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2.2.3 Nutzen und subjektiver Wertbegriff

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Die Nutzenmaximierung ist eine zugleich subtile und vollkommen platte Forderung an den homo œconomicus. Letzteres, weil sie sich in der ökonomisch relevanten Situation der Distribution von Gütern in ein einfaches »mehr ist mehr« übersetzt:

5. Nicht-Sättigungsannahme: Größerer Konsum bringt dem homo œconomicus höheren Nutzen.

Der Akteur wird immer nach einer größeren Menge eines Gutes streben und die größere Menge der kleineren vorziehen. Gleichwohl ist der Nutzen nicht einfach der konsumierten Menge des Gutes proportional. Mit wachsender bereits vorhandener Gütermenge in seinem Besitz wird er insbesondere aus jedem neu hinzutretenden Stück einen geringeren Nutzen ziehen (Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen).

Dieser subjektive Begriff des Nutzens, insbesondere des Grenznutzens, macht auch den Kern der neoklassischen Werttheorie aus (wie wir in Kürze genauer sehen werden). Wert, so könnte man sagen, wird nicht als etwas Objektives, vom Willen des Akteurs Unabhängiges betrachtet, sondern mit seiner ›Wertschätzung‹ in Zusammenhang gebracht.

Damit kommen wir zu der subtileren Seite der Nutzenmaximierung und des Wertbegriffs. Der subjektive Wertbegriff weist in der Tat eine Besonderheit auf, die sehr merkwürdig ist, weil man nicht so recht weiß, ob sie eine Stärke oder nicht vielmehr doch eine Schwäche darstellt. Es ist dies die Besonderheit, etliche Faktoren integrieren zu können. Die Stärke liegt darin, dass er auch suspektere Regungen des Akteurs wie Neid oder Zuneigung integrieren kann. Ganz gleich, wie kompliziert und kapriziös die Präferenzstruktur eines gegebenen Individuums geartet sein mag, die gesamte Palette seiner Einstellungen kann in den subjektiv gefassten Begriff des Werts integriert werden. Bietet er auf einer Auktion nur, weil er weiß, dass dies einen Nebenbuhler ärgern wird, so ist damit gleichwohl eine ökonomische Tat vollzogen, die den Preis beeinflussen wird und somit in den Wert eingeht, nicht aber in einer psychologischen Extratheorie behandelt werden muss. Wie wir allerdings schon sahen, werden dem homo œconomicus diese suspekten Neigungen untersagt. Seine Entscheidungen sind unabhängig vom Kontext, insbesondere von den konkurrierenden Akteuren und ihren Gütern.

Aus zwei Gründen, die beide für die Kritik der Neoklassik relevant sind, mag sich diese Stärke freilich als Schwäche entpuppen. Zum einen liegt in dieser integrativen Theorie die Gefahr einer Trivialisierung im Sinne einer empirischen Entleerung. Wir werden dies später in der Diskussion des Präferenzbegriffs genauer sehen (↓ 3.1.2, S. 54). Zum anderen unterbindet dieser Ansatz jede Möglichkeit, zwischen ökonomischem und anderem, nicht-ökonomischem Wert zu unterscheiden. Jede Form von Wert wird in der Mechanik des individualistischen Reduktionismus in eine subjektive Wertschätzung übersetzt, die – nach dem soeben dargelegten – in die subjektive Gesamteinstellung integriert wird, welche schließlich den ökonomischen Wert ausmacht. John Bellamy Foster vergleicht die Ökonomie mit der mythischen Gestalt des törichten Königs Midas, der sich vom Gott Dionysos ausbedang, dass alles, was er berühre, zu Gold würde – woraufhin er zu verhungern drohte. Ebenso könnten auch die Ökonomen nur schätzen, was ›zu Gold wird‹, nämlich in ökonomischen Wert übersetzt wird und sich in Geld messen lässt.22 Kritiker der Neoklassik zitieren an dieser Stelle gerne die Definition des Zynikers, welche Oscar Wilde 1892 der Figur des Lord Darlington in seinem Drama Lady Windermeres Fächer in den Mund legte:23

Cecil Graham: Was ist ein Zyniker?

Lord Darlington: Ein Mensch, der von allem und jedem nur den Preis kennt und nicht den Wert.

Leider vergessen es dieselben Kritiker, Cecils schlagfertige Antwort zu zitieren:

Cecil Graham: Und ein Romantiker, mein lieber Darlington, ist ein Mensch, der allem einen übertriebenen Wert beimißt, ohne sich je nach dem gängigen Preis für irgend etwas zu erkundigen.

Tatsächlich ist erst mit diesem Begriffspaar von Zyniker und Romantiker (cynic und sentimentalist) das Spannungsverhältnis hergestellt, in welchem sich die Diskussion um die Neoklassik in Wirklichkeit bewegt. Besonders deutlich wird sich dies in der Diskussion um die Bewertung von unbezahlter Arbeit und von Ökosystemen niederschlagen, wo die Gefahr des Sentimentalen in der Kritik des Zynischen überall mit den Händen zu greifen ist (↓ 4.3, S. 113, und 5.2, S. 138). Diese Spannung ist um so wichtiger zu registrieren, als wir sie nicht werden auflösen können.

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