Читать книгу Feuersturm der Drachenseele - Oliver Seidenstücker - Страница 5

Drachenberge - Gefährliche Tiefen

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Meine Hände rutschten immer wieder am glitschigen Berggestein ab, während ich versuchte mich an dem steilen Abhang zu halten. Mit jedem Seitwärtsschritt ging mein Atem schneller und mein Herz raste vor Angst. Nur ein Schritt nach hinten würde genügen, und ich würde den dunklen Todesschlund der Drachenberge hinunter stürzen. Nur der kleine Felsvorsprung, auf dem ich stand, bewahrte mich vor diesem tragischen Unglück. Und mein andauernder Hunger und der Schlafmangel machten es mir nicht gerade einfacher, mich an die steilen, feuchten Steinwände zu krallen. Zudem wusste ich nicht, wann ich das nächste Mal auf eine etwas größere Fläche treffen würde, auf der ich mich ausruhen konnte. Worauf hatte ich mich da nur eingelassen? Warum war ich Dumme nicht einfach zu Hause in meinem warmen Bett geblieben und hatte dem Schicksal seinen Lauf gelassen? Die Soldaten, die ich anfangs verfolgen wollte, hatten sicherlich schon den Kampf gegen die Drachen begonnen. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, während ich mit meinen vorsichtigen Seitwärtsbewegungen innehielt und mich nur mit tränenden Augen an die Wand vor mir drückte. Ich konnte einfach nicht weitergehen. Die Sorge um den hübschen, orangefarbenen Drachen war viel zu groß. Warum sehnte ich törichtes Mädchen mich eigentlich so sehr nach dieser großen Echse? Plötzlich erfasste mich eine heftige Windböe und versuchte mich von dem Felsen zu reißen. Ich krallte mich mit meinen letzten Kraftreserven an dem kalten Gestein fest. Zum Glück ließ der Windzug nach nur kurzer Zeit nach, sonst wäre ich sicherlich abgestürzt. Ich schaute hinauf in den Himmel – seit langer Zeit, wie mir nun bewusst wurde. Denn das ursprünglich unschuldige Blau hatte sich in ein verschlungenes Schwarz verwandelt.

