinen Kopf.

„Was wird das? Eine Leibesvisitation?“ Ich lehnte mich an ihn, bis meine Schulterblätter seine haarlose Brust berührten.

„Tut mir leid. So sind die Sicherheitsbestimmungen.“ Ich hörte das Lächeln in seiner Stimme.

Wie durch Geisterhand rutschte mein Slip auf den Boden. Seine Finger berührten meine Brust, fühlten dann nach meiner Lust. „Keine Karte. Ich befürchte, ich muss Sie festnehmen. Fest nehmen.“

Ich beugte meinen Kopf zurück und sah ihm über die Schulter in die strahlend blauen Augen, lachte ihn an. „Das ist das Mindeste, was ich von Ihnen erwarte.“ Meine Lippen pressten sich auf seinen Mund, unsere Zungen fanden sich. Ich blickte wieder nach vorn und spürte, wie Ethan meinen Rücken küsste. „Das Bild. Dieser Fisch macht mich noch völlig verrückt.“ Vor Jahren hatte ich mir einen Koi traditionell stechen lassen. Ethan verehrte die Tätowierung zwischen meinen Schultern vermutlich mehr als mich.

„Erinnerst du dich noch an unsere erste Verabredung bei dir am Pool?“, fragte ich ihn.

„Wie könnte ich das je vergessen?“

Auch mir prägte sich dieser Tag ein wie ein Fußabdruck auf dem Mond, der für immer blieb. Aber kennengelernt hatten wir uns ein paar Tage zuvor in einem Coffeeshop. Jahrelang verpassten wir uns im selben Ort, ahnten nichts von unserer Existenz. Doch das erste Treffen hatte ausgereicht, um unsere Verbindung Fahrt aufnehmen zu lassen. In einem rasanten Tempo, das mich oft verwundert innehalten ließ.

Kurz löste sich Ethan von mir: „Gleich wieder da“, erklärte er und verschwand, um einen Augenblick später mit einem Kondom in der Hand wiederzukommen. Mit dem Mund riss er die Verpackung auf; ich streifte es ihm über. Seit der unangenehmen Verzögerung unseres ersten Males in Costa Rica versuchten wir stets, für entsprechende Vorräte zu sorgen.

Jetzt ging ich in die Knie, stützte mich auf dem Boden ab, während er in mich eindrang. Sein Gewicht ruhte auf mir, ich folgte seinen rhythmischen Bewegungen.

Wir trieben es vor dem Ai Weiwei, der bedenklich schwankte, vor einem Bronzebuddha Nam June Pikes und vor den fleischfarbenen Fratzen von Yue Minjun. Wir stöhnten, leckten und vereinnahmten uns, als gäbe es kein Morgen, kein Gestern, nur ein Jetzt.

Etwas später lagen wir nebeneinander auf dem warmen Holzboden. Unser Atem ging schnell; nur diesem lauschten wir.

Ethans Augen waren geschlossen. Sein rechter Arm ruhte unter meinem Nacken. „Ich liebe es, hier mit dir zu vögeln“, raunte er mir ins Ohr.

Ich streckte mich. „Du hast mich leider völlig von der Ausstellung abgelenkt“, beklagte ich.

„Das war das Ziel.“ Er wirkte sehr zufrieden mit sich selbst.

Ich strich über seine Brust und wunderte mich: Felix, Ethans Bruder, und Venus – noch hatte ich nichts von ihnen gehört. Sie lebten mit Ethan in diesem Haus. Es war heute wirklich außergewöhnlich ruhig. Vielleicht schliefen sie auch noch. „Sind die anderen eigentlich alle weg?“

Aber bevor Ethan antworten konnte, hörten wir ein Motorengeräusch, das Knirschen von Kies, danach das Schlagen einer Autotür.

„Jetzt nicht mehr“, bemerkte Ethan lakonisch. Er öffnete die Augen, horchte so wie ich.

