Читать книгу Der Ultralauf-Kompass - Norbert Madry - Страница 6
ОглавлениеVorwort
Für wen ist dieses Buch geschrieben?
Für möglichst viele Leute.
Unmittelbar ansprechen möchte ich (Ultra-)Läuferinnen und Läufer, die an sich selbst und damit auch an ihre Lauferei etwas mehr Ansprüche stellen als »schaun mer mal«. Gemeinhin als ambitionierte Läufer bezeichnet. Mit den Ambitionen geht bei ihnen ein großer Appetit auf alle laufbezogenen Informationen und Tipps einher. Das sind zunächst die leistungs-orientierten Ultraläufer, die um Meisterschaftsplätze und -medaillen zumindest in der Altersklasse laufen wollen. Ich möchte aber auch all diejenigen ansprechen, die ihrem Laufen ganz bewusst einen wichtigen Platz in ihrem Leben einräumen – egal ob mit großem oder sehr bescheidenem Wettkampf-Ehrgeiz. Ein eher kleiner Teil dieses Buchs ist speziell für absolute Ultra-Neulinge geschrieben. Denn spätestens nach dem ersten absolvierten Ultralauf fühlst Du Dich ja schon ein wenig als Ultra-erfahren. Andererseits, wenn Du Dich nach einigen kürzeren Ultras erstmals auf einen der langen Kanten von 100 Meilen oder 24 h begibst, brauchst Du wieder Tipps für Anfänger. Diesen Informationsbedarf sowohl von Neulingen wie alten Hasen möchte ich bedienen.
Aber lesen sollen dies hier gerne auch Leute, die selber gar nicht laufen oder nur ein wenig laufen, die für die »verrückten Ultras« eigentlich gar kein Verständnis aufbringen, aber doch neugierig und aufgeschlossen genug sind, um z. B. dieses dünne Buch in die Hand zu nehmen.
Warum hast Du dieses Buch geschrieben?
Reine Selbstdarstellung und Eitelkeit …
Nee, hoffentlich nicht. Sondern weil ich glaube, dass dieses Buch einen Informationsbedarf anspricht, der unter Ultraläufern meist nur über Mund-zu-Mund-Propaganda befriedigt wird. Es gibt inzwischen eine Reihe von Büchern, die sich speziell mit dem Ultralaufen beschäftigen und die dann »Das große Buch …« oder »Handbuch …« heißen; mit vielen Bildern und Tabellen gespickt, mit Rückblicken auf die Historie und Einblicken auf die Biochemie des Ultralaufens stehen sie dann groß und dick im Regal. Teilweise sauber recherchiert.
Und das kann der Haken an der Sache sein: Im Ultrabereich gibt es zu den Themen Training und Wettkampfgestaltung wirklich nur subjektive Erfahrungen und kaum wissenschaftliche Erkenntnisse – andererseits sieht ein gedruckter Trainingsplan schon super-wissenschaftlich und objektiv aus. Und die Gebrauchsanleitung zumindest der gewissenhaften Autoren, dass diese Trainingspläne nur eine grobe Richtschnur sind und unbedingt individuell angepasst werden sollten, wird überlesen oder ganz schnell vergessen. Weiter gibt es dann doch so viele Fragen zu Training und Wettkampf, die in diesen Büchern überhaupt nicht angesprochen werden, vielleicht weil es dazu keine gesicherten Erkenntnisse gibt – also will ich mich mal vorwagen und meine Sicht frisch und frei wie in der Mund-zu-Mund-Propaganda als Druckwerk anbieten.
Dies hier soll also ein kleiner, sehr subjektiv gefärbter Laufkumpel in Buchform sein. Praktisch nur auf meinen Erfahrungen als Ultraläufer (und deutlich weniger als Ultra-Coach) basierend, gibt er ehrliche subjektive Antworten auf häufig gestellte Fragen. Und kommt hoffentlich nie dogmatisch daher, sondern bietet Dir eher einen Anreiz zum eigenen Nachdenken und Reflektieren Deiner Erfahrungen.
Warum der Titel Ultralauf-Kompass?
Wie eben gesagt: Das Ultralauf-Territorium ist noch weitgehend ein weißer Fleck auf der Sport-Landkarte, was trainingsmethodische und sportwissenschaftliche Unterfütterung angeht.
Ein Navi nützt halt nichts im noch nicht kartierten Gelände. Da brauchst Du einen Kompass für die grobe Richtung und musst Dir Deinen Weg selbst suchen. Nun begibst Du Dich jenseits von Marathon in unbekanntes Gelände, für das es noch keine exakten Landkarten gibt, aus denen Du ablesen kannst, welche Wege garantiert zum Ziel führen. Dieser Ultralauf-Kompass soll Dir Orientierung geben in dem unkartierten Gelände, soll Dir helfen, Deinen Weg durch den Dschungel von Tipps und Tricks, die es so zum Ultralauf-Training und zur Wettkampfgestaltung gibt, zu finden.
Dieses Buch beleuchtet hauptsächlich Fragen zum Training und zur Wettkampfgestaltung; vor allem solche Fragen, für die es in meinen Augen ganz bestimmte ultra-spezifische Besonderheiten gibt. Ultra-spezifisch = die üblichen Laufweisheiten bis Marathon sind nicht mehr uneingeschränkt richtig.