»Oh nein! «, stöhnte ich. Ein Unwetter hatte mir jetzt gerade noch gefehlt. Schon zuckten die ersten Blitze über meinem Kopf hinweg. Zwar dauerte es noch etwas, bis ein grollender Donner dem hellen Zucken folgte, doch würde es nicht lange dauern, bis ich mich sicherlich im tosenden Zentrum des Sturmes befinden würde. Also sollte ich mich doch lieber beeilen und diesen schmalen Grat verlassen. Ich setzte meinen Körper wieder in Bewegung. Immer schneller wurden meine unsicheren Schritte. Meine Beine zitterten und immer wieder glitt mein Fuß von dem rutschigen Gestein ab. Mein hastiges Atmen hatte sich in ein panisches Stöhnen verwandelt. Blitz und Donner konnten mir nichts anhaben, doch die reißenden Sturmböen, die sich immer wieder in meinen Kleidern und dem Rucksack verfingen, drohten mich von dem Berg zu zerren. Und gerade als ich dachte, schlimmer könnte es nicht werden, wurde es schlimmer. Viel schlimmer! Mit einer weiteren Windböe setzte plötzlich ein heftiger Regenguss ein. Sofort wurden die herausragenden Gesteinsbrocken glitschig und schmierig, so dass es mir unmöglich war, mich noch auf dem Felsen zu halten. Staub und Regen verbanden sich zu einer rutschigen Substanz. Doch ich ging weiter - Schritt um Schritt. Immer wieder rutschte ich von dem glitschigen Gestein ab, doch konnte ich mich im letzten Augenblick wieder hinaufziehen. Plötzlich zuckte ein Blitz auf und der gleichzeitig erschallende Donner ließ den Berg erzittern. Ich erschrak über die unvorhergesehene Stärke des Unwetters und verlor das Gleichgewicht. Ich wollte mich noch an dem Brocken vor mir festhalten, doch er war einfach zu glitschig. Schon rutschte ich von der knappen Kante ab. Instinktiv griff ich nach der Kante, auf der ich gerade noch gestanden hatte und die jetzt an meinem Blickfeld vorbeirauschte. Schon umgriffen meine Hände die vorbeisausende Kante und mein Bauch und meine Brust stießen mit voller Wucht gegen das harte Berggestein. Ich versuchte mich wieder auf die schmale Steinkante hinaufzuziehen, doch ich schaffte es nicht. Ich war einfach zu schwach. Meine Arme zitterten von der dauerhaften Anstrengung und verloren innerhalb kürzester Zeit ihre letzten Kräfte. Aber aufgeben konnte ich nicht, denn Aufgeben würde meinen sicheren Tod bedeuten. Noch einmal versuchte ich mich aus eigener Kraft hinaufzuziehen, doch auf der Hälfte der Strecke versagten mir die müden Muskeln den Dienst und ich plumpste wieder zurück in die hängende, wehrlose Position. Und schon wusste ich, dass dies mein Ende sein würde. Meine Kraft reichte nicht mehr aus, um mich ohne fremde Hilfe hinaufzuziehen. Ich würde solange hier hängen bleiben, bis auch die letzten Kraftreserven aufgezehrt waren. Plötzlich blendete ein heller Blitz meine Augen und schlug genau in den Punkt ein, an dem ich vor kurzem noch gestanden hatte. Rohes Gestein zersplitterte durch die Wucht des heftigen Aufschlages und auch die schmale Steinkante, an die ich mich in Todesangst klammerte, explodierte. Ich stieß einen gellenden Schrei aus, während ich in die finsteren Tiefen stürzte. Um mich herum befand sich ein dicker Schutzwall aus Gesteinsbrocken, der es für einen fliegenden Helden unmöglich machen würde, mir das Leben zu retten. Mein Herz schien vor Angst zu zerspringen und meine Stimmbänder zu zerreißen durch den schrillen und sicherlich letzten Hilferuf. Ich fiel und fiel, in dem Wissen, dass ich irgendwann auf den unnachgiebigen Grund des Tales treffen würde.Aber dann urplötzlich durchfuhr ein heftiger Ruck meinen Körper und etwas schlang sich fest um meinen Rumpf. Benommen durch den heftigen Stoß, sah ich, wie sich der Steinregen um mich teilte und ich nicht mehr nach unten fiel, sondern zur Seite flog. Verwirrt von dieser seltsamen und so unverhofften Kraft schaute ich an mir herunter. Mein Herz machte einen müden, aber dennoch erfreuten Hüpfer. Eine große, orangefarbige Kralle hielt meinen Körper sicher im Griff. Mein Blick folgte dem kräftigen Vorderbein und erblickte schließlich den Leib eines mittelgroßen Drachen. Das prächtige Wesen schlug mit seinen starken Schwingen unermüdlich auf und ab. An seinem rechten Flügelgelenk konnte ich mit schwachem Blick etwas Rotes, Glitzerndes erkennen. Eine Wunde? Während er flügelschlagend an Höhe gewann, schaute er kurz auf mich herab. In seinen großen feuerroten Augen konnte ich eine sorgenvolle Frage erkennen.

»Du.«, stöhnte ich mit einem leisen Lächeln. Ich konnte ihn schnaufen hören, als wenn er wieder etwas zu mir sagen wollte. Doch ich verstand seine Sprache nicht. Ich schaute ihn einfach nur an, froh, meinen Drachen wohlauf wieder zu sehen. Aber dann schwand meine letzte Kraft und ich flog in eine unbekannte Schwärze, die all meine Empfindungen betäubte.

Feuersturm der Drachenseele

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