Читать книгу Der Ultralauf-Kompass - Norbert Madry - Страница 9
Gibt es Unterschiede in den Ultralaufleistungen von Frauen und Männern? Ja, Frauen brauchen durchschnittlich ungefähr 10% länger als Männer.
ОглавлениеDabei kann es in einem einzelnen Rennen durchaus vorkommen, dass eine Frau die Beste von allen Angetretenen ist. Nicole Benning hat z. B. mal ein 100-km-Rennen in Spanien vor allen Männern gewonnen. Das lag natürlich daran, dass Nicole damals auf Nationalteam-Niveau war und das überschaubare Männerfeld keinen 8-Stunden-Läufer aufgereiht hatte. Solche isolierten Resultate werden dann gern zu wilden Theorien verwurstet, dass Frauen bei langen Ausdauerleistungen einen biologischen Vorteil hätten – das jedoch hält schon einer simplen statistischen Faktenkontrolle nicht stand.
Statistisch gesehen sind die Leistungen der Frauen auf den langen Distanzen nämlich mit dem auch auf kürzeren Laufstrecken üblichen Malus von ca. 10% gegenüber den Männern behaftet. Man braucht nur in der Statistikdatenbank der Deutschen Ultramarathon-Vereinigung DUV in den Weltjahresbestenlisten über 50 oder 100 km, über 100 Meilen oder 24 h zu blättern, um diesen Fakt bestätigt zu sehen. Ohne diesen Realitäts-Check geistern Vorstellungen durch manche Köpfe, dass Frauen generell leidensfähiger als Männer sind, bessere Kraft-/Last-Verhältnisse haben etc. und deswegen für die ganz langen Ausdauerleistungen im Vorteil sind. Interessante Theorie, aber sie stimmt nicht mit der Realität von hunderten weltweiten Ergebnissen überein.
Wenn man hier noch unbedingt weiterdiskutieren möchte: Viele weibliche Ultras laufen relativ gleichmäßigere Rennen als die meisten ihrer männlichen Kollegen. Auch das kann im Einzelfall anders sein. Ist aber ein guter Tipp für Ultra-Neulinge: Im Zweifel ist es für den Ultra-Novizen oder die Ultra-Novizin cleverer, sich in der ersten Hälfte des 1. Ultrawettkampfs an einer weiblichen Mitläuferin zu orientieren. Ob nun etwas gleichmäßiger erzielt oder nicht: Der etwa 10%ige Leistungsunterschied im Durchschnitt bleibt ein Fakt. Vielleicht kann man diese 10% noch so auffächern, dass der Leistungsunterschied bei Kurz-Ultras bis 100 km etwas mehr als 10% und auf noch längeren Strecken etwas weniger als 10% betragen könnte. Aber wir reden hier nicht von 15 und 5, sondern eher von 11 und 9%. Wäre mal ein Thema für eine sportwissenschaftliche Master-Arbeit …
Diese rund 10% im statistischen Leistungsunterschied der Geschlechter kann man aber ganz praktisch dazu heranziehen, direkt nach einem Rennen schnell und bequem zu beurteilen, ob die Frauen-Siegerin oder der Männer-Sieger an diesem Tag die relativ bessere Leistung gebracht hat.