„Verdammt!“ Ich sprang auf und suchte hektisch nach meiner Kleidung. Die Eingangstür lag uns gegenüber. Das Haus betrat man normalerweise durch diesen Raum.

Seelenruhig stand Ethan auf, während ich versuchte, auf einem Bein hüpfend, meine Unterhose wieder anzuziehen.

Die Haustür öffnete sich. Ich ging hinter einer glänzenden Skulptur in Deckung. Auf ihrer Oberfläche spiegelte sich mein erschrockener Gesichtsausdruck. Schon vernahm ich Felix’ Stimme.

Sein Bass konnte noch die Fanfaren des Jüngsten Gerichts übertönen: „Oh, nein! Jetzt treibt ihr es schon in aller Öffentlichkeit.“

„Das ist mein Haus.“ Ethan stellte es ruhig fest. Es schien ihm nichts auszumachen, dass er seinem Bruder splitterfasernackt gegenüber stand. Ethan war schlank und muskulös, eine Augenweide – für mich sah er schon bekleidet wahnsinnig gut aus.

„Und jetzt komm endlich raus, Nia Petit!“ Felix fand an solchen Dingen seinen Spaß.

„Auf keinen Fall.“ Dass gerade diese Antwort meine Anwesenheit definitiv verriet, fiel mir jetzt erst auf. Ich war naiv und verhielt mich nicht besonders schlau. Wie ein Kind kauerte ich mich noch tiefer nieder.

„Ich habe Zeit.“ Das Knirschen von Leder ließ mich wissen, dass Ethans Bruder auf einer der Bänke Platz genommen hatte. Er konnte sehr beharrlich sein. Eine Eigenschaft, die er mit seinem Bruder teilte.

Ich nutzte die Chance, um geduckt zu einem anderen Podest zu huschen. Nur noch wenige Meter trennten mich vom Gang zum Schlafzimmer. Ein Fluchtpunkt, der meine Rettung aus dieser peinlichen Situation garantierte.

„Seitdem mein Bruder dich auf dem Küchentisch flachgelegt hat, träume ich von deinem Muttermal am Po.“

Meine Pupillen weiteten sich. Felix hatte das gesehen?!

„Dank euch kann ich mir dort kein Brot mehr vernünftig schmieren. Und jetzt komm endlich raus!“

Ethan schaltete sich ein: „Du störst, Felix. Wir haben noch einiges nachzuholen.“

„Was wird das hier? Die Mitleidstour?“ Felix stand auf und kam direkt auf mich zu. Ich hätte es wissen müssen: Er hatte mich schon längst enttarnt. Hitzige Scham kroch lavaartig zu meinen Wangen hoch. Ethans Bruder war fast zwei Meter groß. Aus dieser Höhe starrte er auf mich herab. Seine Augen leuchteten in einem warmen Braun, sein dunkles Haar trug er kurz getrimmt. Das obligatorische Karohemd hing über einer engen Jeans, die über seinen enormen Oberschenkeln spannte.

Ich trug einfach nur nichts. Mit hoch rotem Kopf erhob ich mich, versuchte, das blaue T-Shirt notdürftig vor mir zu drapieren, das plötzlich kleiner als ein Topflappen schien. „Dass du so etwas immer bis zum bitteren Ende durchziehen musst“, knurrte ich ihn an.

Felix lächelte: „Ist schon fast so etwas wie ein Sport für mich geworden. Aber eigentlich muss ich dich sprechen.“

„Mich? Warum?“

„Ich habe gerade jemanden getroffen, den du kennst.“

„Cola oder Pearl. Na und?“ Ich besaß nur eine Handvoll Freunde.

Felix schüttelte den Kopf. „Jemanden, mit dem du garantiert nicht gerechnet hast.“

Fragend sah ich ihn an.

„Du wirst es nicht glauben, aber dein Bruder Neal ist wieder in der Stadt.“

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