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Informationsselektion


Psychologen sagen, dass Menschen sich vom Bösen, Schlimmen oder Schlechten stärker faszinieren lassen als vom Guten.{1} Welche Verantwortung tragen die Medien für falsche Wahrnehmung der Wirklichkeit? Schlechte Nachrichten verkaufen sich besser als gute.{2} Oder anders ausgedrückt; Der Skandal findet seine Gläubigen wie der Unfall eine Heerschar an Gaffern.{3} Solche Aussagen schreibt selbst die Presse zum Jahreswechsel 2018. Ein ehrliches Geständnis, das man so nicht erwarten durfte. Auch Ranga Yogeshwar schreibt, als Fernsehjournalist habe er hautnah erlebt, wie sich das Diktat der Quote ausbreite und das Programm immer stärker präge. Mit der Zeit führe der Kampf um Aufmerksamkeit zu einer bemerkenswerten Ausdünnung der Inhalte. Zur Informationsselektion.

In den Medienausschüssen und in den Landtagen der einzelnen Bundesländer wird in Verbindung mit dem Staatsvertrag nach wie vor diskutiert und formuliert, dass das Bestreben im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Einschaltquoten zu optimieren eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt. Der Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (kurz Rundfunkstaatsvertrag oder RStV) ist im Recht der Bundesrepublik Deutschland ein Staatsvertrag zwischen allen 16 deutschen Bundesländern, der bundeseinheitliche Regelungen für das Rundfunkrecht schafft.{4}

Ich war selbst viele Jahre Mitglied im Medienausschuss im Landtag Rheinland-Pfalz. Deswegen ist mir bekannt, dass die Diskussion zu diesem Thema nicht neu ist. Sie ist ein permanenter Begleiter in der medienpolitischen Diskussion. Da bleibt nur die Hoffnung, dass die alte Weisheit, die keiner Person direkt zuordenbar ist, aber einer Informationsselektion gleichkommt, „Good news are bad news“ oder „Gute Nachrichten sind schlechte Nachrichten“ nicht für die Quotensteigerung verwendet wird.

Ja, diese ausgewählten Statements sind nicht repräsentativ. Sie dokumentieren aber Grundüberzeugungen, die in der von mir angesprochenen Tetrade eine große Resonanz finden.

Selbst in privaten Gesprächen mit den Journalisten erhält man Puzzleteile, die den oben beschriebenen Aussagen zuordenbar sind. Politiker haben, so wie ich das auch viele Jahre machen musste, mit den Journalisten zu Sachthemen Hintergrundgespräche. Die Presse muss auf den aktuellen Informationsstand gebracht werden. Das ist nicht negativ zu sehen, das ist zwingend notwendig. Denn zu wenig Informationen generiert Spielräume für Spekulationen. Das hassen Politiker wie die Pest. Während diesen Gesprächen werden auch die Erkenntnisse der Journalisten offenkundig. Häufige Feststellungen sind, wir Journalisten müssen die Gefühlswelten, nicht die Sachlichkeit in den Fokus stellen. Die Überschriften und die bildliche Darstellung zu den Artikeln sind das Wichtigste überhaupt. Eine Informationsselektion ist dabei eine wichtige Grundlage.

Auch bei Weihnachtsfeiern der einzelnen Fraktionen kommt man mit den Journalisten ins persönliche Gespräch. Auch da gibt es Puzzleteile, die nicht nur einmal benannt werden. Zum Beispiel wird die Sensationsberichterstattung, sie wird zwar nicht immer so benannt, sie wird aber treffsicher umschrieben, durchaus als ein Element in der Berichterstattung gesehen. Neben der Sensation gibt es aber auch andere wichtige Themen, die dann der Informationsselektion zum Opfer fallen.

Über viele Jahre erfährt man häufig das Gleiche. Mathematisch gesehen, wenn die Häufigkeit unverbundener Aussagen zu einem Thema steigt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Erkenntnisse zutreffen, sehr hoch.

Die gewinnbringende Abhängigkeit der Medien ist schon groß genug, sie wird aber aktuell und in der Zukunft noch größer. Die elektronischen Medien werden von Seiten der jungen Menschen immer häufiger genutzt. Die Qualität in den neuen elektronischen Medien ist mit Sicherheit nicht besser. Die Selektion der Inhalte und die Art der Berichterstattung durch die Printmedien ist eine Antwort, um das eigene Überleben im Medienwettbewerb zu sichern. Denn die wechselseitige Konkurrenz unterschiedlicher Medien, inklusive der neuen elektronischen Medien, hat dabei ein besonderes Gewicht. Damit steigt der Druck enorm. Die Informationsselektion scheint ein temporäres Mittel zu sein, das Überleben zu sichern. Die Auswirkung auf die Demokratie ist aber umgekehrt proportional.

Erosion und Exitus der gelebten Demokratie

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