Читать книгу Die großen Themen des christlichen Glaubens - Norbert Scholl - Страница 38
b) Thomas von Aquin
ОглавлениеDer älteste Weg einer natürlichen Gotteserkenntnis ist wohl der über den Kosmos. Bereits die frühen griechischen Naturphilosophen schließen von der Harmonie und der Ordnung der Welt auf das welttranszendente Prinzip eines denkenden, vernünftigen und allmächtigen, aber unpersönlich gedachten Weltgeistes. Nicht durch Zufall, sondern durch ein Weltgesetz ist aus dem einen Urgrund die Vielfalt des Daseins entstanden: „Anfang und Ursprung aller Dinge ist das Apeiron (das Unbegrenzte). Das Apeiron ist ohne Alter. Das Apeiron ist ohne Tod und ohne Verderben“ (Anaximander, ca. 611–545 v. Chr.).
Die abendländische Theologie hat diese Gedankengänge aufgenommen. Bekannt sind die „Fünf Wege“ des Thomas von Aquin (1215–1274), die er in Anlehnung an den griechischen Philosophen Aristoteles (384–322 v. Chr.) formuliert hat. Alle gehen von der Wahrnehmung dieser Welt aus, leiten davon einen allgemeinen Grundsatz ab und folgern im Überschreiten die Existenz Gottes.
Der erste Weg geht von der Bewegung aus: Alles Bewegte wird von einem anderen bewegt. Am Anfang aller Bewegung steht ein erster unbewegter Beweger.
Der zweite Weg geht von der erfahrbaren Ursachenverknüpfung aus: Alles, was geschieht, hat eine Ursache. Am Anfang steht eine Ursache, die selbst nicht mehr verursacht ist.
Der dritte Weg geht aus vom Unterschied des bloß möglichen zum notwendigen Sein: Allem Erfahrbaren kommt das Sein nicht notwendig zu; das setzt ein Notwendiges als Anfang voraus.
Der vierte Weg geht aus von den Gradunterschieden in den Dingen: Alle besitzen eine nur teilweise Vollkommenheit. Erst bei weiterem Zurückgehen stößt man auf das vollkommene Ganze.
Der fünfte Weg geht von der Zielgerichtetheit der Dinge aus: Alle Ordnung muss einen letzten Grund haben.2
Man hat Thomas wegen der Form dieser „Wege“ vorgeworfen, er sei ein Intellektualist, der Gott vor allem mit dem Verstand, weniger aber mit dem Herzen suche. Das mag hinsichtlich der reichlich formalen Konstruktionsweise seiner „Wege“ zutreffen. Freilich ist zu bedenken, dass Thomas sich zu diesem Aufweis Gottes aus der Vernunft genötigt sah durch die Herausforderung der zu seiner Zeit stark aufkommenden arabischen Philosophie griechischer Prägung (Averroes von Cordoba, 1126–1198).