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4.

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Ich hatte nichts verstanden. Besuch, ja gut, das kam vor. Ich fegte den Hof gemeinsam mit Ludwig, der aber nichts erzählen wollte, nicht einmal andeuten.

»Nun sag schon. Wer?«

Ludwig wandte sich mit seinem Besen immer wieder ab. Fand immer wieder neue Ecken und Kurven, die er fegen wollte. Ich hinterher.

»Ludwig, nun sag schon.«

Er räusperte sich: »Die Madame.«

Ich sah ihn fragend an. Er machte wieder ein paar Schwünge, sah sich dann um, ob mein Vater, der nicht nur mit mir streng war, uns nicht schwatzen sehen könnte.

»Die Madame, die Nissensche.«

Er fegte weiter, als wolle er die Zeit, die er mit den paar Worten vergeudet hatte, wieder einholen.

»Und was ist daran so besonders? Die kommt doch immer.«

»Im Herbst, nach der Ernte«, brummte Ludwig und wies mit dem Kopf auf das hochgelbe Feld gegenüber unserer Einfahrt.

»Und was ist jetzt?«

»Jetzt?«

»Sommer.«

Ich fegte ebenfalls ein paar Schwünge weiter, rätselnd, was seine Worte bedeuten könnten. Ludwig fegte sich an mich heran.

»Sie kommt nicht allein.« Er sah wieder zum Stall und zum Haus hinüber. »Bringt ihren Neuen mit. Den Schweden.«

Er sah mir ins Gesicht, nickte, als wolle er mein Begreifen damit anschubsen.

Und dann wurde er noch deutlicher: »Das heißt nichts Gutes, wenn die mit dem jetzt kommt. Die ist nett, ich kenn’ die noch von früher, von Nissen. Aber ihren Neuen nicht. Wenn die man nicht alles verkaufen will!«

Mehr sagte er nicht. Doch bei jedem Besenstrich wuchs nun auch in mir die Sorge.

Mein Vater war ebenfalls zunehmend nervös, je näher der Tag rückte, an dem der hohe Besuch kommen sollte.

Mein Geburtstag rückte auch immer näher. Ich argwöhnte an manchem Abend, an dem ich in meiner Dachkammer nicht einschlafen konnte, dass die Babys oder der kommende Besuch mir vielleicht meinen 12. Geburtstag verderben könnten. Oder alles zusammen, man konnte schließlich nie wissen, wie lange so ein Besuch blieb. Die Madame war immer nur ein paar Tage geblieben, manchmal hatte sie ihren erwachsenen Sohn mitgebracht, der wie sein Vater auch Sönke hieß. Richtig viel hatte der nicht geredet, aber es war ihm anzumerken, dass er einen richtigen Bauernhof nicht so oft sah.

Er trug eine gerade, steife Mütze mit glänzendem Schirm. Kein Vergleich zu der schiefen, gekniffenen, die ich auf dem Kopf trug.

Beim zweiten Mal, als er mitkam, hatte er mich angelächelt. Ich konnte merken, wie sehr er sich freute, mich zu sehen. Vielleicht nur, weil ich auch ein Sohn war, noch ein Junge, und er sich mir verbundener fühlte als den anderen Großen.

Als ich noch ein wenig kleiner war, kriegte ich manches durcheinander, wie das so ist. Dass er nun hieß wie sein Vater, beeindruckte mich noch nicht weiter, dergleichen kam auch bei uns häufiger vor. Aber, dass Sönke Nissen hieß wie das Land, auf dem wir wohnten, war für mich schon schwerer zu begreifen. Wie ein Prinz oder der Sohn eines Edelmannes, der sein Reich, dass er verloren hatte, ab und zu besuchte.

Ich überlegte, ob er vielleicht, wenn er noch größer wäre, uns vertreiben und seinen Hof wieder in Besitz nehmen würde. Dazu aber sah er zu nett aus.

An dem Nachmittag, es mag vielleicht eine halbe Stunde lang gewesen sein, dass er bei mir draußen vor der Tür gewesen war, während seine Mutter drinnen mit meinem Vater sprach, kamen wir nicht recht zueinander. Er sagte ab und zu etwas, fragte. Ich antwortete mit ein, zwei Worten. So hatten wir nicht unglücklich, aber meistenteils ohne zu sprechen beieinander gesessen.

Fast kein Land

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