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III. Die Frage nach Gott 1. Ein Blick in die Religionsgeschichte a) Archaische Formen von „Religion“

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Einigermaßen sichere Schlüsse auf das Vorhandensein religiöser Vorstellungen und Riten erlauben die Grabstätten. Lage der Skelettfunde und Grabbeigaben lassen auf das Bewusstsein von Sterblichkeit und auf die Vorstellung bzw. Hoffnung eines Weiterlebens nach dem Tod schließen.

Noch deutlicher belegen unterirdische Kultstätten, die sich in der Zeit zwischen 30.000 und 80.000 v. Chr. finden lassen, dass es bei den Menschen dieser Zeit (Vor-)Formen von „Religion“ gegeben hat. Eines der aufregendsten und wichtigsten Zeugnisse dafür ist die unterirdische Höhle von Lascaux in Südwestfrankreich – etwa 30 Meter lang und 10 Meter breit. Die Wände sind mit Tiergestalten bemalt: Stiere, Kühe, Steinböcke, Hirsche, Pferde. Ganz im Hintergrund erscheint die schematische Zeichnung eines toten Mannes, der noch sein Jagdgerät bei sich hat und der von einem wütenden Büffel, dessen Eingeweide aus einer schrecklichen Wunde heraushängen, angegriffen worden ist.

Um die Höhle vor dem Verfall durch Licht, Staub und Atemluft zu bewahren, ist sie heute nicht mehr allgemein zugänglich. Wer das Glück hat, sie betreten zu dürfen, wird von einem eigenartigen Schauer erfasst. Vor zehn-, zwanzig-, oder dreißigtausend Jahren versammelten sich hier Menschen, um für ihre Jagd Erfolg und Schutz zu erflehen von einer Macht, der sie offenbar mehr Kraft und mehr Vermögen zutrauten. Ihrer Gunst wollten sie sich versichern. Aus Angst und Furcht mag der Wunsch nach Überlegenheit, nach mehr Mächtigkeit erwachsen sein. Wer selbst voller Angst ist, möchte anderen Angst einjagen und so Macht über sie gewinnen. Solches Verlangen führt zu Zauberei, Magie, Beschwörung. Ob die Tiere vielleicht deswegen an die Wände gemalt wurden, um sie zu bannen, zu entmachten? Ob der tote Führer deswegen an der Wand „festgehalten“ wurde, damit sein Geist auf die Überlebenden keinen Einfluss mehr ausüben, damit er den neuen Führer nicht stören kann? Das Gefühl menschlicher Ohnmacht und Abhängigkeit, auf paradoxe Weise verbunden mit dem von magischer Kraft und Stärke, ist nahe verwandt mit dem religiösen Gefühl von Furcht und Faszination, von Ohnmacht und Anbetung.

Aber was veranlasste die Menschen damals, auf langen, feuchten und glitschigen Wegen bei spärlicher Beleuchtung ins Innere der Erde zu kriechen? Flüchteten sie sich in den Mutterschoß der Erde, in den Urgrund allen Lebens, um aus ihm wieder wie neugeboren und mit neuen Lebenskräften gestärkt hervortreten zu können? Suchten sie die unheimliche Geborgenheit des Dunkels, um so dem Geheimnis ihres Lebens näher zu kommen? Glaubten sie, hier im Schweigen der Tiefe das Unaussprechliche ansprechen oder vielleicht sogar seinen Anruf vernehmen zu dürfen?

In späterer Zeit fand dieses dunkle Tasten und Ahnen seinen Niederschlag in Mythen, die von Generation zu Generation mündlich weitergegeben und dabei ausgeschmückt, verändert, erweitert, aktualisiert wurden. In zahllosen Variationen erzählen sie von der Entstehung der Götter, der Welt und der Menschen. Mit dem Aufkommen der Schreibkunst konnten sie schließlich schriftlich fixiert werden.

Die großen Themen des christlichen Glaubens

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