Читать книгу Die großen Themen des christlichen Glaubens - Norbert Scholl - Страница 25
b) Das Leben
ОглавлениеIn der Frühphase war die Erde in eine Atmosphäre aus Methan, Ammonium und Wasserdampf gehüllt, die sich im kosmischen Staub gebildet hatten oder in chemischen Prozessen an der Erdoberfläche freigesetzt wurden. Bei der weiteren Abkühlung kondensierte der Wasserdampf zu den Wassermassen der Ozeane. Gleichzeitig entstanden aus Methan, Ammonium und Wasser immer kompliziertere organische Verbindungen: Methanol, Methylamin und schließlich die Aminosäuren, die sich durch verschiedene Seitenketten voneinander unterschieden.
Die zentrale Bedeutung der Aminosäuren für die nächste Entwicklungsphase, die biologische Evolution, ist ihre Fähigkeit, durch Entzug von Wasser lange Ketten zu bilden, nämlich Polypeptide, die kleinen Eiweißmolekülen (Proteinen) ähnlich sind. Im Rahmen der äußeren Bedingungen, die damals auf der Erde herrschten, formten sich aus den bereits entstandenen organischen Molekülen schließlich die Nukleinsäuren als Träger der genetischen Information, die den Beginn des Lebens signalisieren. „Alles Leben basiert auf dem chemischen Wechselspiel von Proteinen und Nukleinsäuren, und in allem wird die Erbinformation durch die DNS (= Desoxyribonukleinsäure) weitergegeben; in den Zellen aller Organismen dient als Produzent und Speicher von Energie für biochemische Reaktionen die Verbindung Adenosintriphosphat (ATP).“23 Man kennt also die Lebensgrundlagen. Aber was „Leben“ eigentlich ist und vor allem, wie es zustande kommt, kann auch die moderne Naturwissenschaft (noch) nicht sagen.
Leben differenziert sich im Folgenden durch Anpassung an die Umweltbedingungen. Insbesondere entstehen im Urozean die ersten zur Photosynthese befähigten Organismen, die durch Wasserspaltung mit Hilfe von Licht Sauerstoff erzeugen und im Verlauf von ca. 1,5 Milliarden Jahren die Erdatmosphäre in ihrer heutigen Zusammensetzung (20 % Sauerstoff, 80 % Stickstoff) hervorbringen. Parallel dazu entfaltet sich das Leben auf unserem Planeten: Aus subzellaren Mikroorganismen werden erst einzellige, dann mehrzellige Kleinstlebewesen; die Sexualität erweist sich als besonders effizientes und zuverlässiges Reproduktionsverfahren; die Vielfalt der Arten und die Größe und Komplexität der Organismen nehmen zu. Die fossilen Energievorräte, Kohle und Erdöl, werden über die Photosynthese aus dem Sonnenlicht gebildet und im Verlauf von einigen hundert Millionen Jahren akkumuliert.
Der geniale Theologe und Naturwissenschaftler Pierre Teilhard de Chardin hat dieses eigenartige „Streben nach Ordnung“ theologisch zu deuten versucht. Für ihn wohnt den Dingen ein merkwürdiger Drang nach Einigung, nach Einssein inne – ein „Drang“ freilich, der es nicht eilig hat. Die Evolution zeigt unendlich viel „Geduld“, die Entwicklung des Chaos zum Kosmos verläuft in unvorstellbar großen Zeiträumen. Aber je weiter sie fortschreitet, desto deutlicher wird im ungeordneten Sein der Drang nach Einheit erkennbar. Innerhalb der geschaffenen Dinge ist der Mensch, das am weitesten fortgeschrittene Produkt der Evolution, stärker davon geprägt als die Pflanze, die Pflanze aber wiederum mehr als der Stein. Auf den ersten Blick erscheint es geradezu paradox: Je komplexer, je vielfältiger das Sein eines Seienden sich darstellt, desto mehr ist es geeint. Das Zerfallen der „Einheit“, die ein Stein darstellt, ist keine so große Katastrophe wie das Zerfallen der Einheit „Mensch“. Höchste Einheit zeichnet sich aus durch höchste Vielfalt. Das am höchsten entwickelte Sein, der Mensch, ist zugleich das komplexeste und das geeinteste Sein.