Die meisten Informationen und Ratschläge allgemeiner Laufbücher sind natürlich auch für das Ultralaufen gültig; nur in ganz bestimmten Punkten gibt es kleine Ultra-Besonderheiten. So habe ich zu den Themen Ernährung, Kraft- und Dehnungsübungen sowie Ausrüstung keine eigenen Kapitel mit vielen Bildern, Tabellen etc. aufgemacht, denn das sind Themen, in denen die Ratschläge bis Marathon auch fast immer für Ultras gültig bleiben. Oder anders ausgedrückt: Ausrüstung, Ernährung und Laufgymnastik sind gut kartierte Gebiete, wo Du besser mit einer guten Landkarte/GPS, die es bereits ausreichend gibt, als mit einem Kompass hantierst.
Das Wiederkäuen von allgemeinen Läuferweisheiten und Lauf-Infos erspare ich Dir und mir. So sollst Du hier nicht zum x-ten Mal nachlesen, wie das noch mal gleich mit Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel funktioniert. Um bei diesem Beispiel-Thema zu bleiben: Es gibt auch im Laufbereich nützliches und unnützes Wissen. Dass Du weißt, dass die Energiewährung der Zellen ATP ist (und vielleicht auch noch die chemische Formel dafür kennst und was genau biochemisch abläuft, während Du läufst), macht Dich aber auch keinen Zentimeter schneller als Deinen auf diesem Gebiet völlig ahnungslosen Mitläufer. Dass Du aber für lange Ausdauerleistungen auf einen gut geölten Fettstoffwechsel angewiesen bist, und wie Du den am besten in der Vorbereitung auf einen oder mehrere Ultra-Wettkämpfe ankurbeln kannst, ohne in eine andere Stoffwechsel- oder Mental-Falle zu tappen, ist schon relevanter zu wissen.
Warum der Untertitel »Für alle, die es wirklich wissen wollen«?
Damit dieses Buch nicht von eigentlich Uninteressierten gekauft oder gelesen wird.
Naja, jetzt, wo ich alles fertig geschrieben habe und die ganze Mühe mit Verlag etc. hinter mich gebracht habe, möchte ich schon, dass es von vielen Leuten gekauft wird – aber Hauptsache für mich bleibt, dass es gerne und mit Interesse gelesen wird. Deswegen hab ich versucht, es extra so zu schreiben, dass die Leute, die wirklich etwas über das Ultralaufen, vor allem auch etwas Ultra-spezifisches zur Wettkampfgestaltung und Trainingsplanung wissen wollen, gut bedient werden. Einige wenige Fragen hab ich mir ausgedacht, aber die allermeisten Fragen stammen von Ultraläufern oder Ultralauf-Interessierten wie Dir, die mich direkt damit konfrontiert haben: über e-mails, Telefonate, im Gespräch vor, nach und teilweise sogar während diverser Ultrawettkämpfe. Viele der Fragen und verwendeten Beispiele in den Antworten stammen bzw. handeln von Mitgliedern der deutschen Ultramarathon-Nationalteams der letzten drei, vier Jahre, die bei Welt- und Europameisterschaften in der Regel deutlich besser abschneiden und auch in den Weltjahresbestenlisten wesentlich besser platziert sind als ihre Landsleute auf den Distanzen Marathon und abwärts.
Wie sollte man dieses Buch lesen?
Entweder ganz klassisch von vorne bis hinten oder ganz selektiv.
Im Kürzüberblick findest Du alle Fragen kapitelweise aufgelistet – such Dir raus, was Dich besonders interessiert oder Du noch mal nachschlagen möchtest.
Warum ist das Buch als reines Frage-Antwort-Spiel aufgebaut?
Weil ich glaube, dass ich mich so am besten auf das konzentrieren kann, was Du wirklich wissen willst.
Allerdings habe ich ein großes Vorbild: ein Buch, das mir vor 30 Jahren in den USA sofort ins Auge stach: Tom Oslers »Serious Runner’s Handbook«. Das war ganz ähnlich als Frage-Antwort-Spiel aufgebaut, hatte Langstreckenlaufen im Allgemeinen zum Inhalt – mit aber immerhin gut 20 Fragen zu Ultramarathons, wenn auch mehr zur Historie und mit inzwischen eher überlebten Empfehlungen.
In einem Buch kann niemand dem Autor widersprechen, was natürlich mal ganz angenehm sein kann … Selbstverständlich bin ich von dem überzeugt, was ich hier als Antworten auf Fragen gegeben habe. Ziemlich oft liege ich überhaupt nicht auf einer Linie mit den normalen Laufweisheiten, besonders bei Punkten, bei denen die Besonderheiten des Ultralaufens gegenüber den kürzeren Laufdistanzen wichtig sind. Mit meinen Antworten möchte ich aber keinen Anspruch auf die einzige und ewige Wahrheit stellen; bei manchen habe ich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es auch ganz andere Sichtweisen gibt. Grundsätzlich will ich Anregungen zum eigenen Nachdenken und Ausprobieren geben, denn grau ist alle Theorie und »Entscheidend is auffen Platz«!