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Offene Fragen

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Im November 2001 wurde gemeldet, dass in den USA zum ersten Mal ein menschlicher Embryo geklont, d.h. ungeschlechtlich „hergestellt“ wurde – nicht aus der Verschmelzung einer männlichen Samen- mit einer weiblichen Eizelle, sondern aus einer einzigen Hautzelle. Sie wurde in eine vom Erbgut befreite „entkernte“ Eizelle eingespritzt und zur Teilung angeregt. Der „Erfolg“ war zwar publizistisch mächtig übertrieben. Denn von den 71 Eizellen verbrauchten Eizellen schafften nur zwei ein zweimalige Teilung und eine einzige bildete gerade mal sechs Tochterzellen, bevor auch sie starb.48

„Wir wissen“, so gibt ein Kommentator in der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“ angesichts dieser Experimente zu denken, „bei genauerem Hinsehen nicht, worüber wir mehr erschrecken: Über die moralische Bedenkenlosigkeit, mit der solche Experimente unternommen wurden – oder darüber, dass Gott in der Schöpfung Dinge angelegt hat, die nur noch nicht entdeckt sind. Nach den Schocks von Galilei, Darwin und Freud werden wir wieder einmal aus unserer Mitte gerissen, aus ‚sicheren‘ Ansichten über Kosmos, Leben, Bewusstsein. Wieder einmal erweist sich die fest gegründete Schöpfungsordnung als fließend, werdend, evolutiv. Nicht die Sexualität, diese tiefe Kraft unserer Seele und unseres Leibes, macht menschliche Reproduktivität aus. Jede Körperzelle ist potentiell neuer Mensch, neue Menschen! Das ist der eigentliche Schrecken, der gewohnte Seinsvorstellungen über den Haufen wirft – und damit auch das, was wir über die Grenzen zwischen Materie und Geist, unbelebtem und belebtem Leben zu wissen meinten.

Wo, wann beginnt der Mensch? Wie tritt die Seele ins Dasein? Wie wird ein Individuum zum Individuum, eine Person zur Person, Einzigartiges zu Einzigartigem? Gott hat jeden Einzelnen bei seinem Namen gerufen. Das glauben wir. […] Aber welcher Einzelne ist der Einzelne vor Gott? Wo geschieht Schöpfung, Erlösung? Was erlöst die Milliarden verschmolzener Ei- und Samenzellen des Laufs der Menschheitsgeschichte, jene Embryonen des Anfangs, die gezeugt und geschaffen wurden, um vor der Zeit zu sterben, weil sie sich selbst auf natürliche Weise zu 75 Prozent nie in einer Gebärmutter einnisten konnten? Wir spüren: Die Maßlosigkeit des vermeintlich Unnatürlichen ist nur die Begleiterscheinung der Maßlosigkeit des vermeintlich Natürlichen. Je tiefer wir in die Wahrheiten eindringen, um so mehr weitet sich ‚die‘ Wahrheit übers bisher Einsichtige hinaus. Auch als gläubige Menschen müssen wir anders lernen, was wir über Schöpfung, Leben, Erlösung, Gott schon zu wissen meinten. Bekanntes löst sich auf, hinein ins neue Rätsel, Mysterium Gott. Glauben mit den Tatsachen, nicht gegen die Tatsachen. Wir stehen am Rande unseres Denkvermögens. Das macht es nicht nur schwerer, an Gott zu glauben. Noch schwerer wird es, nicht an ihn zu glauben.“49

Eine der Äußerungen der menschlichen Person wird nun näher zu bedenken sein. Es handelt sich um jene empirisch fassbare Fähigkeit des Menschen, die ihn eklatant vom Tier unterscheidet: die Fähigkeit, über seine Umwelt, seine Welt und sich selbst hinauszufragen und sich somit gleichsam selbst zu überschreiten, zu transzendieren. Das jenseitige Gegenüber dieser personalen und kollektiven Selbsttranszendenz nennen wir „Gott“. Der Mensch ist, zumindest nach christlicher Überzeugung, in der Lage, „Gott“ zu erfahren und zu erkennen.

Die großen Themen des christlichen Glaubens

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